Parerga und Paralipomena. Arthur SchopenhauerЧитать онлайн книгу.
of this, we may observe, that the assent of the vulgar is, in this case, merely verbal, and that they are incapable of conceiving those sublime qualities which they seemingly attribute to the Deity. Their real idea of him, notwithstanding their pompous language, is still as poor and frivolous as ever. (Daselbst p. 432.)18
Kant hat, um das Anstößige seiner Kritik aller spekulativen Theologie zu mildern, derselben nicht nur die Moraltheologie, sondern auch die Versicherung beigefügt, daß, wenn gleich das Daseyn Gottes unbewiesen bleiben müßte, es doch auch eben so unmöglich sei, das Gegentheil davon zu beweisen; wobei sich Viele beruhigt haben, indem sie nicht merkten, daß er, mit verstellter Einfalt, das affirmanti incumbit probatio ignorirte, wie auch, daß die Zahl der Dinge, deren Nichtdaseyn sich nicht beweisen läßt, unendlich ist. Noch mehr hat er natürlich sich gehütet, die Argumente nachzuweisen, deren man zu einem apagogischen Gegenbeweise sich wirklich bedienen könnte, wenn man etwan nicht mehr sich bloß defensiv verhalten, sondern ein Mal aggressiv verfahren wollte. Dieser Art wären etwan folgende:
1) Zuvörderst ist die traurige Beschaffenheit einer Welt, deren lebende Wesen dadurch bestehn, daß sie einander auffressen, die hieraus hervorgehende Noth und Angst alles Lebenden, die Menge und kolossale Größe der Uebel, die Mannigfaltigkeit und Unvermeidlichkeit der oft zum Entsetzlichen anwachsenden Leiden, die Last des Lebens selbst und sein Hineilen zum bittern Tode, ehrlicherweise nicht damit zu vereinigen, daß sie das Werk vereinter Allgüte, Allweisheit und Allmacht seyn sollte. Hiegegen ein Geschrei zu erheben, ist ebenso leicht, wie es schwer ist, der Sache mit triftigen Gründen zu begegnen.
2) Zwei Punkte sind es, die nicht nur jeden denkenden Menschen beschäftigen, sondern auch den Anhängern jeder Religion zumeist am Herzen liegen, daher Kraft und Bestand der Religion auf ihnen beruht: erstlich die transscendente moralische Bedeutsamkeit unsers Handelns, und zweitens unsere Fortdauer nach dem Tode. Wenn eine Religion für diese beiden Punkte gut gesorgt hat; so ist alles Uebrige Nebensache. Ich werde daher hier den Theismus in Beziehung auf den ersten, unter der folgenden Nummer aber in Beziehung auf den zweiten Punkt prüfen.
Mit der Moralität unsers Handelns also hat der Theismus einen zwiefachen Zusammenhang, nämlich einen a parte ante und einen a parte post, d. h. hinsichtlich der Gründe und hinsichtlich der Folgen unsers Thuns. Den letztern Punkt zuerst zu nehmen; so giebt der Theismus zwar der Moral eine Stütze, jedoch eine von der rohesten Art, ja, eine, durch welche die wahre und reine Moralität des Handelns im Grunde aufgehoben wird, indem dadurch jede uneigennützige Handlung sich sofort in eine eigennützige verwandelt, vermittelst eines sehr langsichtigen, aber sichern Wechsels, den man als Zahlung dafür erhält. Der Gott nämlich, welcher Anfangs der Schöpfer war, tritt zuletzt als Rächer und Vergelter auf. Rücksicht auf einen solchen kann allerdings tugendhafte Handlungen hervorrufen: allein diese werden, da Furcht vor Strafe, oder Hoffnung auf Lohn ihr Motiv ist, nicht rein moralisch seyn; vielmehr wird das Innere einer solchen Tugend auf klugen und wohl überlegenden Egoismus zurücklaufen. In letzter Instanz kommt es dabei allein auf die Festigkeit des Glaubens an unerweisliche Dinge an: ist diese vorhanden; so wird man allerdings nicht anstehen, eine kurze Frist Leiden für eine Ewigkeit Freuden zu übernehmen, und der eigentlich leitende Grundsatz der Moral wird seyn: warten können. Allein Jeder, der einen Lohn seiner Thaten sucht, sei es in dieser Welt, oder in einer künftigen, ist ein Egoist: entgeht ihm der gehoffte Lohn; so ist es gleichviel, ob Dies durch den Zufall geschehe, der diese Welt beherrscht, oder durch die Leerheit des Wahns, der ihm die künftige erbaute. Dieserwegen untergräbt auch Kants Moraltheologie eigentlich die Moral.
A parte ante nun wieder ist der Theismus ebenfalls mit der Moral im Widerstreit; weil er Freiheit und Zurechnungsfähigkeit aufhebt. Denn an einem Wesen, welches, seiner existentia und essentia nach, das Werk eines andern ist, läßt sich weder Schuld noch Verdienst denken. Schon Vauvenargues sagt sehr richtig: Un être, qui a tout recu, ne peut agir que par ce qui lui a été donné; et tout la puissance divine, qui est infinie, ne saurait le rendre indépendant. (Discours sur la liberté. Siehe DEuvres complètes, Paris 1823, Tom. II, p. 331.) Kann es doch, gleich jedem andern, nur irgend denkbaren Wesen, nicht anders, als seiner Beschaffenheit gemäß wirken und dadurch diese kund geben: wie es aber beschaffen ist, so ist es hier geschaffen. Handelt es nun schlecht; so kommt dies daher, daß es schlecht ist, und dann ist die Schuld nicht seine, sondern Dessen, der es gemacht hat. Unvermeidlich ist der Urheber seines Daseyns und seiner Beschaffenheit, dazu auch noch der Umstände, in die es gesetzt worden, auch der Urheber seines Wirkens und seiner Thaten, als welche durch dies Alles so sicher bestimmt sind, wie durch zwei Winkel und eine Linie der Triangel. Die Richtigkeit dieser Argumentation haben, während die Andern sie verschmitzt und feigherzig ignorirten, S. Augustinus, Hume und Kant sehr wohl eingesehn und eingestanden; worüber ich ausführlich berichtet habe in meiner Preisschrift über die Freiheit des Willens, S. 67 fg. (2. Aufl. S. 66 fg.). Eben um diese furchtbare und exterminirende Schwierigkeit zu eludiren, hat man die Freiheit des Willens, das liberum arbitrium indifferentiae, erfunden, welches eine ganz monstrose Fiktion enthält und daher von allen denkenden Köpfen stets bestritten und schon längst verworfen, vielleicht aber nirgends so systematisch und gründlich widerlegt ist, wie in der soeben angeführten Schrift. Mag immerhin der Pöbel sich noch ferner mit der Willensfreiheit schleppen, auch der litterarische, auch der philosophirende Pöbel: was kümmert das uns? Die Behauptung, daß ein gegebenes Wesen frei sei, d. h. unter gegebenen Umständen so und auch anders handeln könne, besagt, daß es eine existentia ohne alle essentia habe, d. h. daß es bloß sei, ohne irgend etwas zu seyn; also daß es nichts sei, dabei aber doch sei; mithin, daß es zugleich sei und nicht sei. Also ist Dies der Gipfel der Absurdität, aber nichtsdestoweniger gilt für Leute, welche nicht die Wahrheit, sondern ihr Futter suchen und daher nie etwas gelten lassen werden, was nicht in ihren Kram, in die fable convenue, von der sie leben, paßt: statt des Widerlegens dient ihrer Ohnmacht das Ignoriren. Und auf die Meinungen solcher βοσκηματα, in terram prona et ventri obedientia sollte man ein Gewicht legen?! – Alles was ist, das ist auch etwas, hat ein Wesen, eine Beschaffenheit, einen Charakter: diesem gemäß muß es wirken, muß es handeln (welches heißt nach Motiven wirken), wann die äußern Anlässe kommen, welche die einzelnen Aeußerungen desselben hervorlocken. Wo nun dasselbe das Daseyn, die existentia, herhat, da hat es auch das Was, die Beschaffenheit, die essentia, her; weil beide zwar im Begriff verschieden, jedoch nicht in der Wirklichkeit trennbar sind. Was aber eine essentia, d. h. eine Natur, einen Charakter, eine Beschaffenheit hat, kann stets nur dieser gemäß und nie anders wirken: bloß der Zeitpunkt und die nähere Gestalt und Beschaffenheit der einzelnen Handlungen wird dabei jedes Mal durch die eintretenden Motive bestimmt. Daß der Schöpfer den Menschen frei geschaffen habe, besagt eine Unmöglichkeit, nämlich daß er ihm eine existentia ohne essentia verliehen, also ihm das Daseyn bloß in abstracto gegeben habe, indem er ihm überließ, als was er daseyn wolle. Hierüber bitte ich den §. 20 meiner Abhandlung über das Fundament der Moral nachzulesen. – Moralische Freiheit und Verantwortlichkeit, oder Zurechnungsfähigkeit, setzen schlechterdings Aseität voraus. Die Handlungen werden stets aus dem Charakter, d. i. aus der eigenthümlichen und daher unveränderlichen Beschaffenheit eines Wesens, unter Einwirkung und nach Maaßgabe der Motive mit Nothwendigkeit hervorgehn: also muß dasselbe, soll es verantwortlich seyn, ursprünglich und aus eigener Machtvollkommenheit existiren: es muß, seiner existentia und essentia nach, selbst sein eigenes Werk und der Urheber seiner selbst seyn, wenn es der wahre Urheber seiner Thaten seyn soll. Oder, wie ich es in meinen beiden Preisschriften ausgedrückt habe, die Freiheit kann nicht im operari, muß also im esse liegen: denn vorhanden ist sie allerdings.
Da dieses Alles nicht nur a priori demonstrabel ist, sondern sogar die tägliche Erfahrung uns deutlich lehrt, daß Jeder seinen moralischen Charakter schon fertig mit auf die Welt bringt und ihm bis ans Ende unwandelbar treu bleibt, und da ferner diese Wahrheit im realen, praktischen Leben stillschweigend, aber sicher, vorausgesetzt wird,