Эротические рассказы

Gesammelte Werke von Joseph Conrad. Джозеф КонрадЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Werke von Joseph Conrad - Джозеф Конрад


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mit dem Opfer. Der Rädelsführer wurde gehängt. Michaelis, jung und unbedeutend, Schlosser von Beruf und ein eifriger Besucher der Abendschule, wußte nicht einmal, daß irgend jemand getötet worden war; seine Aufgabe war es gewesen, zusammen mit ein paar anderen die hintere Tür des Transportwagens aufzusprengen. Bei seiner Verhaftung hatte er ein Bündel Dietriche in der einen Tasche, einen schweren Meißel in der anderen und ein kurzes Brecheisen in der Hand: nicht mehr oder weniger als ein Einbrecher. Doch gegen einen Einbrecher wäre niemals ein so hartes Urteil ergangen. Der Tod des Schutzmanns war ihm zu Herzen gegangen, nicht weniger aber der Fehlschlag der Verschwörung. Aus keinem dieser Gefühle hatte er vor den Geschworenen ein Hehl gemacht, und diese unvollkommene Reue hatte im überfüllten Gerichtssaal den schlechtesten Eindruck hervorgerufen. Bei der Verkündigung des Urteils fand der Richter zu Herzen gehende Worte über die Verderbtheit und Verhärtung des jungen Gefangenen. So wurde von seiner Verurteilung viel Aufhebens gemacht, ohne besseren Grund als später von seiner Entlassung; im letzteren Fall durch Leute, die seine Einkerkerung gefühlsmäßig auszuschroten wünschten, sei es, um ihre eigenen Zwecke zu fördern oder ohne erkennbaren Zweck. Er ließ sie, in seiner Unschuld und Herzenseinfalt, alle gewähren. Nichts, was ihm persönlich geschah, hatte irgendwelche Bedeutung. Er war wie jene Heiligen, die über gläubigen Betrachtungen ihre Persönlichkeit vergessen. Seine Gedanken bewegten sich nicht nach der Seite der Überzeugungen; sie waren für Vernunftgründe unzugänglich, formten mit all ihren Widersprüchen und Unverständlichkeiten den unbesieglichen Glauben an die Menschheit, den er mehr bekannte als predigte, mit milder Hartnäckigkeit, ein Lächeln gläubiger Zuversicht auf den Lippen, und die klaren blauen Augen niedergeschlagen; denn der Anblick vieler Gesichter störte seine Begeisterung, die in Einsamkeit groß geworden war. Der Kommissar stellte sich den Bewährungsfristapostel vor, wie er in dem abgetrennten Winkel auf einem der Ehrenplätze saß, in dieser ihm eigenen Haltung, mitleiderregend in seiner grotesken und unheilbaren Fettleibigkeit, die er bis ans Ende seiner Tage mitzuschleppen haben würde, wie ein Galeerensklave die Eisenkugel. Er saß dort zu Häupten des Ruhebettes der alten Dame, seine milde Stimme und Gemütsruhe verrieten nicht mehr Selbstbewußtsein, als es ein kleines Kind haben könnte; auch fehlte ihm nicht ein gewisser kindlicher Reiz, der bezaubernde Reiz der Gläubigkeit. Da er der Zukunft vertraute, deren geheime Wege ihm innerhalb der vier Wände einer bekannten Strafanstalt geoffenbart worden waren, so hatte er keinen Anlaß, irgend jemandem mit Mißtrauen zu begegnen. Wenn es ihm auch nicht gelungen war, der neugierigen großen Dame einen recht klaren Begriff des Ziels beizubringen, dem die Welt zutrieb, so hatte er ihr doch ohne weiters Eindruck gemacht durch seinen Glauben, dem jede Bitterkeit fehlte, und durch seine starke Hoffnungsfreude.

      Reinen Seelen an den beiden Enden der gesellschaftlichen Stufenleiter ist eine gewisse Schlichtheit der Denkweise gemeinsam. Die große Dame war schlicht auf ihre besondere Art. Seine Ansichten und sein Glaube hatten nichts, was sie erschrecken oder verletzen konnte, da sie sie von ihrem erhabenen Standpunkt aus beurteilte. Tatsächlich war es für einen Mann dieser Klasse nicht schwer, ihre Zuneigung zu gewinnen. Sie selbst gehörte nicht zu den blutsaugenden Kapitalisten. Sie stand hoch über jedem wirtschaftlichen Kampf. Und ihre Fähigkeit, mit den aufdringlichen Formen menschlichen Elends Mitleid zu empfinden, war unbegrenzt; vielleicht eben darum, weil ihr dies Elend so völlig fremd war, daß sie sich erst in den Zustand des Leidens versetzen mußte, um seine ganze Grausamkeit zu erfassen. Der Kommissar erinnerte sich noch gut an die Unterhaltung zwischen den beiden. Er hatte schweigend zugehört. Die Unterhaltung war teils aufreizend, teils ergreifend gewesen in ihrer offenbaren Sinnlosigkeit, wie etwa der Versuch einer Verständigung über sittliche Fragen zwischen den Einwohnern verschiedener Planeten. Dennoch lag etwas in dieser seltsamen Verkörperung menschlicher Leidensfähigkeit, was die Einbildungskraft beschäftigte. Schließlich erhob sich Michaelis, nahm die ausgestreckte Hand der Hausherrin, schüttelte sie, hielt sie einen Augenblick lang mit freundlicher Unbefangenheit in seinen großen, gepolsterten Tatzen und kehrte dann dem Ehrenwinkel des Salons seinen Rücken zu, der groß und wuchtig die kurze Jacke bis zum Zerreißen spannte. Während er der entfernten Ausgangstür zuwatschelte, blickte Michaelis mit heiterem Wohlwollen über die Schar der anderen Besucher hin. Die gemurmelte Unterhaltung verstummte auf seinem Wege, er lächelte unschuldig einem großen, prachtvollen Mädchen zu, dessen Blick zufällig den seinen gekreuzt hatte, und ging hinaus, ohne sich der Blicke bewußt zu sein, die ihm durch den Raum gefolgt waren. Michaelis’ erstes Erscheinen in dieser Welt war ein Erfolg, ein Achtungserfolg, frei von dem leisesten Spott. Die unterbrochenen Unterhaltungen wurden unverändert wieder aufgenommen. Nur ein gutgewachsener, langbeiniger, äußerst kräftig aussehender Mann um die Vierzig, der sich an einem der Fenster mit zwei Damen unterhielt, bemerkte laut, mit unerwarteter Gefühlstiefe: »Mindestens hundertfünfundzwanzig Kilo, schätze ich, und nicht ein Meter siebzig hoch. Armer Kerl! Es ist furchtbar – furchtbar!«

      Die Dame des Hauses sah den Kommissar, der mit ihr hinter dem Wandschirm geblieben war, abwesend an und schien hinter der Unbeweglichkeit ihres schönen, alten Gesichts ihre Eindrücke sammeln zu wollen. Männer mit grauen Schnurrbärten, ein Lächeln auf den vollen, gesunden Gesichtern, bogen um die Ecke des Wandschirms und machten ihre Aufwartung; zwei reife Frauen mit dem liebenswürdigen Ausdruck mütterlicher Entschlossenheit; ein glatt rasiertes Wesen mit eingesunkenen Wangen, das mit altmodischer Eleganz ein goldgerändertes Einglas an einem breiten schwarzen Band tanzen lies. Ein ehrerbietiges, doch mit Spannung geladenes Schweigen herrschte einen Augenblick lang, bis die große Dame ohne Bitterkeit, doch mit einer Art kampfbereiter Entrüstung ausrief:

      »Und so was wird von Amts wegen für einen Anarchisten gehalten! Was für ein Unsinn!«

      Sie sah den Kommissar scharf an, der entschuldigend murmelte:

      »Vielleicht nicht für einen gefährlichen.«

      »Nicht gefährlich – das sollte ich wohl meinen! Er ist einfach gläubig, er hat das Zeug zu einem Heiligen«, erklärte die große Dame in festem Ton. »Und den haben Sie zwanzig Jahre lang eingesperrt gehalten! Die Dummheit macht einen erschauern. Und nun, da sie ihn frei gelassen haben, sind alle, die ihm einst nahe standen, fortgezogen oder tot. Seine Eltern sind tot; das Mädel, das er heiraten sollte, ist gestorben, während er im Gefängnis war; er hat alle Übung in seinem Handwerk verloren. Das alles hat er mir seelenruhig erzählt; aber dann sagte er, es sei ihm soviel Zeit geblieben, über allerhand nachzudenken. Ein schöner Ausgleich! Wenn das das Holz ist, aus dem Revolutionäre geschnitzt werden, so könnte mancher unter uns auf den Knien zu ihnen wallfahrten«, fuhr sie etwas ausfallend fort, und das leere gesellschaftliche Lächeln auf den weltlichen Gesichtern, die ihr ehrerbietig zugekehrt waren, verhärtete sich zusehends. »Der arme Teufel ist ganz augenscheinlich nicht mehr in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Irgend jemand wird sich um ihn kümmern müssen.«

      »Man sollte ihm empfehlen, sich irgendeiner Kur zu unterwerfen«, ließ sich aus einiger Entfernung die militärische Stimme des tatkräftig aussehenden Mannes vernehmen. Er war für sein Alter in glänzender Form, und sogar der Stoff seines Frackanzugs zeigte elastische Schmiegsamkeit, als wäre das Gewebe belebt. »Der Mann ist tatsächlich ein Krüppel«, fügte er mit ehrlicher Empfindung hinzu.

      Froh über den Anknüpfungspunkt äußerten verschiedene andere ihr schnelles Mitleid.

      »Ganz schrecklich«, »ungeheuer«, »furchtbar anzusehen.« Der schmächtige Mann mit dem Einglas am breiten Band ließ etwas zimperlich das Wort »grotesk« fallen, dessen Richtigkeit von den zunächst Stehenden anerkannt wurde. Sie lächelten einander zu.

      Der Kommissar hatte die ganze Zeit seine Meinung für sich behalten, da seine Stellung es ihm verbot, eine irgendwie unabhängige Ansicht über einen mit Bewährungsfrist entlassenen Sträfling kundzutun. Im Grunde deckte sich seine Ansicht mit der der Freundin und Gönnerin seiner Frau, daß nämlich Michaelis ein Menschlichkeitsschwärmer war, ein wenig verrückt, im ganzen aber unfähig, auch nur einer Fliege absichtlich wehe zu tun. Als nun in dieser langweiligen Bombengeschichte plötzlich der Name auftauchte, begriff er sofort die Gefahr, die da dem Bewährungsfristapostel drohte, und begann sich im Geiste nochmals mit der eingewurzelten Voreingenommenheit der alten Dame zu beschäftigen. Ihre etwas launenhafte Güte würde eine Einschränkung von Michaelis’ Freiheit nicht ruhig hinnehmen. Dazu war ihre Zuneigung zu tief und zu überzeugt. Sie hatte nicht nur empfunden, daß er ungefährlich war, sondern


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