Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
immer wieder hypnotisiert und ihn immer gefügiger, leichter empfänglich für den Einfluß eines fremden Willens gemacht hat, bis diese unheimlichen Macht so groß war, daß jene Persönlichkeit es wagen konnte, auch zum letzten, vernichtenden Schlag auszuholen – das heißt, die Braut Dr. Dogmoores zu beseitigen. –
Was nun diesen eigentlichen Mörder anbetrifft – denn der Graue war ja nur willenloses Werkzeuge! – so kann es sich entweder um einen Mann oder um ein Weib handeln, – um einen Mann, der die Tote bis zum Wahnsinn geliebt haben mag, um ein Weib, dessen Herz in gleicher schrankenloser Liebe zur Dr. Dogmoore entbrannt war. Kommt ein Mann in Betracht, so hat er die Tote dem anderen, dem Begünstigteren nicht gegönnt, hat sie lieber hingemordet, damit sie nicht Allan Dogmoores Weib wurde. –
War’s ein Weib, so kann sie vielleicht noch aus weitgehenderen Motiven dieses Drama vorbereitet und durchgeführt haben. Vielleicht hoffte sie eben, nach dem Tode der Nebenbuhlerin im Herzen des abgöttisch Geliebten einen Platz einnehmen zu können.«
Gunolt schwieg.
Nebenan schnatterte Lorchen. Manches davon war zu verstehen … »Lügner, Lump, Schwindler!« Dazwischen ein meckerndes Lachen. – Lorchen verfügte über eine Blütenlese von Schimpfworten, die Erwin dem gerupften Huhn eingepaukt hatte.
Mein Blick glitt über die beiden Männer hinweg. –
Bark saß mit gesenktem Kopf und grüblerischem Gesichtsausdruck da. Und Gunolt wieder – ah, ich hatte ihn gerade dabei ertappt!! – –
Gunolt hatte seine Augen auf den Friesvorhang gerichtet …! Ich hatte sein Profil vor mir. Und doch erkannte ich, daß sein Mund zu einem Lächeln verzogen war –. Er lächelte … Und seine Augen ruhten noch immer auf dem Schatten. –
Ja – es mußte der Schatten sein, denn was gab es sonst wohl da unten auf der Diele zu sehen …?!
Mein Blut gefror mir in den Adern. Wie Posaunenklänge tönten mir seine letzten Worte in die Ohren, als ob ein Echo sie jetzt wieder zu uns zurückwarf. »… deren Platz einnehmen zu können …!!« Da wandte er den Kopf uns wieder zu. Ich blickte schnell zur Seite, spielte den Gleichgültigen.
Und er sprach weiter: »Die Sache steht also so, meine Herren, daß wir nur Aussicht haben, das Geheimnis dieses Mordes völlig aufzuklären, wenn Sie beide mir gegenüber rückhaltlos offen sind, – Sie, Herr Geheimrat, als Vater Fräulein Heliantes, der mir vielleicht einen Wink über jenen eifrigen Verehrer geben kann – Sie, Herr Doktor, als der, den vielleicht ein Weib bis zur tollsten Leidenschaft geliebt hat. – Ich muß mich hier in Ihr Vertrauen eindrängen, muß Sie bitten, auch die entfernteste Möglichkeit einer solchen unerwiderten Neigung zu berücksichtigen. Ich werde dann schon aus den in Frage kommenden Personen die richtige herausfinden. Dies ist insofern ja nicht allzu schwer, als die Fähigkeit, jemanden zu hypnotisieren, nicht gerade alltäglich ist, besondere Eigenschaften voraussetzt und somit den wahren Mörder bereits so etwas kennzeichnet.«
Gunolt schaute Bark fragend an. Der zuckte die Achseln.
»Sie sollten sich damit besser an meine Frau oder Beatrix wenden, Herr Kommissar,« meinte er zögernd. »Ich weiß nur von zwei Herren, die –, – na, Sie verstehen ja. Der eine ist Graf Blenheim. Der scheidet hier aus. Heliante gab ihm einen Korb. Das Herz sprach nicht mit. – Dann der Maler Egon Wallner …«
Gunolt winkte mit der Hand ab. »Scheidet auch aus.« –
Dann sollte ich beichten. Aber ehe Gunolt noch von mir eine Erklärung verlangen konnte, sagte ich schnell:
»Der Papagei stört mich. Ich werde den Käfig zudecken, dann haben wir Ruhe.« Ich hatte sehr laut gesprochen, erhob mich und schritt auf den Vorhang zu.
Ich schlug das schwere Tuch an der linken Seite nur ganz wenig hoch und betrat gebückt die Bibliothek.
Sie war leer …
Nein – doch nicht! In der linken Ecke neben der Schiebetür, die von der Wand und einem mächtigen Bücherschrank gebildet wurde, stand … Beatrix.
Ich tat, als ob ich sie nicht bemerkte, redete laut zu dem kahlen Scheusal, deckte das Tuch über den Bauer, drehte mich dann um, winkte Beatrix zu, deutete auf den Nebenraum, schritt im Bogen an ihrem unzureichenden Versteck vorbei und flüsterte:
»Gunolt hat Argwohn geschöpft – – Schatten!!« Mein Finger zeigt auf die Diele unterhalb des Vorhanges.
Dann kehrte ich in die Bibliothek zurück …
Beatrix’ Gesicht tanzte vor mir her … Ach – ich hätte gewünscht, dieses Gesicht wäre unter meinem ernsten Blick soeben erblaßt, zum mindesten verlegen geworden –!! Nichts davon – nichts …! Augen hatten mich angeschaut, in denen ein ganz sonderbarer Ausdruck gelegen hatte, – – doch es war nicht Furcht, nicht Verwirrung! Über diesen Ausdruck hatte ich mir so schnell nicht klar werden können. Aber eines war mir zur Gewißheit geworden: Beatrix hatte kein reines Gewißen, und – Beatrix besaß eine Kaltblütigkeit, die sie selbst in dieser Situation, in der Ecke als Lauscherin, nicht verlassen hatte …! Das war ein Beweis für eine seltene Willensstärke, ein Beweis, der mir genügte. Welche Frau in gleicher Lage hätte mich wohl – mich, den Warner, so ansehen können, so – so … Ja, – wie eigentlich –, wie …?
»Na – ist’s geglückt?« fragte Gunolt.
Da verschwand Beatrix’ Gesicht. Ich setzte mich lässig.
»Sie hören ja – oder besser, Sie hören nichts mehr,« sagte ich. »Lorchen ist stumm gemacht.«
»Das Tier ahmt alle möglichen Geräusche nach,« meinte Gunolt. »Soeben war mir’s, als versuchte es, das leise Einschnappen eines Türschlosses nachzumachen.«
Die Worte umwogten mich, ich faßte sie nur halb; ein Verdacht jagte mir das Blut in aufsteigender Angst schneller durch die Adern.
»… leiser Einschnappen eines Türschlosses!« Und die seltsame Frage: »Ist’s geglückt …?« – Das bedeutete etwas …!!
Aber Gunolt rauchte so gleichmütig seine Zigarre …!!
Trotzdem: »Ich traue dir nicht! Ihr seid alle gute Komödianten, Ihr seht mehr, als …«
Gunolts Stimme zwang mich, meine Gedanken anderem wieder zuzuwenden …
11. Kapitel
Liebe gegen meinen Willen
Ich hatte Gunolt versichert, ich wüßte kein einziges Weib, das für seine Theorie in Betracht käme.
»Dann werde ich wohl noch Ihre Frau Gemahlin und Fräulein Beatrix fragen müssen,« hatte er darauf zu Bark gesagt. »Doch heute nicht mehr. Das hat bis morgen Zeit. Heute möchte ich mir nur nochmals den Tatort ansehen. Vielleicht begleiten Sie mich, Herr Doktor.«
Das war keine Bitte, sondern ein Befehl.
Was sollte ich im Pavillon …?! Was wollte Gunolt jetzt wieder von mir …?! Etwa über das Scheusal Lorchen mit mir reden, über … das Einschnappen des Türschlosses …?!
Ich witterte eine Gefahr für Beatrix. Aber Gunolt sollte mich gerüstet finden. Die letzten Tage hatten mich stark aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht. Heute fühlte ich mich frisch. Ich fürchtete den Kampf nicht …! – –
Gunolt und ich schritten dem Pavillon zu.
Der Kommissar sprach über Spalierobst. Er verstand von allem etwas.
»Ich staune,« sagte ich. »Sind Sie mal bei einem Gärtner in der Lehre gewesen?«
»Drei Monate, Doktor. Aber – innerhalb meines Berufes. Ich mußte den Gärtnerburschen auf einem großen Gut spielen, wo die Frau des Besitzers unter etwas eigentümlichen Umständen Selbstmord verübt hatte – durch Einatmen von Acetylengas. Das Gut hatte eine eigene Beleuchtungsanlage.