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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.

Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band - Walther Kabel


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dem Papier. Papier ist leichtgläubig, nimmt alles hin. Nicht so das Herz eines Weibes, die so glücklich und - so unglücklich mit einem geliebten Manne zwölf Jahre zusammengelebt hat wie ich mit deinem Vater. Vielleicht kehrt er eines Tages doch noch zurück –.«

      Ich legte den Brief auf meinen Schreibtisch.

      Ich dachte an meine Mutter. Wenn sie ahnen würde, daß ich ihr verheimliche, was mir selbst unheimlich an mir dünkt.

      Sie ist eine Deutsche. So weich, so lieb, so treu. Durch sie bin ich selbst Deutscher worden. Ich habe von ihrem Wesen vieles geerbt. Leider aber auch manches von meinem Vater, von dem letzten echten Dogmoore, wie die englische Verwandtschaft sagt, die mich als Abtrünnigen betrachtet. Ich lache darüber. Ich habe für das Engländertum kein Verständnis; ich bin kein kalt berechnender Egoist, kein Heuchler und Frömmler; bin vielleicht zu sehr Phantast; liebe die Menschen; so das Gute an ihnen; entschuldige Fehler und Schwächen. All das danke ich meiner blonden, lieben Mutter –.

      Draußen scheint die Sonne. – Dort hängen neben meinem Schreibtisch zwei teure Instrumente, die jede Änderung des Wetters für Tage voraussagen. Wenn Menschenblicke auf Glasscheiben etwa wie ein Sandgebläse wirken würden, müßten die Glasplatten vor den Zeigern der Instrumente bereits Löcher haben, – so oft ruht mein Auge darauf.

      Unwillkürlich prüfe ich auch jetzt die Zeigerstellung.

      Das sieht bedrohlich aus. Seit gestern so viel nach der schlechten Seite herumgeschwenkt …!!

      Unbehagen beschleicht mich …

      Übermorgen soll Heliantes Beerdigung sein. Das könnte der Feind mir einen bösen Streich spielen. Ich werde an dem Tag mit zitternden Nerven umher wandeln, wo mein Liebstes mir ganz genommen wird. Noch ist Heliantes entseelter Körper mein. Ich habe es zum Friedhof so nahe. Und der Kirchhofinspektor gibt mir stets bereitwilligst den Schlüssel zur Kapelle, hilft mir den Sargdeckel anheben. Gestern war ich so oft bei Heliante … Und heute sollte ich Beatrix abholen, gemeinsam unsere Tote zu besuchen. –

      Beatrix …!! Mir fallen Gunolts Worte ein – »Sie kennt den Grauen …!!«

      Mich überläuft es heißt … – Nein, ich werde nicht mit Beatrix zu Heliante gehen, werde eine Ausrede gebrauchen …

      Es klopft.

      Ich stecke schnell den Brief der Mutter, den sie wieder der Tante diktiert hat, in die Tasche.

      »Herein!« – Frau Meißler – hinter ihr – Beatrix.

      Die Meißler bleibt draußen stehen, nur Beatrix kommt zögernd auf mich zu.

      Ich starre sie an.

      Beatrix …?! – Ist’s nicht Heliante –! –

      Sie ist verlegen. Die ersten Worte zwischen uns fallen wie welke Blätter, die von herbstlichen Bäumen schweben – zögernd, langsam, als möchten sie lieber verharren, wo sie bisher gewesen.

      Und dann bemerkte ich’s … Unter dem schwarzen Schleier über der Stirn – die die Heliantes ist, liegt aschblondes Haar – ohne Scheitel – – so wie Heliante es trug …

      Damals das Asra-Parfüm … Heute gefärbtes Haar – anders frisiert …

      Gunolts Theorie steigt in meinem Hirn wie ein grinsendes Gespenst auf, – diese Theorie, die er sofort wieder verworfen hat: »Zwei Schwestern lieben denselben Mann …«

      Ich stehe vor Beatrix, stütze mich schwer mit der Linken auf den Schreibtisch … Meine Rechte fährt über die Augen hin … Ich muß mich ja täuschen – muß – muß …!! – Aber das aschblonde Haar bleibt, und der Scheitel ist verschwunden …

      Beatrix – Heliante … Der Unterschied ist verwischt – der äußere! Zwillinge – – jetzt gleichen sie sich vollkommen …

      Das Asra-Parfüm umweht mich wieder. Eine namenlose Sehnsucht steigt in meinem Herzen auf. Meine Blicke verdunkeln sich – Tränen, Tränen.

      Wie aus weiter Ferne eine Stimme:

      »Ich will dir helfen, Allan … Du wirst siegen!«

      Ich lausche – erst ohne den Wunsch zu verstehen. Dann höre ich: »Siegen!« – – Siegen?! – Was soll dieses Wort? Ich werde mißtrauisch.

      Die Sehnsucht erlischt.

      »Wie meinst du das – siegen?!« frage ich hart und blicke sie voller Argwohn an. Gunolts Saat sprießt höher.

      »Ich habe mich im Ausdruck vergriffen, Allan.« Ganz leise, zart, melodisch … Das ist nicht mehr die Studentin, die über Zärtlichkeiten spottete … »Ich meine, du wirst überwinden – vergessen … Komm’, wir wollen gehen …«

      Wie im Traum die Treppen hinab. Vor dem Hause Kinder, die Kreisel peitschen … Ein Kreisel fliegt mir gegen das Schienbein. Ich zucke zusammen. Der Schmerz gibt mir die Wirklichkeit zurück, die Überlegung, die Fähigkeit zu unterscheiden: Heliante – Beatrix –.

      Schweigend gehen wir nebeneinander, schreiten durch die Friedhofspforte. Ich kaufe beim Inspektor von dessen rundlicher, rotwangiger Frau – blühendstes Leben inmitten von Gräbern! – weiße Rosen. Die roten hasse ich jetzt …

      Der Inspektor kommt mit. Die kühle Kapelle nimmt uns auf. Gedämpft fällt das Licht durch bunte Scheiben auf den Sarg. Wir heben vorsichtig den Deckel ab, stellen ihn beiseite.

      Heliante … – Ich stehe zu Häupten des Sarges, ich schaue – schaue …

      Heliante …?! – Wie doch der Tod und die wenigen Tage das Gesicht verändert haben, – besonders seit gestern.

      Hinter mir feines Rauschen. In den Duft der Kränze und Blumen mischt sich etwas, das an Leben und Liebe mahnt: Asra-Parfüm …

      Beatrix ist dicht neben mir. Es ist wie ein Zwang. Ich blicke sie an. Sie hat den schwarzen Schleier ganz zurückgeschlagen … Feine Röte liegt auf den Wangen. Die Augen strahlen. Die Lippen sind wie frische Rosenblätter … Es ist Heliante – lebende Heliante …

      Ich schaue schnell zur Seite, flüchtig auf der Toten Gesicht, wende mich um, winke dem freundlichen Inspektor, der geduldig in der Tür steht. Sonst hat er fünf, zehn Minuten gewartet. Heute kaum zwei …

      Wir legen den Deckel wieder auf. Ich vermeide es, der stillen Schläferin Antlitz nochmals mit den Augen zu streifen. –

      Vor der Friedhofspforte sage ich rauh zu Beatrix, ohne sie dabei anzusehen: »Ich muß jetzt allein sein!«

      Sie nickte nur, reicht mir die Hand.

      Die Handschuhe hat sie vorhin ausgezogen. Ich fühle ihre heißen Finger in den meinen. Ich habe gestern in tiefem Gram der Toten wächserne Hand gestreichelt. Die war so eisig, so grabeskalt.

      Die andere Hand hier ist für mich glühendes Eisen. Ich reiße mich los, stürme davon.

      Vor meinem Haus begegne ich dem Kriminalwachtmeister Heller.

      »Guten Morgen, Herr Doktor.«

      »Sie wünschen?« fragte ich unwirsch.

      »Wie benahm sich Ihre Schwägerin am Sarg, Herr Doktor?«

      Ich stutzte. »Sind Sie uns etwa gefolgt?«

      »Ja. Und hinter Fräulein Beatrix ist jetzt mein Kollege Flemming her.«

      Ich bin wie erstaunt. Gunolts Schergen also schon an der Arbeit …!! Ich werde noch den Verstand verlieren über alledem!!

      »Also – wie benahm das Fräulein sich?« forschte er wieder.

      »Ich habe nicht darauf geachtet …«

      »Schade …! – Haben Sie bemerkt, Herr Doktor, daß das Fräulein sich das Haar hat färben lassen? – Sie ist heute morgen zwei Stunden bei dem Damenfriseur Kniewel auf dem Kurfürstendamm gewesen.«

      Also auch das wissen die Häscher schon …!!

      »Ich


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