Leni Behrendt Staffel 1 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
für Unterhaltung sorgen, weil der Mann nur soviel sprach, um nicht direkt unhöflich zu sein. Und dabei gab die Frau Baronin sich doch so große Mühe, umgirrte und umgarnte ihn. Er benahm sich dabei tadellos, und Rosita, die ihn beobachtete, konnte beruhigt
sein.
Aber was war denn mit dem Hausherrn los? Der trank ja den schweren Wein wie Wasser. Sein Gesicht war rot, die Augen flackerten, das Lachen klang bei dem sonst so beherrschten Mann überlaut. Erschrocken ging Rositas Blick zu Dina hin. Es mußte ihr doch unerträglich sein, den Mann ihrer Liebe so berauscht zu sehen, um es nicht gar mit betrunken zu bezeichnen. Gottlob, sie ließ sich nichts anmerken. Sie unterhielt sich mit ihrem Tischherrn, einem jungen Rechtsanwalt aus der Stadt, recht angeregt. Nun ja, anders wäre es ja auch nicht die stolze Dina von Kyrt gewesen. Eine Welle von Zärtlichkeit überflutete Rositas banges Herz. Armes Dinalein, es bleibt dir nichts erspart, deine Liebe heißt leiden.
Wenn diese blöde Lida doch endlich die Tafel aufheben würde. Aber sie sah ja nichts weiter als ihren Tischherrn, den sie umgirrte, daß man sich für sie schämen mußte. Zuviel getrunken schien sie auch zu haben. Überhaupt schien die ganze Atmosphäre wie geladen. Die Menschen am Tisch hielten nur noch krampfhaft die Unterhaltung aufrecht.
Jetzt kippte der Hausherr gar noch das Weinglas um. Rot wie Blut ergoß es sich über den Tisch und über die weiße Hemdbrust des Ungeschickten. Doch bevor seine Nachbarin, Frau von Heinboldt, auch noch was von dem Segen abbekam, sprang sie auf, brachte sich in Sicherheit und meinte gemütlich in die beklemmende Stille hinein:
»Sagen wir also gesegnete Mahlzeit, meine Herrschaften, denn auch noch mit Wein von außen angefeuchtet zu werden, erscheint mir zuviel des Guten.«
Da lachte man befreit auf und erhob sich von der Tafel. Somit war der erste Teil des Festes vorüber.
*
Es gelang Detlef Trutzger, sich unbemerkt an den Hausherrn heranzuschlängeln, der abseits stand und gerade einen Kognak in die Kehle gießen wollte. Ruhig nahm der Graf ihm das Glas aus der Hand.
»Laß das, Manfred, du hast heute genug. Scheußlich siehst du aus mit deinem besudelten Hemd.«
»Das ist mein Herzblut, das da langsam vertropft«, stierte er mit glasigen Augen auf den roten Fleck, ließ sich mit dumpfem Stöhnen auf den nächsten Stuhl sinken und schlug die Hände vor das Gesicht. Ein krampfhaftes Schluchzen durchzuckte den Körper, stoßweise quälte es sich aus der Brust. Es war ein Weinen, das zutiefst erschütterte.
Detlef Trutzger zuckte zusammen, als sich eine zitternde Hand unter seinen Arm schob. Er wandte den Kopf und schaute in zwei schreckgeweitete Augen hinein, in ein erblaßtes Gesichtchen.
»Geh, kleine Frau, das hier ist nichts für dich«, sagte er freundlich. »Helfen kannst du nicht.«
»Detlef, ist das nicht furchtbar?«
»Kann man wohl sagen.«
Zögernd entfernte sie sich, kam jedoch bald darauf mit dem Vater wieder, der mit einem Blick die Sachlage erfaßte.
»Wir müssen ihn unbedingt in sein Schlafzimmer bringen«, sagte er leise zu Detlef. »Es darf ihn kein anderer in dieser Verfassung sehen, darüber würde er nicht hinwegkommen. Husch ab, Röslein, damit du nicht auch noch Zeuge dieser Tragik wirst. Hast schon zuviel gesehen.«
Also brachten sie Manfred in sein Schlafzimmer, das er nach wie vor benutzte, zogen ihn aus und legten ihn aufs Bett. Kaum, daß er lag, schnarchte er auch schon.
»Armer Kerl«, sagte Rasmus mitleidig. »Wenn der schon seinen Kummer in Alkohol ertränkt, muß es bereits weit mit ihm gekommen sein. Wir müssen uns mehr um ihn kümmern, mein Junge. Denn aus sich selbst heraus findet er den Weg zu uns nicht, dafür ist er zu stolz.«
»Vor allen Dingen müssen wir es verhindern, daß er heute noch mit seiner Frau zusammentrifft«, gab Detlef zu bedenken. »Er wäre in dieser Verfassung fähig, sich an ihr zu vergreifen.«
»Womit diesem Sumpfgewächs nur recht geschähe«, brummte der andere verbissen. »Aber man kann ja nicht wissen, wie weit Manfred sich in dem unzurechnungsfähigen Stadium vergessen würde. Hm, was machen wir da? Einschließen können wir ihn wohl nicht. Ja, wenn die alte treue Dienerschaft noch im Hause wäre, aber die hat die Megäre rausgegrault.«
»Nur den braven Inspektor, den hat sie nicht vertreiben können.«
»Richtig, Junge, an den habe ich nicht gedacht, dem müssen wir Bescheid sagen. Willst du das tun?«
»Ja. bleibe aber hier, bis ich zurückkomme. Vorsicht ist geboten.«
Schon nach zehn Minuten erschien Detlef in Begleitung des Inspektors, der schon an die zwanzig Jahre auf dem Lerchenhof wirkte und seinem Herrn treu ergeben war. Eine respektable Persönlichkeit, groß, breit, strotzend vor Kraft und Gesundheit. Also ein Mann, bei dem die liebe Lida es sich überlegen würde, ihrer Impertinenz freien Lauf zu lassen.
»So ähnlich habe ich es mir gedacht«, knurrte der Hüne beim Anblick seines Herrn wie ein böser Kettenhund. »Diese niederträchtige Kanaille macht mir meinen Herrn noch ganz kaputt. Zum Teufel müßte man sie jagen! Aber damit würde dem armen Kerl auch sein Lerchenhof verlorengehen, und von dem trennt er sich nicht, da nimmt er lieber das Martyrium seiner Ehe auf sich. Hoffentlich macht er keine Dummheiten, ich zittere jedesmal vor Angst, wenn er die Flinte auf dem Rücken hat.«
»So arg ist es also schon?« fragte Rasmus.
»Noch ärger, Herr Graf«, kam es grimmig zurück. »Es nimmt kein gutes Ende, wenn das so weitergeht. Mein Herr ist zu vornehm und zu anständig, um sich bei so einer Kreatur durchzusetzen. Die kann ja auch nur deshalb ihre gepinselte Klappe so weit aufreißen, weil ihr Geld in dem Lerchenhof steckt. Darauf pocht sie nun. Ein Jammer und eine Schande ist das!
Armer Kerl«, er beugte sich über seinen Herrn. »Da hat man so was aufwachsen sehen, er war unser ganzer Stolz. Jetzt muß er so elendiglich verkommen. Und bloß wegen eines solchen Gewürms. Der liebe Herrgott wolle geben,
daß ich der eines schönen Tages nicht doch noch den Hals umdrehe. – Aber dazu sind mir meine Hände eigentlich zu schade.«
Jetzt mußten die beiden Grafen denn doch lachen, und der ältere sagte: »Da haben Sie recht, Sie treue Seele. Wenn wir nur geahnt, wie erbärmlich die Verhältnisse hier liegen, hätten wir uns mehr um Ihren Herrn gekümmert. Doch da er sich so auffallend von uns zurückzog, wollten wir uns nicht aufdrängen.«
»Das geschah nur aus Scham, meine Herren, nur aus Scham. Er war immer ängstlich bemüht, die miserablen Zustände vor den Menschen zu vertuschen. Was ist denn mit dem Hemd los, ist das etwa Blut?«
»Nein, nur Wein, den er sich durch Ungeschicklichkeit drübergoß«, beruhigte Detlef. »Er hat leider zuviel getrunken.«
»Ist das vielleicht ein Wunder?« stieß der Hüne grimmig hervor. »Einmal muß der Mensch doch wenigstens seinen Kummer ersäufen. Bevor die Gäste kamen, spielte sich hier eine Szene ab, die alle anderen an Wirklichkeit übertraf. Das Weib war ganz einfach vom Teufel besessen.«
»Also höchste Zeit, daß da ein Riegel vorgeschoben wird«, erklärte Graf Rasmus energisch. »Das ist einfach Menschenpflicht. Sagen Sie uns morgen Bescheid, Herr Inspektor, wenn Ihr Herr wieder aufnahmefähig ist. Dann wird mein Sohn herkommen und ernstlich mit ihm reden. Er als Freund kann das schon, ohne vorher jedes Wort auf die Waage legen zu müssen.«
»Da bin ich aber froh«, lachte der Getreue seines Herrn jetzt über das ganze Gesicht. »Gott sei Dank, da wird’s schon wieder werden. Denn auf die Trutzger hält der Herr Baron große Stücke.
So, nun werde ich mich auf den Diwan legen und meinen Herrn bewachen wie ein treuer Hund. Denn wie ich die Gnädige kenne, wird sie nach Festschluß hier erscheinen, um ihre Wut auszutoben. Aber herein kommt sie nicht, nur über meine Leiche.«
»Dann sind wir beruhigt«, lachte Rasmus. »Also denn bis morgen. Sagen Sie dem Herrn Baron nicht, daß mein Sohn ihn aufzusuchen gedenkt.«
»Das halte