Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
hatte es sich schon auf dem Hinwege überlegt, daß es wohl das beste sein würde, wenn er seinem zukünftigen Schwiegervater in allem reinen Wein einschenkte. Und während er jetzt die ihm angebotene Zigarre aus der Kiste nahm und die Spitze abschnitt, begann er dem Alten, der sich ihm gegenüber an den großen Tisch in einen bequemen Korbstuhl gesetzt hatte, zunächst seine heutige Unterredung mit dem Oberförster beinahe Wort für Wort zu wiederholen.
In Jaworskis faltigem, bartlosem Gesicht mit den listigen, klugen Äuglein und dem fuchsschlauen Lächeln um den energischen Mund, spiegelte sich dabei eine ganze Reihe von wechselnden Empfindungen wieder. Er unterbrach Markdorf jedoch mit keiner Silbe. Als ihm dann aber der Besuch des Oberförsters für den nächsten Morgen angekündigt wurde, lachte er stillvergnügt in sich hinein. Auch über die nun folgende Werbung, die Markdorf mit wenigen, aus ehrlichstem Herzen kommenden Worten vorbrachte, schien er nicht im geringsten überrascht, streckte seinem Gaste nur freundlich die Hand über den Tisch hin und nickte ihm recht verheißungsvoll zu.
„Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, bei Ihnen erst nach dem Eintreffen des Briefes meiner Eltern um Maria anzuhalten,“ sagte der junge Förster zum Schluß erklärend. „Aber die Umstände dulden diesen Aufschub nicht mehr. Ich wollte möglichst schnell diese Ungewißheit loswerden, die mich schon seit Wochen peinigt, eben seit der Zeit, als ich zum ersten Mal die Drahtschlingen in Ihrem Kohlfelde fand. Und Sie müssen mir gegenüber jetzt auch ganz ehrlich sein –“
Jaworski schaute erst eine Weile nachdenklich aus das bunte Muster der Tischdecke, bis er in seiner langsamen Art antwortete: „Zunächst zu Ihrer Werbung. Ich wußte längst, daß zwischen Ihnen und Maria irgend etwas vorgeht. Ich habe auch dafür scharfe Augen. Und wenn ich bisher nichts sagte, so geschah es eben nur aus dem Grunde, weil Sie mir als Schwiegersohn in jeder Weise willkommen sind. Ich knüpfe aber an meine Einwilligung eine Bedingung. Sie wissen vielleicht nicht, daß ich eigentlich ein sehr wohlhabender Mann bin, für die hiesigen Verhältnisse beinahe reich, und meine Besitzung in den letzten Jahren durch Landankäufe ständig vergrößert habe. Wenn ich nun einst die Augen schließe, so würde mein jetzt so schön abgerundetes Gütchen in andere Hände übergehen, falls eben Maria als mein einziges Kind Ihre Frau Försterin wird. Sie begreifen wohl schon, wo ich hinaus will. Hängen Sie also Ihren grünen Rock an den Nagel, und Sie sollen meine Tochter haben, sollen damit zugleich Ihr eigener Herr werden und brauchen sich dann um keinen übelgelaunten Vorgesetzten mehr zu scheren. Hier meine Hand. Schlagen Sie ein! Sie werden es nie zu bereuen haben.“
Markdorf hatte auf eine so einfache Beseitigung all der Bedenken, die er in betreff einer Heirat mit Maria Jaworski bisher als pflichttreuer Beamter noch hegen mußte, kaum gehofft. Denn er hätte es mit seiner Ehre kaum für vereinbar gehalten, als Förster die Tochter eines Mannes zur Frau zu nehmen, der als Wilddieb vielleicht vor den Strafrichter gehörte. Durch Jaworskis Vorschlag sah er diese Befürchtungen nun in einer Weise aus der Welt geschafft, mit der er sich bei seiner Liebe für Maria schon zufrieden geben konnte. Ihn als Privatmann ging es dann nichts mehr an, ob sein Schwiegervater wirklich ein paar armselige Hasen weggefangen hatte. Und daß dies für die Zukunft nicht mehr geschehen sollte, dafür würde er schon Sorge tragen. Außerdem – bisher wußte er nicht einmal genau, ob die Schlingen tatsachlich zu einem unerlaubten Zweck aufgestellt waren, mochte auch nicht recht daran glauben, da er sich sonst des Alten harmloses Benehmen nicht recht hätte erklären können. Daher schlug er auch jetzt ohne Zögern in die ihm dargebotene Rechte ein.
Als Marta Jaworski nach einer halben Stunde mit vor Kälte frischgeröteten Wangen das Zimmer betrat, prallte sie im ersten Augenblick bei Markdorfs Anblick doch überrascht zurück, flog dem Geliebten aber schnell gefaßt und ebenso schnell das Richtige erratend, in die sich ihr entgegenstreckenden Arme. Der Alte war schmunzelnd an das Fenster gegangen und schien mehrere Minuten lang mit dem größten Interesse die endlose, weiße Fläche der Felder zu betrachten, deren Eintönigkeit nur durch einzelne Sträucher und Bäume und eine hin und her flatternde Krähenschar unterbrochen wurde, räusperte sich auch erst vernehmlich, bevor er sich umdrehte, um nun auch seinerseits die glückstrahlende Braut mit einem zärtlichen Kuß zu begrüßen. Natürlich mußte Markdorf dann nochmals erzählen, was ihm am Vormittag in der Oberförsterei begegnet war, erwähnte dabei auch die Spur des Wilddiebes, die er in der Schonung entdeckt und bis zur Chaussee verfolgt hatte.
Maria hörte aufmerksam zu und sagte dann nachdenklich, als Markdorf mit seinem wenig freundlichen Bericht zu Ende war: „Du meinst also, daß es immer derselbe Mann ist, der gerade in Deinem Revier das Rehwild, so ohne jede Rücksicht auf die Schonung wegschießt? Könnte es sich nicht doch vielleicht um mehrere Personen handeln, Fritz?“
In ihrer Stimme lag es wie bange Erwartung, und ihr eben noch so glückstrahlendes Gesicht, hatte einen fast ängstlichen Ausdruck angenommen.
„Nein, Maria,“ entgegnete Markdorf bestimmt. „Verschiedenes spricht dafür, daß es stets derselbe Schütze ist, dem ich nun schon ein ganzes Jahr ohne Erfolg nachspüre. Mein Ohr ist fein genug, um den Knall eines Vorderladers von dem einer modernen Büchsflinte zu unterscheiden. Und die Schüsse, die ich so oft in dem Forst hörte, kamen zweifellos sämtlich aus einem Gewehr und zwar aus einem Vorderlader. Darin kann ich mich gar nicht täuschen. Außerdem zeigten auch die Fußspuren, die ich häufig genug im regenfeuchten Boden oder im Schnee neben dem blutigen Ausbruch eines Bockes oder einer Ricke ausgeprägt fand, immer dieselbe Länge und – für die Richtigkeit meiner Vermutung der untrüglichste Beweis – stets dieselbe, so auffallend einwärts gerichtete Stellung des rechten Fußes.“
Das junge Mädchen hatte plötzlich die Augen zu Boden geschlagen. In ihrem ganzen Wesen offenbarte sich eine deutliche Unruhe, die sie nur mühsam verbergen konnte. Sie schien mit einem Entschlusse zu kämpfen, öffnete auch schon die Lippen, als ob sie ihr Herz durch irgendein Geständnis erleichtern wollte. Aber da bemerkte ihr Blick, der fragend zu ihrem Vater hinübergeflogen war, in dessen Gesicht ein blitzschnelles, warnendes Hochziehen der Augenbrauen. Sie verstand den Wink, und trotzdem sich ihre ehrliche Natur dagegen sträubte, auch weiterhin vor ihrem Verlobten ein Geheimnis zu haben, so schwieg sie doch, blickte jetzt wieder scheu vor sich hin in schlecht verhehlter Verwirrung. Markdorf hatte von alledem nichts gesehen, war auch zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, die ihm dazu drängten, Maria jenen Verdacht mitzuteilen, den er bisher nur aus leicht begreiflicher Rücksicht auf ihre verwandtschaftlichen Gefühle verheimlicht hatte. Heute aber, wo der alte Jaworski und seine Tochter zu ihm in so nahe Beziehungen getreten waren, glaubte er von dieser Rücksicht absehen zu können und begann daher nach der kurzen Gesprächspause etwas zögernd, indem er das Wort hauptsächlich an seine Braut richtete:
„Diese sonderbare Fußspur hat mich nun längst schon auf die Vermutung gebracht, daß der geheimnisvolle Wilddieb eine Person sein müsse, die hinkt oder doch jedenfalls an einer starken Verkrümmung des einen Beines leidet. Denn nur so läßt sich die merkwürdige Fährte eben diese so ganz unnormale Stellung des rechten Fußes, erklären. Und durch vorsichtige Nachfragen brachte ich dann heraus, daß es hier in der nächsten Umgebung von Buchberg wirklich drei Leute gibt, die ein ähnliches körperliches Gebrechen aufzuweisen haben. Doch zwei von diesen konnten nach alledem, was ich von ihnen wußte, für einen solchen Verdacht kaum in Betracht kommen, – ich meine den Gutsinspektor von Bojanowo und den alten Lehrer aus dem Dorfe Swarochin.“ Er machte eine kleine Pause und fuhr dann leicht verlegen fort: „Ja – und der dritte, – ich nenne den Namen sehr ungern – ist nun leider der junge Vinzent Dembinski, Dein Vetter, Maria.“
Wieder tauschten Vater und Tochter einen schnellen Blick aus. Aber diesmal war in den Augen des jungen Mädchens ein so fester Wille zu lesen, daß Kasimir Jaworski sich nun auch mit kaum merklichem Kopfnicken in das Unvermeidliche fügte. Er sah ein, hier gab es nichts mehr zu verheimlichen, nachdem sein Schwiegersohn erst einmal auf seinen Neffen aufmerksam geworden war. Und Maria ließ ihm auch keine Zeit zu weiterem Nachdenken. Indem sie Markdorfs Hand jetzt leidenschaftlich ergriff und zwischen ihren heißen Fingern preßte, sagte sie flehenden Tones, nur von dem Wunsche beseelt, endlich ihr Herz von dieser drückenden Last zu befreien:
„Fritz, ich muß Dir ein Geständnis machen und hoffe, Du wirst mir nachher verzeihen, daß ich solange geschwiegen habe. Wisse denn – der Vater und ich, beargwöhnen Vinzent Dembinski