Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
…!!« Heiser kam es heraus, so, wie die Leidenschaft spricht, wenn der Verstand erstickt ist in wildem Taumel der Sinne …
»Allan – nachher – nachher …!!« kam die Antwort, die Verheißung …
Ich dachte nur noch an dieses »Nachher«, an nichts anderes … Meine Wangen glühten, wie im Fieber raste mein Blut. Ich hörte nicht, was der Geistliche sprach, hörte kaum hin, als die ersten drei Hände Erde auf die Kränze und die Sargbretter fielen …
Nachher – nachher …!! – Ich preßte ihren Arm an mich; mein Atem ging keuchend; Asra benebelte meine Sinne …
Leute kamen, die ich kaum kannte, wollten wir die Hand drücken, – Beileid – – ein Teil der Komödie …
Ich flüsterte ihr zu: »Komm’ – komm!!«
Wir drängten uns durch die Menge, rücksichtslos, eilig, waren nun allein zwischen den Gräbern …
»Heliante, ich liebe dich … Weißt du noch, – – die Bank im Park …«
»Bald, Allan – bald …!«
Wir hasteten weiter …
Wir stehen vor meinem Haus. Wir stehen auf den Steinplatten des Bürgersteiges auf einem dunklen, unregelmäßigen Kreis, – dem Schatten der Linde vor der Haustür. Jenseits des Kreises ist Sonnenschein, ist alles so hell, so glänzend –
Ich halte den Hut in der Hand, fahre mir mit der Rechten über die Stirn, werde wieder Allan Dogmoore …
Die Sonne scheint …
Ich schaue Beatrix fragend an …
»Was wollen wir hier? – Wo sind die Eltern? Wo ist Erwin –?«
»Du wolltest nur deinen Zylinderhut ablegen. Die Eltern erwarten uns zu Tisch. Geh’ nur nach oben, Allan. Ich bleibe hier –.«
Oben trete ich ans Fenster. Der Himmel ist klar. Das Grau hat sich in kleine Wölkchen aufgelöst, die nach Süden zu fliehen.
Ich bin bald wieder bei Beatrix. Wir gehen auf der Schattenseite der Straße entlang. Wir schweigen.
Dann sagt Beatrix: »Der Schülerinnenchor am Grabe war ergreifend, nicht wahr?« – Ich fühle, daß sie mich prüfend ansieht von der Seite.
Ich nickte eifrig. »Sehr ergreifend –.«
Wir sind bei Barkes im Salon. Erwin steht vor uns, etwas verärgert …
»Es hat sehr peinliches Aufsehen erregt, als ihr so plötzlich fortgingt, bevor die Bekannten noch kondoliert hatten,« sagte er leicht gereizt.
»Allan war einer Ohnmacht nahe. Ich mußte ihn wegführen. Sollte er mitten unter der Menge zusammenbrechen –?!« erwiderte Beatrix ernst.
Ich verstehe sie nicht. – Mich – wegführen – Ohnmacht?!
Ich schaue sie unsicher an.
»Ja, Allan, du warst mit deiner Kraft zu Ende. Es war höchste Zeit!« meinte sie herzlich.
Ich verstehe sie noch nicht. –
Es war eine stille Mahlzeit. Ich saß Beatrix gegenüber. Sie hatte, wie ich jetzt erst sah, ein Trauerkleid von raffinierter Einfachheit an. Schwarz stand ihr vorzüglich. –
Dann fiel mir ein, daß sie ja schon immer die dunkle Farbe bevorzugt hatte. Und doch erschien sie mir jetzt plötzlich wie eine Fremde, – doch nicht, – wie Heliante, obwohl ich die Dahingegangene nie in Schwarz gesehen hatte.
Ich saß grübelnd da. Etwas Schweres lastete auf meinem Herzen. Wir hatten Heliante zu Grabe geleitet – ich auch?! Ich –?!
Der Regen –, der Regen –!!
Etwas Schweres – Schuldbewußtsein drückt wie eine körperliche Bürde. Ich merkte ja, daß die Tote für mich immer mehr in weite Fernen entschwand, daß ihr Bild zusammenfloß mit dem einer anderen. War das die große Liebe gewesen, die ein langes Leben hatte vorhalten sollen?!
Ich grübelte –. War ich eine so unbeständige Natur, daß heute schon die Züge der Verstorbenen neu erstanden in Beatrix’ Antlitz –?! Oder – hatte hier nur ein Vielfaches zusammengewirkt, um diesen Erfolg hervorzubringen, den ich in diesem Augenblick anzweifelte, im nächsten wieder mit einem Gefühl der Befriedigung als Tatsache hinnahm –? Hatte hier nur die Schlauheit einer bisher Übersehenen mit Mitteln gearbeitet, denen ich schnell unterlegen war?! Hatte Beatrix, ihre Klugheit, in Raffiniertheit umwandelnd, es darauf abgesehen, die Tote aus meinem Herzen zu verdrängen –?! Sprach nicht alles für die letzte Annahme –?! Nur – wie mußte es um den Charakter eines Weibes bestellt sein, die bereits wenige Stunden nach dem Tod der Schwester den Kampf gegen die Erinnerung an diese dadurch aufnimmt, daß sie das zu beeinflussen sucht, was im Liebesleben der Natur eine so große Rolle spielt: den Geruchssinn –!! –
Welche Gefühlskälte verrät ein solches Tun, entsprungen einer kaltblütigen Berechnung, ausgeführt mit Hilfe eines – Diebstahls –!! Asra – Asra!!
Immer weiter wandelte ich diesen Pfad, immer weiter. Es war ein Dornenweg –.
Kalte Berechnung, ohne Gewissensskrupel in der Wahl der Mittel –. Auf der anderen Seite aber eine große heimliche Leidenschaft, – etwas, das mir, dem Mann, schmeicheln mußte –.
Der Pfad wurde gangbarer, heller. Liebe überstrahlte ihn –.
Da hob meine Schwiegermutter die Tafel auf.
Beatrix und ich gingen in den Park, – vorbei an der Marmorgruppe der Wasserschöpferin – hin zu der weißen Bank vor dem Umkleidehäuschen am Tennisplatz.
Nur hin und wieder fielen ein paar Worte zwischen uns.
Dann fragte ich:
»Weshalb hast du dir das Haar färben lassen, Beatrix?«
»Weil es sein mußte.« erwiderte sie ohne Verlegenheit, indem sie das »mußte« stark betonte.
Ich begriff sie schon wieder nicht. – Was wollte sie mit dieser Antwort sagen –?!
Erwin tauchte an der Biegung des Hauptweges auf, winkte mir zu, rief dann:
»Allan, Kommissar Gunolt möchte dich sprechen. Er scheint wichtige Neuigkeiten mitzubringen. Aber uns erzählt er ja nichts –.«
Wichtige Neuigkeiten –! Gunolt war alles wichtig. Hatte er etwa beobachtet, wie Beatrix mich von der Gruft schnell weggeführt hatte –?! Wollte er wissen, warum das geschehen –?
Er wollte ja alles wissen, ließ sogar Beatrix beobachten –
8. Kapitel
Franz Orske
Ich traf Gunolt bei meinem Schwiegervater in dessen Arbeitszimmer.
Der Geheimrat Bark ist ein feiner, vornehmer alter Herr. Er besitzt jene Vornehmheit, die nicht auf einer Reihe von Ahnen und einem altadligen Wappen, sondern auf selbst errungenen Werten gedeiht. Er ist eine Persönlichkeit. Er kann sehr liebenswürdig, aber auch sehr ironisch sein. Doch wird er nie verletzend als geistreicher Spötter.
Ich wußte, daß und wie Gunolt ihn schätzte. Er nannte ihn eine Vollnatur –.
Ich nahm gleichfalls Platz, nachdem Gunolt mir die Hand gedrückt hatte.
Mein Schwiegervater begann:
»Der Herr Kriminalkommissar hat mich soeben in die Erfolge der bisherigen Ermittlungen nach dem Täter eingeweiht. Ich bin überrascht. Du hast uns gegenüber noch mit keiner Silbe erwähnt, Allan, daß sich bereits zwei Zeugen gemeldet haben, die jenen Menschen gleichfalls sahen.« Der leise Vorwurf in seiner Stimme war deutlich herauszuhören.
Gunolt