G.F. Barner Staffel 2 – Western. G.F. WacoЧитать онлайн книгу.
Carlos Rubiosa. »Und Sie haben Rual nicht lange gekannt?«
»Genau vier Tage«, erwidert Angus langsam. »Ich bin zufällig mit ihm zusammengekommen…«
Der Mann sieht ihn an und senkt den Kopf.
»Dann sind Sie der Mann, der mit ihm in Alpine…«
Er weiß es, denkt Angus überrascht, woher weiß er das nur?
»Ja, ich bin der Mann«, antwortet er. »Ein Ranger hat ihn angeschossen, die Wunde war nicht gefährlich, aber Ihr Bruder war ein todkranker Mann, Lungenschwindsucht.«
»Ich weiß, Mr. Haley – Haley? Es gibt drüben…«
»Sie gehört meinem Vater!«
Carlos hebt ruckartig den Kopf und sieht ihn groß an.
»Und dann hat man Sie in das Jail…«
»Ich soll einen Mann angeschossen haben, aber es ist ein Bekannter von mir gewesen, Señor Carlos. Den Mann suche ich, um ihn nach Alpine zu bringen. Sie wissen eine ganze Menge, scheint mir. Vielleicht haben Sie von dem Mann gehört, den ich suche? Er ist in Coyame gewesen, das ist keine neunzig Meilen von hier. Sein Name ist Lanson, Syd Lanson.«
»Lanson? Nein, ich habe den Namen niemals gehört. Wollen wir uns nicht setzen? Kommen Sie mit herein, Mr. Haley!«
»Ich bin staubig.«
»Das macht nichts, kommen Sie nur. Und du, Carmencita, Mutter kann rufen, denke daran.«
»Ja, ich vergesse es nicht, Carlos. Ich gehe schon.«
Carlos sieht Angus den Staub abschütteln, denn gehen sie in die Halle und setzen sich an den Tisch. Das Mädchen ist gegangen, sie sind allein, und Carlos Rubiosa steht hastig auf.
»Sie rauchen sicher?«
»Ja, sicher, nur – ich habe zwei Tage keine Rast gemacht, um zwei Männer abzuschütteln, von denen mir einer mit Sicherheit gefolgt sein wird.«
Er erzählt Don Carlos kurz die Sache in der Mulde. Der Mexikaner sieht ihn bestürzt an und steht wiederum auf.
»Und – warum haben diese beiden auf Sie geschossen, Mr. Haley?« fragt Rubiosa dann ziemlich verstört. »Man schießt doch nicht ohne Grund auf einen Menschen? Warum denn nur?«
»Sie vermuteten, daß ich eine Kiste voller Geld in der Mulde ausgraben wollte«, erwidert Angus langsam und beobachtet Rubiosa genau. »Der eine sagte etwas von über dreißigtausend Dollar!«
In diesem Augenblick zuckt Carlos Rubiosa zusammen und erstarrt.
»Das Geld« sagt er und wird bleich. »Natürlich, man hat Sie und Rual verfolgt, weil Rual als einziger Mann dieser – Bravados die Lage der Kiste – das Versteck des Geldes kennen müßte. In einer Kiste liegt das Geld also!«
Er sieht Angus scharf an und fragt dann:
»Wissen Sie über die Sache Bescheid?«
»Ich weiß nur, daß sechs Mann es einmal erbeutet haben, und drei bereits wegen dieses Geldes gestorben sind«, antwortet Angus düster. »Wie die Dinge zusammenhängen, das weiß ich nicht, ich habe weder von Rual etwas darüber erfahren, noch hat mir der eine der beiden Bandidos etwas gesagt. Ich weiß nur, daß dreißigtausend Dollas in der Kiste sein müssen – aber – wo diese Kiste liegt, das weiß ich nicht! Würden Sie nach ihr suchen wollen?«
»Ich?« fragt Carlos bestürzt. »Nie im Leben. Dieses Geld, es soll verfaulen, es soll niemals wieder Menschen unglücklich machen. Dann weiß es also niemand?«
»Niemand«, erwidert Angus träge. »Die restlichen drei Mann der ehemaligen Bravado-Gruppe haben keine Ahnung. Der eine hat behauptet, Rual hätte die beiden mit ihm geflüchteten Männer erschossen. Die Ranger aber haben festgestellt, daß sich diese beiden gegenseitig töteten. Ich glaube, die Feststellung der Ranger ist richtig, was immer auch andere darüber reden. Rual hat mir kein Wort von der Existenz eines vergrabenen Schatzes gesagt. Er dürfte der letzte gewesen sein, der es gewußt hat. Vielleicht glaubt nun einer der drei noch Lebenden, daß ich das Versteck kenne, Rual hat es mir nicht genannt, das ist die reine Wahrheit. Wenn ich nur wüßte, wie er zu dem Messer gekommen ist?«
»Das ist sehr einfach«, gibt Carlos zurück. »Ich habe mir die Zeitungen von drüben besorgt, man hat über die Flucht der drei geschrieben. Rual muß ein Versteck gehabt haben, eines von vielen, wie man vermutet. Ehe man sie damals vor Jahren festgesetzt hat, ist dieses Versteck angelegt worden. In ihm sind einige Kleidungsstücke, wenig Waffen und wahrscheinlich auch einige Dollars gewesen. Auf der Flucht haben sie das Versteck aufgesucht, sich andere Kleidung und Waffen genommen, haben für Geld Pferde gekauft und sind weitergeflüchtet. Einen Tag darauf haben die Suchtrupps jenes leere Versteck entdeckt, die Spuren verfolgt und auch den Rancher ausfindig gemacht, bei dem die drei die Pferde gekauft hatten. Einen weiteren Tag später hat man dann zwei Männer gefunden, die beiden, nun, Sie wissen ja.«
»Dann hat er also das Messer im Versteck gelassen«, sagt Angus leise. »Und warum ist es wohl so wichtig gewesen, daß ich es unbedingt herbringen müßte? Ich habe noch Geld, es sind gut fünfhundert Dollar, die Rual bei sich getragen hat. Hier…«
»Ich will es nicht«, wehrt Carlos heftig ab. »Mister Haley, dieses Geld rühre ich nicht an, eher will ich sterben. Uns geht es nicht – ich will ehrlich sein, wir sind nicht mehr reich, aber ich würde es nicht nehmen, niemals. Dieses Geld stammt doch von der Southern-Texas-Transportgesellschaft. Wenn Sie drüben sind, dann schicken Sie es hin, ich bitte Sie darum. Entschuldigen Sie, wenn ich bis jetzt nicht gefragt habe, wie mein Bruder gestorben ist, wo er begraben ist, aber…«
Er schweigt und sieht zu Boden.
»Aber er ist für Sie alle schon vor langer Zeit gestorben?« fragt Angus leise. »Das haben Sie doch sagen wollen? Nur für seine Mutter ist er wohl…«
»Ja«, sagt Carlos tonlos. »Ich schäme mich, es zu sagen, aber es ist die Wahrheit. All unser Unglück verdanken wir nur meinem Bruder. Er ist sehr leichtsinnig gewesen.«
»Schlecht, also?«
»Man könnte das sagen«, murmelt Carlos Rubiosa. »Vielleicht sollte ich schweigen, aber ich möchte es doch sagen. Rual hat in Ciudad Mexiko eine Vertrauensstellung durch die Verbindung meines Vaters gehabt. Er hat dort bereits in jungen Jahren einen verantwortungsvollen Posten in der Bank bekommen, in der wir unser Geld angelegt hatten. Als mein Vater vor nunmehr sechs Jahren starb, da sollte das Vermögen unserer Familie festgestellt werden. Das Vermögen…«
Er bricht ab, preßt die Hände an die Schläfen und geht ruhelos auf und ab. »Er hat es verspielt, verspekuliert, durchgebracht«, sagt Carlos Rubiosa dann dumpf. »Fast alles, ein großes Vermögen, verstehen Sie, Mr. Haley? Unser gesamtes Geld haben wir verloren, unfaßbar, daß es niemand gemerkt hat, aber Rual hat es getan. Er ist verschwunden, er hat sich nie wieder gemeldet, nur einmal einen Brief geschrieben, in dem er schrieb, er würde das Geld wiederbeschaffen. Und dann, dann haben wir von einem Banditen gehört.«
Mein Gott, denkt Angus bestürzt, darum also ist er ein Bandit geworden.
Einmal sehr leichtsinnig gewesen und dann ein Bandit, ein Bravado. Er muß einen klugen Kopf gehabt haben, sonst hätte man in der Bank seine Unterschlagungen längst entdeckt, noch ehe der alte Rubiosa starb.
»Wir haben damals nichts mehr retten können, nichts, außer dieser Hazienda hier, die ein Verwalter geleitet hat. Sie war die kleinste Hazienda, eine von vielen, die wir besessen haben. Wir sind hergezogen, ich habe gearbeitet, ich habe geschuftet, aber es geht nur langsam voran. Da sind noch Schulden, die ich abzutragen habe, nicht mehr sehr viel Geld, aber noch zwei Jahre habe ich damit zu tun. Zuerst habe ich gedacht, ich müßte meinen eigenen Bruder umbringen, aber dann habe ich erkannt, daß mein Vater selbst die Schuld an vielen Dingen getragen hat. Rual hat alles bekommen, er hat ein Leben in Saus und Braus führen können. Ich habe immer gearbeitet, das Vieh, die Felder, das ist meine Welt gewesen. Eine arbeitsame, aber sorglose Welt. Und dann ist diese Katastrophe gekommen.«
Er sinkt