Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
sich vielmehr dem Trunk und Spiel ergab und daher sehr bald in Schulden geraten war, wollte sich zu derselben Zeit, als Du hier nach Buchberg versetzt wurdest, durch eine Heirat mit mir aus all seinen Verlegenheiten heraushelfen. Daß er mit diesem Plane bei mir kein Glück hatte und auch der Vater dem leidenschaftlichen Menschen nach seiner – unverschämten Bewerbung, ein für allemal unser Haus verbot, ist wohl selbstverständlich. Trotzdem versuchte er sich mir immer wieder aufs neue zu nähern. Inzwischen hatte ich Dich kennen gelernt und fühlte auch bald, daß ich Dir nicht gleichgültig blieb. Du tanztest auf den Festen des landwirtschaftlichen und Kriegervereins, stets am meisten mit mir und ich war so glücklich darüber, habe frohen Herzens meine Arbeit verrichtet, da ich Dich schon damals wiederliebte. Aber alle meine Hoffnungen sollten mir dann plötzlich durch Vinzent zerstört werden. Er traf mich eines Tages allein auf dem Felde, sprach mich an und versuchte wieder, mich umzustimmen, bat und flehte, ich solle die Seine werden. Als ich ihn wie bisher ruhig abwies und schließlich mit kurzem Gruße davonging, geriet er in die fürchterlichste Wut, die ihn alle Klugheit vergessen ließ. „Ich weiß, Du liebst Markdorf!“ schrie er mir nach. „Aber denke nicht, daß Du den je bekommen wirst. Eher wandere ich ins Zuchthaus.“ Was er dann noch weiter an wilden Drohungen gegen Dich hervorstieß, verstand ich nicht mehr. Aber seit dem Tage mußte ich für Dein Leben fürchten, Fritz, denn ich kannte Vinzents Jähzorn und seinen vor nichts zurückschreckenden Charakter nur zu gut. Und nur um Dich zu retten, mied ich Dich fortan, änderte auch mein Benehmen Dir gegenüber, trotzdem es mir unendlich schwer wurde und ich mehr, wie Du ahnst, darunter litt. Ich suchte meines Vetters Rachegedanken auf diese Weise von Dir abzulenken, hoffte, er würde sich täuschen lassen und annehmen, daß ich nichts mehr für Dich empfände. Aber auch dieses qualvolle Mittel sollte mir meine Ruhe nicht wiedergeben. Bald erzählte man sich ja überall, daß Wilderer in Deinem Revier ihr Unwesen trieben und daß Du, um sie abzufassen, fast Nacht für Nacht auf der Lauer lägest. Oft habe ich mit dem Vater darüber gesprochen, und er war es auch, der mir gegenüber Vinzent dann einmal als einen der Wildschützen verdächtigte, um dessen geheime Jagdleidenschaft er längst wußte. Da wurde mir plötzlich klar, warum sich der Wilderer gerade nur immer in Deinem Revier zeigte, warum nur Du unter diesen steten Aufregungen zu leiden hattest. Man wollte Dir eben den weiteren Aufenthalt hier verleiden, wollte Dich zwingen, unsere Gegend zu verlassen. Und niemand hatte ja ein größeres Interesse an Deiner Versetzung als gerade mein Vetter, der vielleicht dachte, dann mehr Glück mit seinen Heiratsplänen zu haben. Auch mein Vater, dem ich damals meine Liebe zu Dir gestand, gab meinen Vermutungen recht, warnte mich aber zugleich, Dir etwas von unserem Verdacht mitzuteilen, da die Befürchtung nahe lag, daß Du dann Deine Anstrengungen, den Wilddieb zu überraschen, und damit zugleich die Gefahr für Dein Leben verdoppeln würdest. Deshalb nur schwiegen wir, und nur aus diesem Grunde hat der Vater davon abgesehen, einmal mit Vinzent ein ernstes Wort zu sprechen, den er als den einzigen Sohn seiner Schwester natürlich auch gern vor dem Gefängnis bewahrt hätte. So verging der Sommer, der Herbst kam. Mit der Zeit wurde ich ruhiger, da ich sah, daß meine Angst um Dein Leben unbegründet gewesen war. Aber mit der wiederkehrenden Hoffnung auf eine glückliche Lösung meiner Herzensnot erwachte auch wieder die Sehnsucht, die große Sehnsucht nach Dir, dem die plötzliche Wandlung in meinem Verhalten ein ganz falsches Bild von meinem Charakter und meinen Gefühlen hatte geben müssen. Dann traf ich Dich damals vor einem Monat, als ich aus der Stadt heimkehrte. Ich wagte es, Deine Begleitung anzunehmen, wagte dann auch, Dir manche heimliche Zusammenkunft in der Dämmerstunde zu gewähren. Vinzent Dembinski ahnt wohl bis heute nicht, wie oft zwei glückliche Menschen, dort draußen in dem Feldrain, nebeneinander unter dem wilden Birnbaum gesessen haben. Sicherlich hat er uns dann vorgestern im Walde beobachtet, als Du endlich das entscheidende Wort sprachst. Und in der ersten Wut über unsere Verlobung ließ er sich dazu hinreißen, diesen heimtückischen Brief an Deinen Vorgesetzten zu schreiben, der so recht die ganze Verworfenheit seines Charakters zeigt. Denn nur er kommt als Verfasser dieses Schreibens in Betracht, nur er! Gewiß, die Handschrift ist verstellt, aber ich selbst habe noch im vorigen Jahre genug Briefe von ihm erhalten, um einzelne Buchstaben und besonders die Schreibweise mancher Wörter wieder zu erkennen. Unser junges Glück hat er so zu zerstören versucht, indem er Dich aufs gemeinste einer Begünstigung verdächtigte, die Dir ganz ferngelegen hat.“
Maria preßte wie beschwörend die Hand ihres Verlobten.
„Fritz, schau nicht so finster vor Dich bin. – Oder verargst Du es mir wirklich, daß ich nur aus Angst um Dich, bis heute geschwiegen habe?“
Doch Markdorfs zärtlicher Blick und seine herzlich klingende Antwort beruhigten sie schnell.
„Nein, Maria, wie könnte ich Dir zürnen, wo allein die Sorge um mein Wohl Dein und Deines Vaters Verhalten beeinflußt hat! – Ich überlegte nur eben, wie ich diesen gemeingefährlichen Menschen am besten unschädlich machen kann. Denn ungestraft soll ihm auch dieser letzte Streich nicht hingehen. Und Sie, Herr Jaworski, werden jetzt wohl auch nicht mehr wünschen, daß ich noch weiter auf Vinzent Dembinski irgendwelche Rücksicht nehme.“
Der Alte wiegte nachdenklich den grauen Kopf hin und her.
„Lieber Markdorf,“ meinte er dann herzlich, „Sie dürfen es nicht falsch deuten, wenn ich Sie bitte, mir die Ordnung dieser Angelegenheit allein zu überlassen. Sie sollen mit der Lösung zufrieden sein. Ich werde noch heute nachmittag zu meinem Neffen hinübergehen und ihn dazu bewegen, aus der hiesigen Gegend für immer fortzuziehen. Und ich glaube, er wird auf meine Vorschläge eingehen, besonders jetzt, wo ich durch diesen niederträchtigen Brief auf ihn einen gewissen Druck ausüben kann. Ich habe schon lange beabsichtigt, meinem Neffen seine stark verschuldete und ganz heruntergewirtschaftete Besitzung abzukaufen, die sich wie ein Keil in mein Wiesenland da im Norden einschiebt. Biete ich ihm einen anständigen Preis, der ihm trotz der vielen Hypothekenschulden noch einen Überschuß einbringt, so wäre er ja ein Narr, wenn er mein Anerbieten ausschlüge. Ich meine, das ist zweifellos das einfachste Mittel für uns, um den Menschen loszuwerden. Es ist doch nun einmal der Sohn meiner seligen Schwester, und so ein Rest von verwandtschaftlichem Gefühl, daß er allerdings nach diesem Streiche kaum verdient, läßt mich immer noch versuchen, ihn vor einer näheren Bekanntschaft mit dem Strafrichter zu bewahren. Damit Sie aber Ihr Beamtengewissen beruhigen, lieber Markdorf, schlage ich Ihnen vor, noch heute ein Gesuch um sofortigen Urlaub einzureichen, indem Sie Ihre Verlobung mit Maria anzeigen und zugleich angeben, Sie wollten sich zwecks späterer Übernahme meines Besitztums jetzt schon in den landwirtschaftlichen Betrieb einarbeiten. Sie können ja auch in demselben Schreiben um Ihre Entlassung aus dem Staatsdienste einkommen, – das dürfte wohl das beste sein. Jedenfalls werden wir es aber auf keinen Fall dulden, daß Sie sich noch irgendwelchen Gefahren bei Ihren nächtlichen Streifen nach dem Wildschützen aussetzen. Denn Maria hat recht, Vinzent würde Sie jetzt auch nicht mehr schonen. Und eine heimtückische Kugel aus dem Hinterhalt ist die Sache doch nicht wert. Sie haben mit Ihrer Verlobung andere Pflichten übernommen, die Ihnen höher stehen müssen als alle anderen Bedenken.“
Der junge Förster versuchte noch einige Einwendungen, mußte aber dem inständigen Flehen seiner Braut wohl oder übel nachgeben. Als er sich bald darauf verabschiedete, um noch einen Holztermin in seinem Revier wahrzunehmen, war ihm doch bedeutend leichter ums Herz geworden. Denn dieser Vormittag hatte viel besser geendet, als er es vorher hoffen konnte. –
Es war am nächsten Morgen gegen dreiviertel acht. Kasimir Jaworski stand in seinem nur für festliche Gelegenheiten bestimmten schwarzen Winterüberzieher – mit einem alten fuchsigen Zylinder auf dem Kopf – zwischen den Scheunen und hielt Ausschau nach dem gestrengen Herrn Oberförster, dem er ja heute endlich das Geheimnis seiner „harmlosen“ Schlingenstellerei erklären wollte. Um seinen Mund spielte wieder sein altes, schlaues Lächeln, und dieses Lächeln bedeutete sicherlich für Fritz Haase nicht viel Gutes. Auch Maria erschien jetzt in der Tür des Wohngebäudes und blickte erst eine Weile, ängstlich forschend, zu dem Vater hinüber, bevor sie sich zu ihm gesellte. Sie vermochte sich seine vertrauensvolle Ruhe nicht zu erklären, fürchtete vielmehr, daß aus dieser Begegnung für ihren Verlobten doch noch irgendwelche Unannehmlichkeiten entstehen könnten, besonders da sowohl Markdorf wie sie selbst den Alten genug mit Fragen bestürmt, aber keinerlei befriedigende Antwort erhalten hatten, die ihnen über sein Vorhaben irgendeinen Aufschluß gab.
„Nun, meine Tochter, jetzt kann die Geschichte