Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
ein Stocken in dem hastigen Auf und Ab von einer Wand zur anderen.
»Was nun – was nun –? Ich muß – ich kann’s nicht hinausschieben –«
Wie ein drohendes Zischen das Folgende:
»Dieser Kommissar – höchst unbequem. – Wenn man wenigstens wüßte, welche Maske er trägt –«
Grübelndes Vorsichhinstarren. Endlich ein befreiendes Aufblitzen in den scharf markierten Zügen.
»So muß es gehen, muß. Kalnein steigt ja immer im ›Deutschen Kaiser‹ ab. – Wie spät haben wir’s. – Also ist’s noch Zeit –«
Eilig verschwand Graf Axel in seinem Schlafzimmer, um sich für das Fest umzukleiden. –
Eine Viertelstunde später betrat er dann die Vorhalle des Hotels ›Deutscher Kaiser‹, stellte sich ohne weiteres vor die große Tafel, auf der die Zimmernummern mit den Namen der Gäste vermerkt waren, und wandte erst lässig den Kopf, als der Portier herbeikam und dienernd nach den Wünschen des Herrn Grafen fragte.
»Ist Baron Kalnein heute angekommen?« fragte der sehr von oben herab.
»Bedaure, nein. Nur ein Dr. Gulling aus Königsberg, sonst niemand,« erklärte der Portier diensteifrig.
»Ich nehme beinahe an, daß sich unter dem Namen dieses Dr. Gulling ein Bekannter von mir verbirgt,« erklärte er kühl. »Und zwar Baron Kalnein, der vielleicht seine Person auf dem heutigen Maskenball durch diesen Scherz besser vor dem allzu früh Erkanntwerden schützen will.«
»Herr Graf irren,« beeilte sich der Portier zu antworten. »Den Herrn Baron kenne ich –«
»– aber wohl nicht den, den ich meine,« unterbrach ihn Axel schroff. »Nun – ich kann mich ja mal überzeugen,« fügte er dann etwas liebenswürdiger hinzu.
Damit eilte er die Treppe empor, während der Portier sich achselzuckend wieder in seine Loge begab.
Gleich darauf klopfte der jüngste Kaisenberg recht kräftig an die Tür von Nr. 12. Drinnen rief jemand »Herein«.
Axel riß mit einem lauten »N’ abend, Kalnein, – wie geht’s?« die Tür weit auf, trat aber sofort wieder zurück.
»Pardon, mein Herr,« entschuldigte er sich mit gewinnendster Liebenswürdigkeit, »ich habe mich geirrt. Ich glaubte einen Bekannten überraschen zu können. – Nochmals – Verzeihung.«
Zufrieden stieg er wieder die Treppe hinab und verließ das Hotel.
Denn der Herr, den er so schlau überrascht hatte, konnte ja niemand anders sein als der für heute gemeldete Kriminalkommissar. Und daß dieser einen roten und grünen Clownanzug angehabt hatte, war ihm nicht entgangen.
Und mehr brauchte er ja nicht zu wissen.
Der mißtrauische Fehlhauser aber erkundigte sich bald darauf sehr eingehend bei dem Portier nach dem in einem langen, hellgrauen Ulster gekleideten Herrn, der vorhin das Hotel betreten haben mußte, – etwa vor fünf Minuten.
Worauf ihm der redselige Mann ganz eingehend Auskunft gab und auch die Geschichte von dem Baron Kalnein vortrug, der im ›Deutschen Kaiser‹ einen fremden Namen angenommen haben sollte.
›Also Graf Axel Kaisenberg. Das muß ich mir merken,‹ dachte Fehlhauser, als er wieder in sein Zimmer zurückkehrte.
3. Kapitel
Der Zwischenfall auf dem Maskenfest
Kurz vor neun Uhr begab sich der Kommissar in einer Droschke nach dem dicht vor der Stadt in einem weiten Park gelegenen Hause des Landrats und Geheimen Regierungsrats von Oppen. Fehlhauser hatte die Zeit richtig abgefaßt. Er war der erste der Gäste, der die festlich erleuchteten Räume betrat. Nachdem er dem im Vorflur postierten Diener seine Einladung flüchtig vorgezeigt und Mantel und Hut in der Herrengarderobe abgelegt hatte, ließ er sich sofort bei Herrn von Oppen zu einer kurzen Privatbesprechung melden.
Dieser empfing den angeblichen Dr. Gulling, der bei seinem Eintritt die schwarze Seidenmaske abgenommen hatte, zwar höflich, aber doch mit deutlicher Zurückhaltung.
»Ich wollte mich nur bei Ihnen bedanken, Herr Geheimrat, daß Sie mir hier bei sich in dienstlichem Interesse für einige Stunden Gastrecht gewähren wollen,« begann der Kommissar mit leichter Verbeugung. »Außerdem habe ich noch eine Bitte: Würden Sie vielleicht die Freundlichkeit besitzen und mir kurz die Lage der einzelnen Zimmer hier im Hause erklären?«
Herr von Oppen, eine vornehme Erscheinung in den besten Jahren, schaute überrascht auf.
»Zuvor hätte ich selbst eine Bitte, Herr Kriminalkommissar.«
»Ich heiße hier Dr. Gulling,« betonte Fehlhauser. »Ich möchte mein Inkognito nach Möglichkeit wahren, Herr Geheimrat.«
»Oh – pardon. Also – Herr Doktor, dürfte ich vielleicht erfahren, weshalb Sie sich die Einladung zum heutigen Maskenball ausgebeten haben.«
Der Kommissar überlegte. Die Wahrheit durfte er nicht sagen. Denn hätte er diesem offenbar recht adelsstolzen Herrn mitgeteilt, daß er den Dieb unter den Mitgliedern der Aristokratie des hiesigen Kreises zu finden hoffe, so wäre er hier sicherlich noch auf größere Einwendungen gestoßen als bei dem biederen Polizeiinspektor. Er mußte also seine wirkliche Meinung klug verhüllen und sich schon mit einer Notlüge herausreden. An diese Art von Verdrehung der Wahrheit hatte er sich ja in seinem Beruf längst gewöhnen müssen.
Daher erwiderte er mit scheinbar größter Aufrichtigkeit:
»Die Diebstähle, die ich aufklären soll, sind sämtlich im Laufe des verflossenen Sommers in den Schlössern der Umgegend und stets während einer Festlichkeit verübt worden. Durch meinen Briefwechsel mit dem Polizeiinspektor Gruber erfuhr ich dann, daß Ihr heutiger Maskenball, Herr Geheimrat, seit längerer Zeit wieder das erste größere Fest in der hiesigen Gegend ist. Mithin mußte ich mit der Möglichkeit rechnen, daß der Dieb nach dieser zweimonatigen Ruhepause sich die gute Gelegenheit nicht entgehen lassen und – Ihnen heute einen Besuch abstatten würde. Es ist dies wie gesagt, zwar nur eine ganz entfernte Möglichkeit. Aber wir Kriminalbeamten müssen eben mit allem rechnen lernen. Und bei diesem Besuch glückt es mir vielleicht, den Spitzbuben abzufassen.«
Herr von Oppen nickte zu den Eröffnungen wie zustimmend.
»Ähnliches habe ich mir auch schon gedacht, – ich meine, über Ihre Absichten vermutet, die Sie mit der Teilnahme an dem Fest hier verbinden wollen. – Sie fragten vorhin nach der Lage der Zimmer,« fuhr er dann fort. »Hier im Parterre befinden sich die Gesellschaftsräume. Oben im ersten Stock unsere Schlafgemächer, mein Arbeitszimmer, ein Baderaum und zwei Fremdenstuben. Im zweiten Stock ist die Dienerschaft untergebracht.«
»Danke, das genügt mir. – Noch eine zweite Bitte hätte ich, Herr Geheimrat. Würden Sie Ihrem Personal Anweisung geben, daß man mich überall im Hause ungehindert durchläßt, überall. Ich bin in diesem keineswegs geschmackvollen Clownshabit ja leicht kenntlich.«
»Gut. Werde ich besorgen. Und nun viel Glück, Herr Doktor. Freilich – ich glaube nicht recht daran, daß der Spitzbube mich beehren wird. Und wenn – so werden Sie ja wohl zur rechten Zeit da sein, um ihn würdig zu empfangen.« –
Zwei Stunden später. In den weiten Parterreräumen des Oppenschen Hauses wogte bei den Klängen einer in Zigeunertracht gekleideten Kapelle eine buntgeputzte, maskierte Menge hin und her. Die Idee, die Saison der winterlichen Vergnügungen mit einem Maskenfest zu eröffnen, hatte gerade wegen ihrer Originalität lebhaften Anklang gefunden. Der gesamte Adel der Umgegend war erschienen, alles Namen, die in der preußischen Geschichte einen guten Klang hatten.
An einem Pfeiler des zum Tanzsaal umgewandelten Wintergartens lehnte eine in einem rot grünen Clownanzug steckende Maske und schaute scheinbar