G.F. Barner Staffel 2 – Western. G.F. WacoЧитать онлайн книгу.
Junge. Ich kann hingehen und ihn fragen, aber ich habe vorhin zu Samuel gesagt, ich würde mich hinlegen und schlafen. Vielleicht fällt es auf, wenn ich, jetzt noch losgehe. Aber natürlich kann ich – wenn du kein Risiko dabei siehst?«
»Kein Risiko, es wird besser sein, ich rede mit Enrique selbst. Er wird nichts von meinem Besuch sagen.«
»Bist du sicher? Er hat eine böse Zunge und…«
»Und handelt mit einigen Dingen, über die ich etwas in den vier Wochen drüben in Mexiko gehört habe. Keine Sorge, Joe, er wird den Mund halten.«
Der alte Joe hat seine Schreibtischschublade aufgezogen und greift in den Kasten, der in der Lade steht.
»Laß sein«, sagt Angus heiser, als das Rascheln von Geldscheinen zu hören ist. »Ich brauche nichts, ich habe genug.«
»Junge, ein Mann braucht immer Geld, wenn er jemanden sucht. Nimm das hier – gib es mir irgendwann wieder, wann immer du es übrig hast. Die Sache kommt noch in Ordnung, ich habe so ein Gefühl. Also, nun nimm schon.«
»Nein, Joe. Ich nehme es nicht. Ich habe genug, ich sagte es doch schon.«
»Bestimmt, hast du reichlich Geld?«
»Ja, du kannst mir schon glauben.«
Ich nehme nichts, ich habe noch nie geborgt. Lanson schuldet mir hundertzehn Dollar und einige Cents. Die hat der Narr nach und nach verspielt. Man soll eben nie Geld verborgen, soll man nicht, wie?
»Brauchst du sonst etwas – Patronen, irgend etwas?«
»Ich habe alles!«
»Dein verrückter Stolz, man braucht immer etwas. Also gut, willst du schon gehen?«
»Ich weiß ja, was ich wissen wollte. Joe – kein Wort von meinem Besuch, verstanden?«
»Natürlich nicht. Und – du sollst nicht denken, daß Mark das ganz ernst gemeint hat. Ich glaube, er ist in der Stadt, um Jane Harfield zu sehen. Die beiden treffen sich manchmal hier. Mark ist in Ordnung, Junge.«
»Das habe ich gehört.«
»Angus, du irrst dich sicher, dein Bruder wird zu dir halten.«
»Ja, ich glaube an Wunder. Gute Nacht und vielen Dank, Joe.«
Er blickt aus dem Fenster, sieht niemanden und steigt hinaus. Der alte Joe blickt ihm nach, er sieht Angus Haley rechts unter den Bäumen verschwinden.
Dann kommt Angus noch einmal kurz zum Vorschein. Sein Pferd geht nun über den Hang hinweg, kommt nahe an das Bachbett heran – und ist fort.
»Der Junge«, sagt der alte Joe heiser. »Das wird noch was mit ihm und dem Alten.«
Angus reitet in diesem Augenblick nahe am Bach entlang, um die Stadt zu umrunden, denn er muß auf die andere Seite.
Und am Bach.
Einer dieser jungen Burschen und eines dieser jungen Mädel.
Am Bach ist es still und friedlich. Hierher kommt niemand. Vielleicht sitzen sie darum hinter den Büschen, reden leise miteinander und sehen sich manchmal an.
»Da kommt einer«, sagt das Mädchen wispernd. »Wenn das mein Bruder ist, dann gibt es Ärger.«
Sie verstecken sich beide hinter dem Busch und sind nun ganz still.
Der Junge sieht zwischen den Zweigen durch. In manchen Familien hier ist es so, daß die Brüder über ihre Schwestern wachen. Er hat ein wenig Angst. Der Mann taucht am Hang auf. Er ist genau über ihnen, der Mond scheint auf sein Gesicht.
Und der Junge bekommt ganz große Augen.
Der Mann reitet sehr nahe vorbei, keine zehn Schritt.
Auf einmal erinnert sich der Junge, schluckt heftig und duckt sich noch tiefer. Einen Augenblick denkt er, daß er sich irrt, doch dann ist er sicher, daß er Angus Haley gesehen hat.
Wenn der Mann ihn sieht, der wird schießen, der schießt einfach und fragt dann erst. Der Junge hat auf einmal Angst davor, zu sterben und schluckt schwer.
Dann ist der Reiter weg, verschwindet links, kommt hinter den Büschen wieder heraus und jagt durch den Bach, dessen Wasser hochspritzt.
Er reitet um die Stadt, denkt der Junge. Er will in die Stadt. Ich muß sofort zum Sheriff.
*
Angus reitet durch eine Gasse und sieht sich sichernd um. Da ist der Stall, dessen Dach weit überhängt. Neben dem Stall ein großer Weißbeerenbusch. Unter dem Dach und am Busch wird das Pferd nicht zu sehen sein.
Gleich darauf steht der Wallach unter dem Dach, und der Mann geht los.
Er hat den Hut ins Gesicht gezogen, taucht in die Gasse ein und hört ein Kind im Hause weinen. Licht geht an. Er zuckt zusammen, als der Lichtschein in die Gasse fällt und hastet weiter die Gasse hoch. Keine zwanzig Schritt mehr, die Tuchhandlung liegt genau an der Ecke zur Hauptstraße, der Hof ist hinten. Dann kommt jemand in die Gasse, der Mann pfeift laut, hat die Hände in den Taschen, und kommt genau auf Angus zu.
Angus Haley geht ruhig weiter. In diesem Moment weiß er, daß es kein Mann sein darf, der ihn genau kennt, denn dann ist es vorbei.
Er pfeift, dieser Mann, er kommt näher.
Und er pfeift immer lustig weiter, als er längst an Angus vorbei ist und an dem Haus, in dem das Kinderweinen anhält, die Tür aufmacht.
Er hat ihn nicht erkannt, das war sein Glück. Angus Haley atmet auf.
Der Mann ist fort. Angus zieht sich am Zaun hoch. Mit einem Satz steht er im Hof, dreht sich dem Haus zu und sieht Licht.
Enrique handelt mit gestickten Decken aus Mexiko, mit gewebten Teppichen und guten Tuchen. Die Tuche sind zum größten Teil geschmuggelt. Sie sind drüben in Mexiko um die Hälfte billiger als hier, weil die Arbeitskräfte ungleich geringer bezahlt werden. Man schmuggelt von hier aus Gewehre nach drüben, wenn man die richtigen Abnehmer hat. Und die hat man immer in Mexiko und seinen zahlreichen »Armeen«, die jeweils ein »General« führt. Der »General« ist ein ganz gewöhnlicher Bandit, der sich diesen Titel selbst verliehen hat. Entweder kämpft er für sich selbst, oder für den jeweiligen Provinzgouverneur, wenn der ihn bezahlen kann. Oder er kämpft für den einen Provinzonkel gegen den anderen. Sachen gibt es, die kein Mensch richtig auseinanderhalten kann. Es kommt vor, daß die »Truppen« eines Generals heute die eine Stadt oder das Dorf von Feinden befreien und morgen wiederkommen, weil der, der sie zu der »Befreiungsaktion« angeworben hat, sie einfach nicht bezahlen kann, oder zu wenig bezahlt.
Dann kommen die »Befreier« wieder und holen sich alles, was nicht niet- und nagelfest ist.
Und wer sie kennt und sie beliefert, denn schießen müssen sie, wenn es auch nur in die Luft ist, der verdient eine schöne Stange Geld dabei.
Einer dieser freundlichen Zeitgenossen ist Enrique. Als Angus kurze Zeit mit den Viehdieben ritt, hat er von Enrique gehört. Und darum weiß Angus einige Dinge über den braven, dicklichen und ewig grinsenden Enrique, der so harmlos ist – so schrecklich harmlos, kaum zu glauben, wie harmlos ein Mensch sein kann, wie?
Dieser dicke Enrique sitzt behäbig – er hat gerade seinen Store geschlossen – in seiner Küche und hat ein Huhn von seiner Haushälterin gebraten bekommen. Enriques Haushälterin ist in der Nachbarschaft und redet – alle Frauen reden viel.
Enriques Finger sind voller Fett. Ein schönes Huhn, ein feines Huhn. Enrique ist so in sein Huhn vertieft, daß er nichts hört und nichts sieht.
Daraufhin hebt er den Kopf. Und dann bleiben seine Zähne im Fleisch stecken.
Ein Mann steht plötzlich in der Tür und sieht auf ihn herab. Enrique ist nicht groß, Enrique ist klein und rund, sehr rund. Vor Schreck weiten sich seine Augen.
»Iß weiter«, sagt Angus Haley ruhig. »Ich hoffe, es schmeckt dir, Enrique?«
»Ja, jawohl, es schmeckt«, sagt