Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
Sie Ellen …«
Er hatte gut reden! Ellen wußte nun, was sie zu sagen hatte. Ich blickte sie an, und sie … streichelte Ramses’ Kopf und nahm keine Notiz von mir.
»Sie wollten also mit der Brigg die kleine Insel wieder ansteuern, Baron?« begann ich von neuem.
»Ja. Wir hätten uns Ihnen gezeigt, wenn wir Sie nicht für Strandräuber gehalten hätten. Verzeihen Sie, Ihr Äußeres wirkt ein wenig wild, Mr. El Gento.«
»Nun gut … Wie hofften Sie denn eine einzelne Insel im Pazifik zu finden, die Sie nur zufällig entdeckt haben wollen?!«
»Wir mußten es doch wenigstens versuchen … Unsere Freunde sind dort in der Gewalt der Insulaner. Es war Pflicht, ihre Befreiung mit aller Energie zu betreiben.«
»Ja – Energie haben Sie, das glaube ich.«
Sollte ich noch weiter fragen?! Hiruto gegenüber hieß es, mit gleichen Waffen kämpfen. Er log mit echt asiatischer Kaltblütigkeit. Er würde auch weiter die Tatsachen verschleiern. Es hatte keinen Zweck, ihn etwa zwingen zu wollen, die Wahrheit einzugestehen. Er würde dies niemals tun, selbst dann nicht, wenn wir sein Blut aufs neue die polierte Wand besudeln ließen.
Ich fügte hinzu: »Baron, Ihre Angaben erscheinen widerspruchsvoll, aber immerhin auch glaubwürdig, denn es läge ja für Sie kein Grund vor, uns zu täuschen. Wir werden Ihnen helfen. Die Insel muß doch auf einer Seekarte zu finden sein, und das Kartenmaterial Ihrer Brigg ist vorzüglich.« Ich deutete auf den Kartenständer.
»Allerdings,« nickte er. »Heutzutage gibt es keine Insel auf den Weltenmeeren, die nicht vermerkt wäre. Jede Klippe ist festgelegt. Aber … das Eiland dort im Westen ist nicht eingezeichnet, und das ist das sonderbare. Ich bin nicht nur Großreeder, ich bin auch Seemann, Mr. El Gento. Ich betone: die kleine Insel war bisher völlig unbekannt.«
»Dann kann es sich nur um ein Gebilde vulkanischen Ursprungs handeln.«
»Mag sein. Die Insel besaß keinerlei Pflanzenwuchs, war nur ein wüster Haufen von Felsen, faulenden Seepflanzen und verwesenden Fischen. Aber eine Quelle klaren Süßwassers fanden wir trotzdem.«
»Wir wollen später die Einzelheiten erörtern,« lenkte ich ab. »Ich werde Sie nun verbinden …«
Freund Chubur hatte sich zuletzt auffällig schweigsam verhalten. Aus seinen ehernen Zügen war schwer herauszulesen, was er zu alledem zu sagen hatte. Seine scheinbare Gleichgültigkeit machte mich stutzig. Als ich aus der Schiffsapotheke das Nötige herbeiholte und nun auch Ellen Duncam sich erhob und mir geschickt half, verschwand er lautlos aus der Kajüte. Unbestimmte Sorge beschlich mich, daß er womöglich die Araukaner aufwiegeln und mir das Spiel verderben könnte.
Das Abbinden der Adern nahm eine reichliche halbe Stunde in Anspruch. Viel gesprochen wurde dabei nicht. Der Baron verzog keine Miene, obwohl es ohne Schmerzen nicht abging, und Ellen schien bedrückt und verlegen und zog sich nachher sofort in ihre Kabine zurück. Die Brigg besaß deren vier, außer der Kapitänskajüte und den Seitenkammern. All diese Räume lagen im Heckaufbau. Die Kabinen hatten ihren eigenen Zugang vom Hinterschiff aus. Der Baron, den Arm in der Schlinge, wollte mich an Deck begleiten. Ich riet ihm, sich besser auszuruhen. Seine Kabine lag der Ellens gegenüber.
Die Nacht war im Schwinden. Als ich das erhöhte Heck betrat, lehnte Chubur, eine Zigarre im Munde, am Steuer. Neben ihm saß Chanaf auf der Reling. Mein Blick überflog prüfend ihre Gesichter.
Chubur zog die Mundwinkel herab und begegnete meinen Augen mit einem hochmütigen Grinsen.
»Alles Lüge,« knurrte er … »El Gento etwa Binde vor Augen haben?!«
»Ach nein, mein lieber Chubur,« erwiderte ich leise. »Der Japaner log wie gedruckt. Wir tun jetzt dasselbe und geben uns den Anschein, als ob wir ihm glauben. Nur so werden wir hinter seine Geheimnisse kommen.«
In Chuburs schwarzen Augen blinkte es freudig. Er drückte mir die Hand. »El Gento, gut so … gut so …!! – Insel – – alles Lüge, – auch Namen Lüge …! Brigg nicht sein von Japan … Amerikanische Motoren, amerikanischer Kompaß, – – alles Lüge! Wir aufpassen, sein gefährlich die beiden!«
Ich setzte mich neben Chanaf. Im Osten wölbte sich schon über dem Horizont der helle Bogen des nahenden Tages. Das seltsam bleigraue Licht der ersten Dämmerung hatte etwas Beklemmendes.
»Der Japaner wollte, daß wir nach Westen steuern,« sagte ich mit einer Handbewegung, die meine Zweifel unterstrich. »Steuere Nordwest, Chubur … Er lügt. Wenn es eine Insel hier in der Nähe gibt, liegt sie dort …«
»Kurs genau Nordwest,« meinte Chubur nur und schob die Zigarre in den anderen Mundwinkel. »Wir nun schlafen, El Gento … Chanaf steuert, und Manik mit Büchsen vorn bleiben … Das genügen … Manik schießen und treffen.«
Ich gähnte. »Mögen Sie merken, daß wir mißtrauisch sind. – Wo sind die Gasapparate, Chubur?«
»Vorn, wo unsere Kojen, El Gento. Werden immer im Auge behalten … So was noch nicht kennen …« Er krauste die mächtige Stirn. »Das gut sein, wenn wirklich Insel geben und Insulaner und Kämpfe …« Er entblößte die Oberzähne, so stark zog er die Lippe im Vorgefühl ernster Zwistigkeiten hoch. »Vielleicht wirklich Insel vorhanden. Vielleicht …« Er strich gewohnheitsgemäß die blaurote lange Narbe entlang, die von seiner linken Schläfe bis zum Kinnabsatz hinablief. »Narbe jucken, El Gento … Riechen Pulver …« Er lächelte versonnen. Er dachte wohl flüchtig an die Kugel, die ihm im Liegen diese Furche durch die Visage gekerbt hatte.
Chanaf griff in die Radspeichen, und ich schritt der Hintertür des Deckaufbaus zu. Die vier Kabinen lagen rechts und links von einem schmalen Mittelgang. Geradeaus war eine fünfte Tür, Bad und Toilette. Bisher hatte ich in der Kapitänskajüte geschlafen. Sie war jedoch noch nicht von Hirutos Blut gesäubert worden, und so hatte ich einen guten Vorwand, mich neben Ellen für jetzt einzulogieren.
Ich hatte den Gang sehr leise betreten und die Gangtür ebenso leise geschlossen. Der Kokosläufer war dick, und meine Stiefel, Marke Araukania vom Gallegos, waren weicher als Morgenschuhe. Ich blieb stehen und horchte. Das Mißtrauen gegen Ellen und den Japaner war noch stärker geworden – nur dadurch, daß Baron Hiruto die Insel plötzlich nach Westen verlegt hatte. Dabei hatte er die Brigg doch nachts regelmäßig nach Nordwest laufen lassen. Wir sollten also die Insel nicht finden. An ihrer Existenz zweifelte ich nicht mehr.
Ich horchte. Rechts neben mir war Hirutos Kabinentür. Ein Wispern von Stimmen erreichte mein Ohr. Ich drückte den Kopf an das kühle Mahagoniholz, und ich verstand einige Brocken, die jedoch keinerlei Zusammenhang ergaben. Der Japaner sprach offenbar sehr eindringlich auf Ellen Duncam ein. Sie schien anderer Ansicht, ich vernahm ihr Schluchzen, dann rief der Baron halblaut:
»Ihr Vater würde lieber sterben als dieses Geheimnis preisgeben!!«
Pause …
Und nun Ellen – heiser, schrill, wie in quälender Angst:
»Ohne El Gento und die Araukaner erreichen wir nichts, wir beide! Und Gorry ist doch …«
Ihre Stimme sank, von Tränen erstickt, und mich trieb’s weiter in die Kabine 4. Ich hatte genug gehört.
Ich trat lautlos ein. Wir hatten auch diesen Raum schon gründlich durchsucht. Er enthielt zwei Klappbetten und gefällige Möbel. In dem eingebauten Schranke hingen verschiedene Herrenanzüge, lag Herrenwäsche, andere Kleidungsstücke. Der Waschtisch war mit Dingen belegt, die einem Kulturmenschen Bedürfnis: Tuben, Bürsten, Büchschen, Handspiegel, Rasierapparat. – Das Fenster ging nach der Steuerbordseite hinaus, hatte dicke, bleigefaßte Scheiben und außen ein Gitter von zierlicher Form.
Ich warf mich auf das Bett. Durch das Fenster fielen schräg die ersten Strahlen der Morgensonne herein. Ich war müde und abgespannt. Wir hatten schwere, unruhige Tage hinter uns und vielleicht würde die Zukunft noch höhere Anforderungen an meinen Körper stellen. Ich wollte einschlafen. Es wurde nur jener peinvolle Zustand von halbem Wachsein, in dem das geringste Geräusch die gereizten Nerven ins Schwingen