Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
die nassen Augen auf … Sah nichts. Mein Gaul, ich – mitten in einer Staubwolke … Ich fühlte es … Fühlte nun auch die Kraft des ersten Sturmstoßes, hörte das Brausen und Jaulen des Orkans …
Der Fuchs brach nach links aus – floh vor dem Sandsturm. Ich hatte alle Macht über ihn verloren …
Das Prickeln hatte ich nun im Genick, und meine sandgefüllten Augen schwemmten durch reichlichen Tränenerguß für einen Moment die beißenden Körnchen hinweg. Ich sah … Sah nichts … denn rundum nur fliegenden Sand, dicht wie aus einem Gebläse kommend, mit ebensolcher Kraft …
Aber auch in diesem unheimlichen Nebel von feinsten Sandkörnchen gab es lichtere Stellen. Und gerade als ich eine solche Stelle erreicht hatte, als meine Augenlider sich weiter öffnen durften und die schützenden Wimpern nicht mehr als Schleier wirkten, tauchte rechts von mir wie ein Gespenst ein Reiter auf. Nicht Coy Cala … Nein – es war die Reiterin von gestern, war die angeblich hellhäutige blondhaarige Tehuelchin …
In rasender Gangart preschte sie dicht an mir vorüber … Eine helle Stimme rief mir dabei in reinstem Englisch etwas zu, eine linke Hand winkte … winkte befehlend. Beides verstand ich nicht, weder Worte noch Gesten … Aber Englisch war’s gewesen, reines Englisch … Nur der Sturm hatte die Silben zerfetzt, und außerdem war die freie Lücke in den wirbelnden Sandmassen auch so klein, daß ich bereits wieder inmitten der prickelnden, sausenden Wolken mich befand, bevor mein Hirn den Eindruck dieser flüchtigen Begegnung mit der Fremden richtig verarbeitet hatte.
Mein eigener Gaul hatte, wahrscheinlich völlig blind durch die Sandkörner, von diesem kurzen Intermezzo offenbar nichts gemerkt und raste im selben Tempo weiter …
Nur noch Sekunden. Dann – sprang er ins Leere …
Wir schwebten in der Luft …
Eine Schlucht, zuckte es mir durchs Hirn, blitzartig …
Ein harter Stoß … Ich flog aus dem Sattel. Noch ein Stoß, als sollten mir alle Knochen brechen.
Vorbei …
4. Kapitel
Borneo-Erinnerungen
Ich war in meinem Leben, das infolge meines Ingenieurberufs bisher – also bis zu meiner Abkehr von der sogenannten Zivilisation – auch bereits in aller Herren Länder in buntem Auf und Ab dahingeflossen war, nur ein einziges Mal verschüttet worden und zwar im Himata-Tale auf Sumatra beim Bahnbau. Damals war eine ungeheure Geröllhalde, die wir stark genug abgestützt zu haben glaubten, ins Rutschen gekommen, und lediglich meine Geistesgegenwart – ein Sprung in eine Einbuchtung der Talwand, rettete mich vor dem Zermalmtwerden, sperrte mich aber auch volle drei Tage in dem Felsloche ein. Halbtot wurde ich endlich befreit. Was mir damals passiert, hatte sich nun hier im südlichsten Patagonien in ähnlicher Art wiederholt. Als ich zu mir kam, war ich bis zum Halse in Sand eingebettet. Der Druck der Sandmassen auf meinen Leib war so stark, daß ich noch tagelang Schmerzen in der Bauchmuskulatur empfand. Aber mein Kopf war frei. Ich konnte atmen, konnte auch den rechten, nach oben ausgestreckten Arm unschwer aus dem feinen Geriesel der immer wieder nachfallenden Sandmengen befreien. Sehen konnte ich nichts. Um mich her herrschte die vollkommenste Finsternis. Außer den Schmerzen im Leibe, der flach wie ein Fladen gepreßt sein mußte, hatten mich noch andere Schmerzen geweckt.
Ich lag mit wirrem Kopf die ersten Stunden regungslos. Meine stählerne Konstitution hatte die Folgen der tiefen Ohnmacht dann sehr bald überwunden. Mein Kopf klärte sich, die Gedanken flossen leichter und die Erinnerung erwachte: Sandsturm, Sturz mit dem Pferde in die Tiefe!
Ich hatte Glück gehabt – wieder einmal! Ich war so gefallen, daß mein Kopf in eine Vertiefung der Wand der Regenschlucht hineingeraten war. Der Sand hatte mich nicht erstickt, und die Gewißheit, mich mit den Händen herausschaufeln zu können, feuerte all meine Lebensgeister aufs höchste an. Wer den Sensenmann dicht neben sich gesehen und dennoch entwischt ist, fühlt nachher die Kräfte dreier Männer, wenn er eben selbst ein Mann ist – vom Schlage Coys, Chuburs, Chicos und meiner weißen Kameraden Boche Boche und Näsler die nun längst wieder in untadeligem Habit in der Kulturwelt die große Herdenstraße des Menschentums dahinwandern.
Ja – ein anderer Schmerz noch!
Damals habe ich mein halbes linkes Ohr verloren und die Narben an der Nasenspitze erhalten – – durch Mäuse, wie ich gleich sagen will, durch vor Hunger toll gewordene grünbraune Pampasmäuse, die friedlich sonst neben den Gürteltieren ihre Nahrung in der Steppe suchen – sonst!
Das Bild ändert sich nach schweren Sandstürmen. Das ganze Mäuseheer des vom Sturme betroffenen Gebietes befällt dann, da Gras und Strauch überall vom Flugsand begraben sind, instinktiv der Wandertrieb. Ebenso instinktiv vereinen sich die Mäuse zu einer geschlossenen Kolonne, die – ein kleines, nie geklärtes Wunder – mit unfehlbarer Sicherheit den kürzesten Weg nach neuen Wohnplätzen, wo der Sturm nicht getobt, einschlägt. Dieses Mäuseheer hat als ständige Begleiter Wildhunde, Pampaskatzen, Füchse und geflügelte Räuber, die unter den kleinen Nagern gehörig aufräumen. Ich habe später nur noch ein einziges Mal eine solche Mäusewanderung, freilich unter günstigeren Umständen, miterlebt.
Diesmal waren die Umstände für mich so ungünstig wie nur irgend möglich.
Doch – eins nach dem andern …
Sehen konnte ich nichts …
Ich fühlte, hörte …
Um mich her war ein dauerndes Huschen und Rascheln, leises Piepen, schrilles dünnes Pfeifen.
Und Finsternis …
Dann huschte etwas über mein Gesicht. Ich spürte feine Krallen.
Und – einen Biß in die Nasenspitze …
Gleichzeitig einen stechenden Schmerz im linken Ohrläppchen …
Bisher hatte ich mich nicht geregt. Jetzt hob ich den Kopf … Befreite mit einem Ruck den rechten Arm von der Sandlast, wußte noch immer nicht, was um mich her vorging. Der Gedanke an Mäuse kam mir nicht. Ich habe erst später durch Coy über das Mäuseheer Einzelheiten erfahren. Ich dachte an Moschusratten, die ja weit seltener, dafür aber auch frecher sind.
Ein warmes Rieseln an Ohr und Nase sagte mir dann, daß ich an diesen Stellen blutete.
Kaum hielt ich den Kopf wieder still, als auch schon die unsichtbaren kleinen Feinde von neuem angriffen. Eine ganze Anzahl huschte mir über das Gesicht. Wütend packte ich zu, erwischte ein winziges, quiekendes Geschöpf und schleuderte es in das Dunkel zur Seite, hörte es gegen Gestein klatschen …
Da ward ringsum die Hölle lebendig … Da wußte ich: Mäuse – ungezählte!!
Und das trieb mich hoch …
Erst mal auch den linken Arm aus dem Sandbett heraus …
Und dann schaufelte ich … schwitzte, keuchte.
Der Sand rutschte nach …
Immer wieder …
Eine entsetzliche Arbeit … Unterbrochen durch die Verteidigungsmaßnahmen gegen die kleinen Bestien, die der Hunger jede Scheu vor dem Menschen, vor der menschlichen Witterung vergessen ließ.
Ja – sie griffen an …
Sie sprangen mir ins Genick, ins Gesicht, bissen sich in meine Haut ein, – eine fiel mir zwischen Lederwams und Hemd am Genick bis in den Rücken. Ich quetschte sie tot. Ich hatte mein Jagdmesser, Coys Geschenk, glücklich aus der Scheide ziehen können … Sofort fiel der Sand wieder nach …
Ich schlug mit dem langen haarscharfen Messer um mich. Coy hat nachher eine Stunde gebraucht, die Scharten wieder herauszuschleifen. Ich fühlte, daß der Felsboden neben mir wie ein beweglicher Samtteppich war – alles Mäuse … Mäuse …
Ich kämpfte