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Ferien an der Adria: Bilder aus Süd-Österreich. Jakob Christoph HeerЧитать онлайн книгу.

Ferien an der Adria: Bilder aus Süd-Österreich - Jakob Christoph  Heer


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oder im Park des Stadthauses hat der Fremde am ehesten Gelegenheit, das Leben und Lieben dieses Völkleins zu beobachten, und nie mehr als an einem Sonntagnachmittag, wenn leichte, lose Musik die Jugend zum Tanz unter die Baumkronen lockt, denn kein Bursche, kein Mädchen widersteht den Klängen.

      Wenn sich das italienische Barfüßele des Werktages sonntäglich schmückt, wenn es Haar und Büste mit Knospen und Blüten ziert, wenn es, das Köpfchen an die braune Brust des Burschen geschmiegt, wild und wilder durch die Reihen fliegt, die schwarzen Augen glühen, die Wangen gerötet sind, die Leidenschaft durch alle Bewegungen und Züge rinnt, dann liegt wirklich etwas exzentrisch Schönes in diesen südlichen Gestalten.

      Da kann man allerdings ein keckeres Kosen sehen als draußen im kühlen Nord, und manch ein braunes, glutäugiges Kind, das im Begriffe steht, eine Jungfrau zu werden, reift hier unter den sengenden Blicken seines Burschen rascher aus, als ihm vielleicht gut ist. Der Süden, der der Natur einen so kurzen Lenz zumißt, er gönnt auch dem Menschenkind keinen langen Lebensmai, und wenn das nordische Mädchen in seiner schönsten Blüte steht, ist diejenige des südlichen schon dahin.

      Auf der Nordseite der viereckigen Häuseranlage zieht sich die Straße, die von Triest nach Venedig führt, durch das Städtchen.

      Denke ich an diese Gasse, dann kommt mir die Erinnerung an einen liebenswürdigen und originellen Menschen, an den Signore Battistic. Ich habe in seinem Atelier zu manche Stunde verplaudert, als daß ich den würdigen Postwirt von Monfalcone totschweigen wollte.

      Er ist der berühmteste unter den Bewohnern des Orts, und sein Gasthof hat einen Ruf, der genau soweit reicht wie derjenige seines Städtchens. Nennt man einem Triestiner Monfalcone, so denkt er sicherlich nicht an die Stadt, er denkt an die Küche des Herrn Battistic, an die Schnepfen, an die Branzins, an die Austern, an die Spargeln, die man nirgends so gut bekommt, wie auf der Post zu Monfalcone.

      Ich habe zwar mehr die andern guten Eigenschaften des Herrn Battistic als diejenigen des Hoteliers kennen und schätzen gelernt. Er geht nämlich im Ruhm seines Gasthofes nicht auf, sondern ist der erste Naturforscher und der erste Nimrod der Gegend, er ist Antiquitätenhändler, Briefmarkensammler, ein Universalgenie; sein höchster Stolz aber ist die Kunst: er ist ein Meister des Pinsels und der Palette.

      Er mag jetzt seine vierzig Jahre haben und in seinen jüngern Zeiten war er zweifellos ein sehr hübscher Mann, denn er ist jetzt noch nicht häßlich, obwohl er sich eines gewissen Embonpoints erfreut. Noch flutet eine Fülle von Künstlerlocken in seinen Nacken, und die kleinen, klugen Augen sprühen zuweilen noch die Glut des verliebten Italieners.

      Man kann einen Embonpoint tragen und eine Vielseitigkeit des Geistes entwickeln, wie Herr Battistic, und dabei doch ein armer Teufel sein. Er war's. Wurde am Morgen für ein Gesellschäftchen aus Triest ein Abendessen bestellt, dann war mein Freund in Verzweiflung, kein Geld, kein Kredit und keine Ware. Er war nicht mehr zu sprechen, er irrte in seinen Schlappschuhen durch die Gemächer, er irrte durch die Stadt, verwünschte seine beschränkten Verhältnisse und raufte sich das dunkle Haar.

      Jedesmal wurde das Wunder neu. Wenn die Gäste kamen, war ein Essen da, wie man es nur auf der Post zu Monfalcone bekommt. Herr Battistic glänzte vor Vergnügen, sprach geistreich, und keiner seiner Gäste lernte ihn anders denn als einen Gentleman kennen. War man aber vertrauter, so machte er aus seinen bedenklichen Umständen kein Hehl.

      »Aber sagen Sie mir, wie kamen Sie denn in eine solche Lage, Sie, der kluge, lebenserfahrene Mann?« fragte ich ihn einmal.

      »Das kommt von meinem Hausregiment«, sagte er, »das kommt davon, daß meine Köchin und meine Kellnerin die größten Schelme sind auf der Welt. Brauch' ich im Tag einen Liter in der Wirtschaft, so trinken die beiden heimlich drei; bleibt von einer Mahlzeit ein Rest, den ich wieder verwenden könnte, so ist er fort, ehe ich danach sehen kann, und frage ich, wohin die Dinge gekommen seien, so antworten die beiden aus einem Mund: »Wir wissen es nicht, wir sind ganz unschuldig, Patron.« Zuweilen erwische ich sie aber doch.«

      »Wie so denn?«

      »Nun, bald so, bald so. Ich habe schon eine Purgaz in den Wein getan. Sie können sich nicht vorstellen, was das für ein Rennen gab; aber bekannt haben die Weiber nicht. Ich habe auch einmal Hundsexkremente auf einen Teller gelegt und überzuckert; da haben sie, nachdem sie es zum Munde geführt, schrecklich gespien; aber gebessert haben sie sich nicht.«

      »Dann entlassen Sie die Unverbesserlichen.«

      »Ich kann nicht. Die Köchin ist die beste Stütze des Geschäftes, an die andere bin ich mich auch gewöhnt, und Wechseln würde doch nur den Tausch eines Schelmes mit einem Dieb bedeuten – mein Gott, hätte ich nur 2000 Gulden, in zwei Jahren wäre ich Rentier.« Herr Battistic wußte Dutzende von Gelegenheitskäufen in Smyrna, in Bombay, ein großer Spekulant ist an ihm verloren gegangen.

      Allein die Malerei hilft ihm über die Misere des Lebens weg. Er malt in einer Art von Loggia, aus der man in den Hof seines Hauses sieht. Eine wirre Sammlung von Muscheln, ausgestopften Vögeln, selbstgemalten Bildern und aus Büchern ausgeschnittenen Holzstichen bringt die nötige Stimmung in sein Arbeiten. Steht er an der Staffelei, so hüllt er seine Gestalt in einen Schleier von Zigarrenrauch, aus dem das sonnige Gesicht des Künstlers in sanfter Verklärung strahlt, und so entstehen unter seinem Pinsel Strandlandschaften, Meerbilder, Jäger, Fischer, Netze und Wild.

      Mit diesem Künstler, und jovialen Gesellschafter, von dessen Naturerkenntnis und Jägererfahrung man, so oft er erzählte, das Sprichwort »Se non è vero, è ben trovato« anwenden mußte, bin ich immer gern einen Weg gewandert; er hat mir auch einen wesentlichen Dienst geleistet, eine kleine Sammlung von Muscheln und Krebstieren der nördlichen Adria hübsch präpariert.

      Hier muß ich auch noch eines andern lieben Mannes gedenken, des Herrn Primosciz, Schulleiter in Monfalcone, der mich eben so sehr durch seine Herzensgüte als durch seinen aufgeschlossenen Natursinn sympathisch an sich gefesselt hat.

      Dort, fast dem Gasthof zur Post gegenüber, steht das Schulhaus, in dem er mit fünf andern Kollegen wirkt. Es ist ein enger, abstoßender Bau und furchtbar mit Schülern überfüllt; allein es ist Hoffnung vorhanden, daß die Stadt in einigen Jahren ein würdiges Heim für die heranwachsende Jugend baut.

      Sonst bildet das Schulwesen ein trübes Blatt im furlanischen Volkstum. Es fehlt nicht immer an gebildeten Lehrern und in den Schulen nicht an guten, allgemeinen Lehrmitteln, für den Anschauungsunterricht sind sogar vorzügliche und reiche Bilder da, auch die Bücher der Jungen sind nicht ungeschickt abgefaßt, doch vielleicht etwas zu hoch; aber es fehlt die Hauptsache: Die Schule hat im Volk keine Wurzeln, man betrachtet sie als eine von der Regierung aufgebürdete Last, und das Obligatorium derselben wird durchbrochen, wo immer es geht. Nicht nur einmal sind mir draußen in den Pächterhütten der Campagna zehn- und elfjährige Rangen begegnet, die noch über keine Schulschwelle getreten waren.

      Herr Primosciz und ich, wir sind häufig miteinander gewandert hinab ans Meer, hinaus in die Campagna, hinein ins Gebirg – und manch ein Merkwürdiges, das ich dort gesehen, habe ich seiner Führung zu verdanken.

      Ein Lieblingsziel war mir stets der Porto Rosega, der Hafen von Monfalcone. Man spaziert in einer halben Stunde dorthin, und so oft man kommt, sieht man etwas Neues.

      Der Hafen selber ist zwar nur ein ins Land einschneidender Kanal von etlichen Metern Breite. Nichtsdestoweniger gehört er zu den besten der adriatischen Nordküste.

      Und welch einen herrlichen Blick hat man, wenn man auf der äußersten Spitze seines Molo steht. Man sieht ein Golfoval, das zu den schönsten Stellen des Mittelmeeres gerechnet wird. Man hat den steilen Küstensturz von Duino und darüber die uralte gewaltige Veste selbst, wo die deutschen Kaiser auf ihren Italienfahrten gerastet, wo der Geist Dantes umgeht, man hat gerade vor sich Miramare, das Tränenschloß, zur Rechten Triest, sich hell und klar von silbergrauen Olivenhängen hebend, und noch ein paar istrianische Städte: Capo d'Istria, Isola und auf verblauendem Vorgebirg Pirano. Dazwischen liegt der von hellen Segeln belebte herrliche Golf, der bald wie Silber glänzt und gleißt und bald wie ein großes Träumerauge in stiller Ruhe blaut.

      Die Ebbe des Golfes, die im Mittel nicht mehr als


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