Edgar Wallace-Krimis: 78 Titel in einem Band. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
identisch.«
»Ist das wirklich Ihre Meinung?«
»Gewiß! Der interessante Abschnitt in dem Testament des verstorbenen Mr. Farrington bestätigt meine Ansicht. Das Testament war besonders zu dem Zweck abgefaßt, mich irrezuführen. Vor kurzem sind erst wieder Briefe aufgetaucht, die die Unterschrift Montague Fallocks tragen und von prominenten Persönlichkeiten in erpresserischer Weise Geld fordern. Dies bestätigt meine Annahme.«
»Wo hält sich Montague Fallock zur Zeit auf?«
»Er wohnt im ›geheimnisvollen Haus‹.«
»Dann scheint es mir aber doch sehr leicht, ihn dingfest zu machen«, meinte Sir George erstaunt. »Haben Sie in dieser Angelegenheit schon etwas unternommen?«
Mr. Smith schüttelte den Kopf.
»Es ist nicht so einfach, wie Sie denken. Das ›geheimnisvolle Haus‹ birgt mehr Rätsel, als wir im Augenblick lösen können. Es wurde von einem geschickten und in technischen Dingen außerordentlich bewanderten Mann eingerichtet, wie es Farrington zweifellos ist. Das Hauptmotiv für die Erbauung war wohl, ihm einmal Gelegenheit zu geben, sich im Notfall der Gefangennahme und Bestrafung zu entziehen. Ich bin mir darüber klar, daß ein Versuch, das Haus zu überfallen, nur dazu führen würde, daß der Vogel ausfliegt. Wir müssen geduldig warten.«
»Ich kann eigentlich nicht recht verstehen«, sagte Sir George nach einer Weile, »warum er unter so dramatischen Umständen verschwunden ist.«
»Das ist noch am ehesten zu erklären. Er fürchtete sich, er wußte, daß ich ihn als den gesuchten Montague Fallock identifiziert hatte; er wußte auch, daß ich ihn stark verdächtigte, die beiden Männer am Brakely Square erschossen zu haben. Sehen Sie denn nicht, wie alles ineinandergreift? Er brachte von den verschiedensten Städten des Festlandes und zu verschiedenen Zeiten Handwerker nach Great Bradley, die das Haus fertigzustellen hatten. Obgleich er den Bau vor dreißig Jahren begann, ist das Haus erst in den letzten Jahren fertig geworden, und die letzten Einbauten waren die wesentlichsten. Ich habe herausgebracht, daß die beiden Leute, die am Brakely Square erschossen wurden, unabhängig voneinander engagiert waren, um bestimmte Änderungen an dem Hause vorzunehmen und gewisse Maschinen darin einzubauen.
Farrington hörte, wie die beiden miteinander stritten, das hat er selbst zu Protokoll gegeben. Er stand in der Nähe der Tür und sah, wie sie ihre Pistolen zogen. Nun hielt er den Augenblick für gekommen, sich dieser drohenden Gefahr zu entledigen. Er erschoß sie vom Hausflur aus, schloß die Haustür hinter sich und legte die Pistole in eine Schublade seines Schreibtisches. Er war zeitig genug wieder unten, um die Polizisten bei ihrer Ankunft zu empfangen und ihnen zu erzählen, wie sehr er erschrocken sei. Ich roch den Pulvergeruch sofort, als ich sein Haus betrat. Der Geruch von Cordit ist nicht zu verkennen, besonders, wenn der Schuß in einem so engen Raum wie einem Hausflur abgefeuert wird. Lady Dex war ebenfalls dort. Sie muß Zeugin der Schießerei gewesen sein.«
»Warum kam sie denn dorthin?«
»Entweder um Farrington seine Verbrechen vorzuhalten oder um sich zu vergewissern, ob die Geschichte, die George Doughton ihr in seinem Brief berichtet hatte, auf Wahrheit beruhte.«
»Aber warum konnte denn Farrington nicht auf einfacherem Weg verschwinden? Warum mußte er überhaupt verschwinden?« fragte Sir George. »Er hatte doch in der City allgemein Kredit, außerdem verwaltete er das Vermögen seiner Nichte. Er konnte doch Ihren Verdacht entkräften; jedenfalls scheint es mir nicht seine Art gewesen zu sein, sich durch solche Kleinigkeiten aus der Fassung bringen zu lassen.«
»In diesem Punkt bin ich meiner Sache auch nicht ganz sicher. Ich muß zugeben, daß sein Verschwinden mit seinem sonst bekannten Charakter nicht in Einklang zu bringen ist. Er hatte das Verfügungsrecht über das Vermögen seiner Nichte, der er zweifellos sehr zugetan war. Ihre Erbschaft ist übrigens im nächsten Monat fällig. Ich glaube nicht, daß das irgend etwas mit der Angelegenheit zu tun haben könnte. Wenn er sich an ihrem Geld vergriffen haben sollte oder wenn er das ihm anvertraute Vermögen bei Spekulationen verloren hätte, könnte man das verstehen, aber sein Tod würde dann das Geld auch nicht wieder herbeischaffen.«
»Was werden Sie nun unternehmen?«
»Ich halte das ›geheimnisvolle Haus‹ unter dauernder Bewachung und habe alle Vorsichtsmaßregeln ergriffen, damit sich Farrington nicht irgendwie bedroht fühlt. Ich mache sogar den Versuch, ihn wieder herauszulocken. Wenn ich ihn erst einmal außerhalb des Hauses habe, müßte er ungewöhnlich schlau sein, um dann noch zu entkommen.«
»Und Poltavo?«
»Der ist augenblicklich in der Stadt«, erklärte Mr. Smith. »Ich glaube, daß wir verhältnismäßig leicht mit ihm fertig werden. Er ist offenbar ein Agent unseres Freundes Farrington. Und er ist entsetzlich stolz und eingenommen von sich selbst!«
14
Es war so, wie Mr. Smith gesagt hatte. Poltavo war von seinem kurzen Aufenthalt in Great Bradley zurückgekommen, verkehrte wieder in der Gesellschaft und hatte dabei mehr Glück als jemals vorher.
Über seine pekuniäre Lage war man immer im Zweifel gewesen, und vorsichtige Leute hatten gezögert, bevor sie diesen gewandten Mann zu sich einluden. Man wußte auch nicht genau, ob er den Adelstitel mit Recht führte. Im Gothaer Adelskalender waren ungefähr sechs Familien Poltavo aufgeführt, und Graf Ernesto konnte jeder dieser Familien entstammen, denn die polnische Aristokratie war nicht scharf umgrenzt, und es war aus diesem Grunde unmöglich, festzustellen, zu welcher Familie er eigentlich gehörte. Er selbst beantwortete alle Fragen, die in dieser Beziehung an ihn gerichtet wurden, mit einem geheimnisvollen Lächeln, aus dem man alles mögliche entnehmen konnte.
Aber als er jetzt nach kurzer Abwesenheit nach London zurückkehrte, konnte man ihn nicht mehr vom gesellschaftlichen Verkehr ausschließen, weil er nicht das genügende Geld besessen hätte. Am Tage seiner Rückkehr mietete er ein Haus in Burlington Gardens, kaufte zwei Automobile und zahlte eine Extrasumme in bar, damit sie zu einem früheren Termin geliefert würden. Er vergab große Aufträge an viele Geschäfte, um sich selbst und seine Wohnung besser auszustatten. In achtundvierzig Stunden war sein Heim so kostbar eingerichtet, daß man annehmen mußte, der Besitzer hätte stets in dieser Umgebung gelebt.
Poltavo hatte seine Lektion erhalten und viel dabei gelernt. Es war ein unangenehmes Erlebnis gewesen, obwohl er Dr. Fall und Mr. Farrington nicht dafür verantwortlich machen konnte. Aber die Tatsache, daß er dem Tod ins Angesicht geschaut hatte, machte ihn nervös und störte sein Gleichgewicht.
»Sie müssen mir trauen, mein Freund«, sagte er zu sich selbst, als er vor seinem neuen Schreibtisch in seinem neuen Arbeitszimmer saß, in dem es noch nach frischer Farbe roch. »Sie mögen mir trauen, solange ich es für ratsam halte. Aber seien Sie sicher, daß ich niemals wieder zu Ihnen in das ›geheimnisvolle Haus‹ gehen werde.«
Er war mit einer großen Geldsumme zurückgekommen, um die Aufträge und Pläne seines Herrn auszuführend Über das ganze Land waren ungefähr hundert Agenten verteilt, über die Poltavo nun allerhand Aufschlüsse erhalten hatte. Manche von ihnen wußten nicht, um was es sich handelte, andere waren eingeweiht, einige bekleideten hohe Stellungen, viele waren Dienstboten und Angestellte. Zweifellos war »der schlechte Ruf« eine sehr nützliche Einrichtung.
Farrington hatte aus dem Verkauf der Zeitungen nicht viel Gewinn gezogen. In manchen Jahren hatte er sogar mit Verlust gearbeitet. Aber er zahlte ständig sehr gut für Beiträge, die ihm eingesandt wurden, ja er bot Preise, die das sonst übliche Durchschnittshonorar weit überschritten.
Männer und Frauen, die sich an anderen rächen wollten, sandten ihm Berichte ein, die veröffentlicht wurden, wenn der Betreffende nicht ungeheure Schweigesummen zahlte.
Häufig liefen Artikel und Beiträge ein, die man unmöglich drucken konnte. Trotzdem wurden die Einsender reichlich