Leni Behrendt Staffel 1 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
überstehen?«
»Hoffentlich raubt es dir die Nachtruhe, du unverbesserlicher Spötter. – Komm, Paps, du sollst heute doppelt belohnt werden.«
Er erhielt je einen Kuß auf die Wangen. Rosita rieb die ihren noch schmeichelnd dran, dann huschte sie lachend davon.
Unter den Zurückbleibenden war es einige Zeit still, dann fragte der Vater: »Hat Rosita dir verraten, warum die kleine Dina sie heute besuchte und warum sie weinte?«
»Das hast du auch gemerkt, Vater?«
»Das war nicht schwer, Junge. Tränenspuren kann man nicht so rasch beseitigen.«
»Das stimmt, mir fielen sie auch auf. Ich versuchte, Rosita darüber auszuhorchen, doch sie bat mich, nicht weiter zu fragen. Das gefiel mir an ihr. Denn die meisten Frauen pflegen ihr Herz auf der Zunge zu tragen.«
»Ja, sie hat manches an sich, was gefällt. Aber leider ist sie ein Edelstein, der erst geschliffen werden muß, soll er in vollem Glanz erstrahlen. Ich verspreche mir sehr viel von dem Umgang mit Fräulein von Kyrt. Ein liebenswertes Menschenkind, die kleine Dina. Ich wundere mich, daß sie sich an unser wildes Röslein so fest angeschlossen hat, daß sie ihr sogar ihren Kummer beichtet, wie man den Tränenspuren nach annehmen muß. Hoffentlich hat sie bei dem Firlefanz das richtige Verständnis gefunden. Wie denkst du darüber, mein Sohn?«
»Daß die Munterkeit Rositas der jungen Dame mehr geholfen hat, als es abgedroschene Phrasen hätten tun können.«
»Dann bin ich beruhigt. Du weißt, wie wichtig mir dein Urteil ist. Und nun wollen wir auch zu Bett gehen. Schlaf gut, mein Junge.«
»Gute Nacht, Vater.«
Die Hände fanden sich zu festem Druck, ein warmer Blick voll unerschütterlichen Vertrauens, dann trennte man sich, um sein Schlafgemach aufzusuchen.
*
Familie Grandt lebte sich rasch in dem kleinen Haus ein, fühlte sich glücklich darin. Über Einsamkeit brauchte man sich nicht zu beklagen, es fanden sich oft Gäste aus der Stadt ein.
Der eifrigste unter ihnen war Tino Ballix, ein armer Verwandter. Somit schien er ernstliche Absichten auf Marlene zu haben, was den Verwandten nicht recht behagte. Ihrer Ansicht nach paßte das Paar gar nicht zusammen – doch sie hüteten sich wohl, ihm gegenüber dieses laut werden zu lassen.
Marlene fühlte sich durch die Anhänglichkeit ihres treuen Verehrers natürlich geschmeichelt. Dafür war sie ja ein Mädchen und gewiß nicht ohne Eitelkeit. Hätte sie nur gewußt, warum es den Herrn Doktor Ballix so oft zum Waldhaus zog, hätte diese Eitelkeit wohl einen Dämpfer bekommen.
Der Junge befand sich nämlich in ständiger Geldverlegenheit, da sein Verdienst als Volontär und der Wechsel von zu Hause nur klein, seine Allüren jedoch groß waren. Da kam es ihm zustatten, wenn er sich im Waldhaus an den wohlgedeckten Tisch setzen konnte. Marlene mußte man schon mit in Kauf nehmen, ihr ein wenig blauen Dunst vormachen. Darauf fiel ein Mädchen immer rein.
Wenn Marlene das gewußt hätte, wäre sie wohl gekränkt gewesen, aber das Herz gebrochen hätte es ihr nicht. Gewiß, so ein bißchen lieben tat sie den Tino schon, aber ihr Idol war nun einmal der junge Graf Trutzger. Ihm galten ihre törichten Mädchenträume, die, wie sie sich selbst sagte, nur Träume bleiben würden, da der Mann ja verheiratet war.
Es beglückte sie schon, wenn sie mit dem Mann ihres Herzens einmal sprechen konnte, was leider nicht oft geschah, weil zwischen Schloß und Waldhaus nur ein offizieller Verkehr bestand.
An einem frühen Sonntagmorgen sah sie nun ihr Idol durch den Park gehen, als sie gerade das Fenster ihres Stübchens öffnete. Da sie bereits angekleidet war, warf sie nur rasch einen Mantel über und schlich leise die Treppe hinab, um die Verwandten, die noch in süßem Schlummer lagen, nicht zu wecken.
Und was nun? Wie sollte sie sich bemerkbar machen? Den Park umgab eine Mauer, die Pforten waren geschlossen.
Und siehe da, Fortuna war ihr hold. Als sie noch wie überlegend stillstand, öffnete sich die Pforte, und der Heißersehnte trat heraus. Rasch bückte sie sich, um Schneeglöckchen zu pflücken. Dazu sang sie so laut, daß der Mann hätte taub sein müssen, wenn ihm dieser Singsang nicht zu Gehör gekommen wäre. Mit hart klopfendem Herzen wartete sie, und dann hörte sie hinter sich eine lachende Männerstimme:
»Guten Morgen, Frau Lerche.«
Sie fuhr herum und tat sehr verlegen.
»Toi, toi, toi, Herr Graf, das ist ja ein Schreck in der Morgenstunde.«
»Hoffentlich kein unangenehmer, gnädiges Fräulein. – So früh schon auf den Beinen?«
»Ja, ich liebe Morgenspaziergänge.«
»Ich auch. Wollen wir uns zusammen tun und einen Spaziergang durch den Park machen?«
Oh, wie hüpfte da ihr Herz vor Freude! Wie ein köstliches Geschenk erschien ihr das langsame Dahinwandern durch die Natur, die immer noch nicht von dem Winter ganz loskommen konnte. Auf den weiten Rasenflächen lag an manchen Stellen noch Schnee, an anderen schimmerte es grün, unterbrochen von leuchtend bunten Krokussen und Schneeglöckchen.
»Wunderbar«, sagte Marlene leise. »Stundenlang könnte ich dahinwandern durch die erwachende Natur.«
»Ja, es ist schön«, entgegnete der Mann versonnen. »Dieses Erwachen hat man doch schon oft erlebt, aber man ist immer wieder davon wie verzaubert. Das heißt, die anderen Jahreszeiten haben auch ihre Reize.«
»Ganz gewiß«, stimmte das Mädchen ihm zu. »Aber der Herbst, so schön er auch ist, stimmt mich melancholisch. Da muß ich immer an des Lebens Leiden denken. Ja, warum lachen Sie denn, Herr Graf?«
»Weil man in Ihren jungen Jahren wohl noch nicht so leiderprobt sein dürfte, gnädiges Fräulein.«
»Sagen Sie das nicht, es gibt sogar Kinderleid. Und dann vergessen Sie das Leid der Liebe nicht. Denn nicht jeder Mensch ist vom Schicksal so begünstigt, glücklich lieben zu dürfen.«
Da sie einen Rundgang durch den Park gemacht hatten, standen sie wieder vor der Pforte, durch die sie hineingegangen waren. Da Marlene die Tränen kaum noch zurückhalten konnte, verabschiedete sie sich hastig und ging durch die Pforte davon. Kopfschüttelnd sah er ihr nach, ging dann zum Schloß zurück, wo er die Seinen im Frühstückszimmer bereits vorfand.
Rosita, die ihren Morgenritt schon hinter sich hatte und nach beliebter Art durch die Ställe gestrolcht war, erschien in dem Aufzug am Frühstückstisch, da ihr keine Zeit mehr zum Umziehen blieb. Als sie dem Gatten die Hand zum Morgengruß reichte, machte er erst Miene, sie an die Lippen zu ziehen, ließ sie dann jedoch nach einem kurzen Blick los. Rosita wußte auch warum, blitzte ihn böse an und warf den Kopf in den Nacken.
»Da bist du ja, Junge«, begrüßte der Vater, der von dem stummen Spiel nichts bemerkt hatte, ihn gutgelaunt. »Ich erspähte vom Altan aus, wie du mit Fräulein Grandt durch den Park lustwandeltest. So etwas könnte mir auch gefallen.«
»Dann tu es doch!« rief Detlef lachend, während er Rosita die gefüllte Kaffeetasse abnahm – und wieder einen beredten Blick auf ihre Hand warf, die gewiß an Sauberkeit zu wünschen übrigließ. Und diesmal bemerkte auch der Vater den Blick.
»Tatsächlich, Kind, du kannst einem mit den ungepflegten Händen und dem Strubbelkopf den Appetit verderben«, sagte er unwillig, was sie böse auffahren ließ, zumal sie sich selbst gar nicht wohl in dem Aufzug fühlte.
»Dann werde ich fortan in der Küche essen, wenn ich den peniblen Herren nicht genehm bin.«
Die Tür knallte hinter ihr zu, was den Vater noch ärgerlicher werden ließ.
»Das wird ja mit dem bockigen Gör immer schlimmer!« sagte er aufgebracht. »Da ist es wieder einmal an der Zeit, daß ich ihr den Trotzkopf gehörig zurechtsetze.«
»Und der Erfolg, Vater? Sie verspricht dir zerknirscht das Blaue vom Himmel und tut dann doch wieder, was sie will. Was man in neunzehn Jahren durch Nachsicht