Im Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
wusste nur, dass seine Frau sich schwere Vorwürfe machte, an dem Tod ihres Sohnes mitschuldig zu sein, dass sie schwermütig wurde und keinen Lebenswillen mehr aufbrachte.
Es kam ihm jetzt aber auch in den Sinn, dass er noch nicht erfahren hatte, was Erika Messner ihrem Kind hinterlassen hatte. Vielleicht war doch etwas vorhanden, was Aufschluss gab über die Beziehung zu Sabines Vater.
Herrgott, du kannst mich doch nicht noch mehr strafen, dachte er. Ich darf doch nicht schuld sein, wenn diesem Kind etwas geschieht!
*
Inge Auerbach war um Bambi jetzt ebenso besorgt wie die Behrends um Sabine. Sie hielt allein Ausschau nach ihr, da ihr Mann und Hannes immer noch nicht aus der Stadt zurück waren. Sie hatten beide zum Zahnarzt gemusst.
Bambi kam allein, ohne Jonny, die Straße heruntergelaufen. Sie war ganz außer Atem.
»Jonny ist ganz narrisch«, sagte sie. »Er geht nicht von der Felsenburg weg, Mami. Aber da kann Sabine doch gar nicht sein! Wo ist denn Opi eigentlich?«
»Mit seinen Bekannten und Omi nach Hohenborn gefahren, Bambi.«
»Hat er den Schlüssel von der Felsenburg mit? Sie waren doch droben. Irgendwas muss sein, dass Jonny sich so aufführt.«
Inge ging mit Bambi in das Haus der Großeltern, aber der Schlüssel hing nicht an seinem gewohnten Platz.
»Und ausgerechnet heute sind Fabian und Ricky bei den Rückerts«, bemerkte Inge Auerbach.
Ihre Tochter Ricky, die mit dem jungen Studienrat Dr. Rückert verheiratet war, verbrachte den Mittwoch Nachmittag immer mit Mann und Kind bei den Schwiegereltern.
»Es ist wie verhext«, sagte Bambi. »Ruf doch lieber mal an, Mami. Wenn Opi in den Tessiner Stuben ist, kann Fabian ihn doch mal wegen dem Schlüssel fragen.«
Bambi wusste immer irgendeinen Rat, und Inge Auerbach fand diesen besonders gut. Sie rief bei den Rückerts in Hohenborn an.
*
Sabine hörte Jonny jaulen. Sie kroch noch mehr in sich zusammen. Es war so dunkel und auch so kalt. Im Wald würde sie sich bestimmt auch nicht mehr fürchten.
Draußen begann Jonny klagend zu heulen. Man konnte es deutlich hören. Die ganze Siedlung würde er wohl rebellisch machen, und das alles ihretwegen. Sabine wusste ja, was Jonny für einen Spürsinn hatte.
Auch Herbert und Norma hörten das Jaulen des Hundes, und selbst an Otto Behrends Ohren drang es.
»Ob der Hund Sabine entdeckt hat?«, fragte Norma. »Wenn sie nun irgendwo in diesem dunklen Wald liegt, verletzt oder …« Sie brach in Tränen aus.
»Jammere nicht, Norma, wir werden sie schon finden. Gehen wir dem Jaulen nach.«
Jonny war in Erlenried wohlbekannt, und weil er gar so jämmerliche Laute von sich gab, glaubte man überall, dass er sich verletzt hätte. Als Herbert und Norma Kerst die Felsenburg erreichten, hatte sich dort schon eine ganze Versammlung eingefunden.
Jonny beruhigte sich noch immer nicht. Er bellte jetzt laut und scharrte an der Tür.
Herbert Kerst bahnte sich einen Weg. Man kannte ihn hier nicht und wunderte sich über sein Erscheinen.
»Sabine«, rief er laut, »bist du da drinnen?«
Er rüttelte heftig an der Tür und hämmerte mit seinen Fäusten dagegen.
Es kam keine Antwort. Er wusste nicht, dass Sabine so zitterte, dass sie gar nichts sagen konnte.
»Herrgott, hat denn niemand einen Schlüssel?«, rief Herbert Kerst. »Unser Kind kann da drinnen sein!«
Unser Kind, hatte er gesagt. Und da kam Inge Auerbach, gefolgt von Bambi.
»Mein Schwiegersohn sucht meinen Vater«, sagte sie. »Er muss den Schlüssel mitgenommen haben, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie Sabine da hineingekommen ist, ohne gesehen zu werden.«
»Das kann man doch leicht, Mami«, meinte Bambi, »wenn man sich im Gewölbe versteckt. Sabine«, rief sie dann laut, »Binchen, hörst du mich? Bambi ist hier! Sag doch was!«
Und da kam ein klägliches Stimmchen von drinnen.
»Bambi, ich habe solche Angst.«
»Hab doch keine Angst«, rief Bambi. »Niemand tut dir was.«
»Wir holen dich heraus, Sabine!«, rief auch Herbert Kerst.
Stefan und Otto Behrend kamen jetzt auch. Sie hatten sich unterwegs getroffen.
»Gehen Sie doch!«, fuhr Herbert Kerst den alten Herrn erregt an. »Sabine hat doch nur Angst, dass Sie sie mitnehmen!«
»Sie braucht doch vor mir keine Angst zu haben«, stammelte Otto Behrend, »nein, das braucht sie nicht.«
Natürlich rätselte man, was das alles zu bedeuten hatte, aber Inge Auerbach kannte diese Menschen alle und redete ihnen zu, wieder heimzugehen. Und dann kam ihr die Erleuchtung, dass auch Felix Münster einen Schlüssel zur Felsenburg hatte.
Kaum hatte sie es ausgesprochen, setzte Stefan sich schon in Bewegung. Inge aber sah, dass Otto Behrend einem Zusammenbruch nahe war.
»Bitte, kommen Sie mit mir«, sagte sie. »Augenblicklich können Sie doch nichts tun. Und du kommst auch mit, Bambi. Jonny findet nachher schon heim.«
*
Eine Viertelstunde später fuhr Felix Münsters Wagen vor. Gleich darauf kam Fabian Rückert, und Sekunden später hielt Stefan Behrend Sabine in den Armen. Sie zitterte wie Espenlaub.
»Ich möchte doch nur bei euch bleiben!«, schluchzte sie. »Bitte, bitte, seid nicht böse!«
»Niemand ist böse«, erwiderte Stefan.
»Wir sind froh, dass du wieder da bist«, erklärte Herbert Kerst. »Du Dummerle, du liebes kleines Dummerle!«
»Jetzt aber rasch nach Hause!«, mischte sich Felix Münster ein. »Hier drin ist es ja eiskalt.«
Jonny streckte Sabine seine Pfote entgegen. Er war zufrieden, dass sein Bemühen von Erfolg gekrönt war, und folgte Fabian.
Felix Münster brachte Stefan, Sabine und die beiden Kerst zur Frühlingsstraße, wo Anschi schon unruhig wartete.
*
Sabine wurde schnell zu Bett gebracht, und Norma kam mit Wärmflaschen und heißem Tee. Endlich erwärmte sich der durchfrorene kleine Körper, und dann schlief Sabine ein.
Norma sparte noch immer nicht mit Vorwürfen für ihren Mann.
»Du hast uns das eingebrockt! Jetzt schau, dass du es auch wieder zurechtbiegst«, sagte sie.
»Nur mit Vernunft können wir der Sache beikommen«, erwiderte er.
»Er kann gar nichts machen, wenn Stefan erklärt, Sabines Vater zu sein«, erklärte Norma erbost.
»Hört, hört!«, spottete Herbert Kerst. »Sie verzeiht dir alles, Stefan.«
»Ich weiß genau, dass es nichts zu verzeihen gibt«, meinte Norma. »Wir müssen uns nur alle einig sein.«
Eine Weile herrschte Schweigen. Dann ergriff Herbert Kerst wieder das Wort.
»Jetzt hat Sabine also nicht nur ein Elternpaar, sondern zwei. Warum sollte sie eigentlich nicht auch einen Großvater haben? Behrend bleibt Behrend. Man kann sich doch arrangieren.«
»Das ist kein Geschäft, Paps!«, bemerkte Stefan vorwurfsvoll.
»Bei Gott nicht, mein Junge. Wir werden noch zu knabbern haben, aber so übel ist der Großvater nicht.«
»Wo ist er denn jetzt eigentlich?«, fragte Anschi.
»Frau Auerbach hat ihn unter ihre Fittiche genommen«, berichtete Stefan.
»Na, dann werde ich mich mal um ihn kümmern, damit er ein Nachtlager bekommt«,