Leni Behrendt Staffel 1 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
Zimmer durchschreiten wollten, verhielten sie an der Schwelle den Schritt.
Denn in dem kleinen Gemach saß Dina von Kyrt, hatte das Gesicht in die Seitenlehne des Sessels gedrückt und weinte herzzerbrechend. Vor ihr stand die junge Gräfin Trutzger und versuchte die Freundin zu beruhigen.
»Dina, so hör doch auf mit dem entsetzlichen Weinen, das kann man ja gar nicht mit anhören. Außer mir, Paps und Detlef hat keiner den Baron in der beschämenden Verfassung gesehen. Um jedes Aufsehen zu vermeiden, haben sie ihn in sein Schlafzimmer gebracht.«
»Ach, Rosita, du kannst gar nicht ahnen, wie mir zumute ist«, kam es unter Herzstößen hervor. »Den Mann so zu sehen, bricht mir einfach das Herz.«
»Na du, so leicht bricht das nicht«, versuchte die kleine Gräfin forsch zu tun, obwohl ihre Stimme dabei bedenklich schwankte. »Ich mach dir den Vorschlag, nach Hause zu fahren. Denn mit den verweinten Augen kannst du nicht in die Gesellschaft zurück.«
»Das geht nicht, Rosita«, raffte Dina sich jetzt auf. »Es würde die Meinen beunruhigen, wenn ich jetzt ohne sie nach Hause führe.«
Das sah die andere ein, wurde jedoch energisch.
»Dann hör aber zu weinen auf, damit deine Augen nicht noch dicker werden. Komm, wir kühlen sie und pinseln das Gesicht an. Schade, daß uns Lidachens inhaltsreicher Tuschkasten nicht zur Verfügung steht.«
Jetzt hatten die beiden Lauscher Mühe, ein herzliches Lachen zu unterdrücken. Sie betraten das Zimmer nicht, sondern suchten sich auf Umwegen einen anderen Durchgang zu den Festräumen.
»Ich glaube, der Retter für Manfred ist nahe«, bemerkte Rasmus vergnügt. »Ein Glück, daß die kleine Dina Geld hat, um damit dem Mann ihres Herzens seinen Besitz zu erhalten, wenn dieser sein Hauskreuz zum roten Kuckuck jagt. Damit er das sofort kann, müssen wir erst einmal in die Bresche springen, mein Sohn.
Und was sagst du zu unserem Röslein? Liebes Kerlchen, wie? Nun wissen wir auch, was für ein Kummer es war, den Fräulein Kyrt unserer Kleinen damals beichtete, worauf diese Mordgelüste bekam.«
Indes hatte man den Saal erreicht, in dem sich unter den Klängen der kleinen Musikkapelle die Paare drehten. Wer nicht mitmachte, saß geruhsam an den Tischen und plauderte mit seinem Nachbarn. Den Hausherrn schien keiner zu vermissen.
Und die Hausherrin?
Nun, die tanzte eben mit Tino Ballix einen Zigeunertanz; und zwar so voll Feuer und Schwung, daß sie förmlich durch den Saal rasten und die anderen Paare flüchten mußten, um nicht über den Haufen gerannt zu werden.
»Na, die lassen sich ja ganz gut los«, schmunzelte Papa Heinboldt, der mit Frau, Tochter, der Familie Kyrt und der Gräfin Trutzger, die eben mit der Freundin erschienen war, zusammensaß. »Mal ein Paar, das einander würdig ist.«
»Nicht so laut«, warnte die Gattin.
In dem Moment betraten die beiden Grafen Trutzger den Saal, und schon ließ Lidachen ihren verblüfften Tänzer stehen und eilte süß lächelnd auf die Herren zu, rechts und links ihre Hände unter die Frackärmel schiebend.
»Da sind Sie ja«, girrte sie. »Und ich nahm schon an, daß Sie sich ohne Abschied verdrückt hätten.«
»Aber wer tut denn so was, meine Gnädige«, entgegnete Rasmus doppelsinnig, dabei auf die Hand schauend, die sich in seinen Ärmel nestelte. Doch da dem Mann in dem Moment die Krawatte zu fest oder zu locker saß, hob er die Arme, und die zarte Hand verlor ihren Halt.
Graf Detlef ging es nicht so gut. Er durfte die Hand von seinem Ärmel nicht so abschütteln wie ein ekliges Insekt, sondern mußte sie sogar ergreifen, da der Pflichttanz mit seiner Tischdame ja noch ausstand. Ihn einfach zu ignorieren, ging nicht an, die Gesellschaftsform hat nun mal ihre Gesetze. Außerdem war die aufdringliche Schöne noch die Gastgeberin.
Also tanzte er, darauf achtend, daß die nötige Distanz gewahrt blieb. Hielt die Gestalt nachdrücklich zurück, die bemüht war, sich an ihn zu schmiegen.
Natürlich blieb das den anderen nicht verborgen, und man lachte in sich hinein. Prächtiger Kerl, der Detlef. Der war jeder Situation mit Gelassenheit gewachsen.
*
Es schien fast so, als wäre die junge Gräfin Trutzger heute vom Schicksal dazu ausersehen, Tränen zu trocknen. Kaum daß es ihr bei Dina gelungen war, fand sie Elke auf der Terrasse, die sie betrat, um ein wenig frische Luft zu schöpfen, weinend vor.
»Ja, was ist denn mit dir los, Elkelein?« fragte sie lachend, was die andere empört auffahren ließ.
»Das sieht dir ähnlich, albern zu lachen, wenn andere weinen. Laß mich bloß in Ruhe!«
»Erst dann, wenn du mir deinen Kummer gebeichtet hast. Und ich kenne deinen Kummer sogar, Elkelein. Er heißt Gunter von Kyrt.«
»Um Gottes willen, nicht so laut!« Elke hielt ihr erschrocken den Mund zu. »Niemand darf das wissen, er selbst am allerwenigsten. Er ist schon gerade eingebildet genug. Zwei Wochen kränkt er mich schon, wo er nur kann. Es ist zum Verzweifeln! Getanzt hat er heute abend auch noch nicht mit mir.«
»Hm, also habt ihr euch verzankt«, stellte Rosita sachlich fest. »Bist du denn daran ganz schuldlos?«
»Eben nicht«, bekannte Elke kleinlaut. »Ich habe sogar mehr Schuld als er. Ich möchte es dir ja erzählen, aber hier sind wir vor Lauschern nicht sicher.«
»Dann komm mit, ich weiß ein kleines Zimmer, wo uns niemand belauschen kann.«
Damit zog sie Elke fort und führte sie in das lauschige Gemach, wo sie heute schon einmal segensreich wirkte. Jetzt handelte es sich um die Verstimmung zweier Liebenden.
»Ja, und nun macht er es mir unmöglich, ihn um Verzeihung zu bitten«, schloß Elke kläglich ihren Bericht, wonach sie den Mann durch ihre Bockigkeit gründlich verärgert hatte. »Er ist einfach unnahbar und kalt wie Eis. Aber warum ich gerade dir das erzähle, ist mir unklar. Es gibt wirklich seriösere Menschen als dich Kindskopf.«
»Ich bin eben eine gute Beichtmutter«, lachte Rosita spitzbübisch. »Wenn du deinen Liebsten erwischen könntest, würdest du ihm dann sagen, wie leid dir deine Bockigkeit tut.«
»Sofort«, entfuhr es Elke spontan. »Aber er läßt sich eben nicht erwischen. Er weicht mir mit einer Beharrlichkeit aus, die mich fast zur Verzweiflung bringt.«
»Ja, mein Kind, Strafe muß nun einmal sein«, predigte die junge Rosita wie eine ermahnende alte Tante. »Hoffentlich wird dein Trotz jetzt gebrochen sein.«
»Du hast’s nötig.« Elke wurde ärgerlich. »Denn einen Trotzkopf wie dich gibt es kaum ein zweitesmal. Von deiner Stachligkeit ganz zu schweigen.«
»Dafür bin ich ja auch eine ›Wilde Rose‹«, tat der arge Schelm großartig. »Und nun möchte ich dir raten, die Spuren der vergossenen Tränen zu beseitigen. Hast du etwas dafür in deinem Täschchen?«
»Ja, aber das liegt im Saal, wo meine Eltern sitzen.«
»Dann hol ich es dir«, erbot Rosita sich eilfertig. »Bleib solange hier, ich bin sofort zurück. Dann verwischen wir deiner Tränen Spuren, die so reichlich um den bösen Liebsten flossen. Ganz poetisch könnte man werden.«
Ehe die empörte Elke noch etwas erwidern konnte, war Rosita schon entschlüpft. Ihr Vorhaben stand unter einem guten Stern, denn am Ausgang des Saales stieß sie auf den jungen Kyrt
»Kommen Sie rasch mit«, raunte sie dem Verdutzten zu, dabei umherspähend, als führe sie Arges im Schilde. Dann griff sie nach seiner Hand, zog ihn mit, machte vor einer Tür halt und flüsterte:
»Rasch da hinein, die Arme weit geöffnet, dem Trotzkopf milde verziehn. Er ist augenblicklich weich wie Wachs.«
Damit schob sie den immer noch verblüfften Mann über die Schwelle, schloß die Tür und lachte wie ein kleiner Kobold in sich hinein.
Komisch, dachte sie, als sie langsam dem Saal zuschritt. Ich habe nun die Beichte