G.F. Barner Staffel 2 – Western. G.F. WacoЧитать онлайн книгу.
ganz arm, du bist sogar so arm, daß du die sechzig Gewehre und zwanzig Kisten mit Munition an Gomez vor drei Wochen umsonst geliefert hast«, sagt Haley ganz ruhig. »Oder hast du sie bei den Behörden hier registriert, mit einer Ausfuhrgenehmigung… Ist dir was, Enrique?«
»Ni – ni – nichts«, stottert Enrique und hat auf einmal gar keinen Hunger mehr. »Wer – wer ist Gomez, Angus?«
»Ich weiß nicht, ich bin so vergeßlich, Enrique. Stimmt es, du bist auch vergeßlich, wie? Du siehst niemanden, du weißt von nichts, du kennst auch keinen wieder, na?«
»Ja, ja, ich bin schrecklich vergeßlich«, beeilt sich Enrique zu versichern. »Neulich habe ich doch sogar vergessen, meinem Bruder zum Namenstag zu gratulieren. Du brauchst eine Kleinigkeit, Freund Angus?«
»So kann man es nennen, Enrique. Nein, nein, nicht dein Geld, wenn du das denkst. Ich bin doch kein Erpresser, wie? Enrique, du bist in Coyame gewesen, nicht wahr? Und dort hast du meinen Freund gesehen, stimmt es?«
»Deinen Freund, ja«, sagt Enrique erleichtert, der schon an spätere Prozentbeteiligung von Angus gedacht hat. »Aber – du warst nicht dort, dich habe ich nicht gesehen, schade – sehr schade. Ich hätte dir sonst gern eine große Flasche Tequila spendiert, ich bin nicht so, das weißt du doch, was?«
»Ich weiß vieles und noch mehr«, gibt Angus zu. »Wo hast du Lanson gesehen, genau den Platz, das Haus, die Bodega, jede Kleinigkeit ist wichtig, Enrique. He, kann hier keiner kommen?«
»Meine Haushälterin ist fortgegangen – und vorn ist zu.«
»Dann ist hinten auch geschlossen, damit du es weißt. Also, wo hast du ihn gesehen?«
In den kleinen, von dicken Fettpolstern umgebenen Augen Enriques taucht jähe Neugierde und Wachsamkeit auf.
»Äh, vielleicht erinnere ich mich nicht richtig, kann sein, es wird schwer…«
»Hör gut zu, dir wird jede Kleinigkeit einfallen, sonst binde ich dich hier fest, nehme einen Stein, wickle einen Zettel darum mit einer feinen Geschichte und werfe ihn durch das Fenster des Sheriffs. He, was passiert dann? Also, wo bist du ihm begegnet?«
Enrique wird noch kleiner, er schrumpft förmlich zusammen und sagt leise:
»In Coyame. Ich habe ihn sofort erkannt. Er war in der Bodega von Micaela – Rufo Micaela, weißt du?«
»War er allein?«
»Allein? No, er hat mit zwei, drei Mexikanern zusammen an der Theke gestanden und getrunken. Wahrscheinlich hat er mich nicht erkannt. Was willst du von ihm, habt ihr euch getrennt?«
»Das geht dich nichts an, Enrique. Beantworte nur meine Fragen. Hast du einen der Mexikaner gekannt?«
»Äh – ich glaube, der eine, ja, der heißt Rodriguez – Alfonso Rodriguez. Er ist bei einem Ranchero beschäftigt.«
»Bei wem?«
»Ich weiß nicht, ich weiß nur, daß er Vaquero bei einem Ranchero ist. Er soll ein guter Reiter sein und Pferde zureiten. Mehr weiß ich nicht über ihn, wirklich nicht. Aber – wenn du nach Coyame gehst, Rufo kennt Rodriguez bestimmt. Ich weiß bestimmt nichts, Angus, du mußt mir glauben. Angus, ich hätte ihn ja anreden können, aber ich habe gedacht: Misch dich in nichts ein; du weißt nichts, du tust so, als ob du ihn nicht kennst. Das ist ein wilder Bursche, redest du ihn an – vielleicht nimmt er seine Revolver und geht auf dich los? Es ist immer besser, nicht neugierig zu sein.«
»Da hast du recht, mein Freund. Also, Rufo kennt ihn mit Sicherheit?«
»Ich möchte das sagen, aber beschwören kann ich es nicht. So was schwöre ich nicht, verstehst du? Geh hin, frage dort. Warum seid ihr denn auseinander, he?«
»Jetzt bist du neugierig, wie? Also gut, du hast mich nicht gesehen, du hast mich auch nicht erkannt, ich bin nicht bei dir gewesen, verstanden?«
»Ich schwöre, ich habe dich nie gesehen!«
»Gut dann – iß weiter!«
Er geht rückwärts bis in den Gang und macht die Haustür leise auf.
Coyame, denkt er, als er hinten im Hof am Schuppen stehenbleibt und den Schlüssel im Schloß der Hintertür des Hauses rasseln hört. Coyame hat nur einige Häuser, kein großes Nest, wie? Und dorthin ist Lanson gegangen? Warum, weshalb ausgerechnet nach Coyame? Arbeitet er für eine Ranch dort unten oder – die Mexikaner brauchen keine Scharfschützen wie Lanson, wenn sie nicht dunkle Geschäfte… ich habe ihn nie richtig gekannt.
Er ist immer ein Rauhbein gewesen, bereit, keinem Krach auszuweichen, aber immerhin als Partner nicht übel.
Er stößt sich vom Schuppen ab und klettert dann wieder über den Zaun.
In der Gasse ist niemand. Er geht schnell, um hinauszukommen. Weit hinter ihm, auf der Mainstreet schreit jemand etwas. Stimmengewirr ist dort. Er hastet aus der Gasse, er rennt beinahe, weil ihn nun niemand mehr sehen soll. Es würde ein törichter Zufall sein, sollte ihm jetzt noch einer begegnen, den er kennt und der ihn auch sofort erkennen würde. Angus kommt gut aus der Gasse und geht dann zu seinem Pferd.
Er streckt die Hand aus, will die Zügel lösen und hört auf einmal hinter sich ein Knacken, als wenn jemand auf einen Ast tritt und der trockene Ast bricht.
Und da sagt auch schon die Stimme von Hank Turgill – und niemand als er kennt besser die Härte, die Turgill besitzt.
»Angus, steh ganz still. Ich schieße!«
Dies ist es.
Der Mann ist hinter ihm.
Er ist um die Ecke des Stalles gekommen.
Jetzt ist er da, Hank Turgill. Der Sheriff von Alpine.
Seine Worte sind wie immer kurz, scharf und schnappend.
Angus wendet langsam den Kopf.
Turgill hält den Revolver in der Hand.
Und er ist der Mann, der ihn auch gebraucht.
Angus ist verloren.
*
Er wacht auf und blinzelt. Die Schmerzen in seinem Kopf sind da, kleine, ziehende Stiche, die sich von seinem Hinterkopf ausbreiten und über seinen Nacken abwärts laufen.
Dann hört er die Stimmen und liegt ganz still. Sein Blick fängt nacheinander einige Dinge ein. Zuerst sieht er die Decke, einen dicken Balken und dann das Gitter. Der Blick gleitet am Gitter herab, erfaßt den Gang, die Wand, die Lampe an der Wand und die schwere Eisentür.
Plötzlich erinnert er sich, wenn die Gedanken auch quälend langsam von ihm geformt werden.
Turgill, sein Befehl, sich umzudrehen. Die Schritte hinter ihm und jenes Wissen, daß ein Mann wie Turgill kaum einen Fehler macht, sozusagen nie.
Er hat noch an den Tag gedacht, an dem Hank Turgill die Ranch der Haleys verlassen hat. Auf dieser Ranch hat Turgill mit dreizehn Jahren einmal angefangen, dort hat sein Weg begonnen.
Aber nichts und niemand wird Hank Turgill abhalten, einen Haley einzusperren. Auch wenn in diesem Fall Angus Haley der Sohn des Mannes ist, dem Hank Turgill sein Amt und viele andere Dinge verdankt.
Hank Turgill ist unbestechlich und kennt nur eine Sache:
Das Gesetz.
Dies alles, denkt Angus Haley, habe ich gewußt. Und noch einige Dinge mehr. Ich habe gewußt, daß er mich niederschlagen würde, weil er weiß, daß ich zu gefährlich bin. Manchmal weiß man um die Dinge und nimmt sie hin wie Zahnschmerzen, oder einen kratzenden Hals. Hat der Bursche zugeschlagen, wie?
Er kann nicht verstehen, was drüben geredet wird, er kann nicht mal hören, zu wem die Stimmen da passen. Eine könnte Turgills sein, könnte.
Er wendet den Kopf, sieht durch seine nach links in eine andere Zelle.
Erst in diesem Augenblick zuckt er zusammen.
Nichts