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Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.

Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik - Andreas Suchanek


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      »Egal wie!«, entfuhr es Leonardo. »Irgendein Zauber hätte es schon möglich gemacht.«

      Johanna schüttelte den Kopf. »Das hat die Wächtergruppe seit Jahren versucht. Weder wir noch die Schattenkämpfer konnten die Linien verfolgen. Und das ist gut so. Andernfalls würde jeder versuchen, einzugreifen.«

      Der andere Unsterbliche betrachtete den toten Wächter. »Bist du dir denn absolut sicher, dass sie es nicht können?«

      Johanna rang mit sich. »Ja, das bin ich.«

      Er wollte bereits etwas über Irrtümer sagen, die einen auf den Scheiterhaufen bringen konnten – obgleich das natürlich unfair gewesen wäre –, als er zusammenzuckte.

      »Ich habe etwas«, verkündete der Mediker im gleichen Augenblick.

      Gemeinsam traten sie näher.

      In der Luft entstand ein Wabern, dann fiel der Illusionierungszauber zusammen.

      »Wow.« Leonardo wich einen Schritt zurück.

      Johanna hob die Hand vor die Nase. »Wie lange ist er schon tot?«

      »Wochen«, sagte der Mediker.

      »Todesursache?«

      »Noch unbekannt.«

      Johanna nickte. »Danke.«

      Gemeinsam verließen sie den Untersuchungsbereich. Von hier würde der Körper – die Überreste davon – zu einem der modernen Labore im oberen Bereich gebracht werden. Während hier unten die magischen Untersuchungen stattfanden, war es dort oben an der Wissenschaft, Antworten zu finden.

      Auf dem Gang blickte Leonardo sich vorsichtig um. Sie waren alleine. »Wenn die Gruppe schon länger tot war, haben sie wohl kaum einen Kampf gegen den Bund des Sehenden Auges ausgefochten. Das war eine Falle. Jemand hat den Bund auf den Folianten aufmerksam gemacht, nachdem die Wächtergruppe schon tot war. Bis auf einen, der scheinbar tagelang überlebt hat. Der Angriff auf Mark …«

      »Niemand wusste, dass er und Jennifer es sein würden, die nach England gehen. Es kann nichts mit ihm zu tun haben.« Johanna seufzte. »Beim Rest stimme ich dir zu. Aber warum hätten die Schattenkämpfer den Folianten zurücklassen sollen?«

      Leonardo ließ seine Gedanken schweifen. »Möglicherweise ging es tatsächlich um Mark. Den Grund für die Angriffe der letzten Zeit konnten wir nie klären.«

      »Eine Spezialtruppe hat ihn heimlich überwacht, er wusste nicht einmal, dass wir das Muster entdeckt hatten«, sagte Johanna. »Soweit mir bekannt ist, hat er seinem Team nichts davon erzählt.«

      »Wenn du allerdings recht hast und Mark nur ein Kollateralschaden war, dann ging es um den Folianten. In dem Fall ergibt ihr Verhalten keinen Sinn. Es sei denn, die Schattenkämpfer konnten den Illusionierungszauber nicht alleine lösen.« Er schnippte. »Natürlich. Sie haben Lichtkämpfer in das Herrenhaus gelockt, damit diese den Folianten für sie finden.«

      »Und überlassen ihn dann dem Bund des Sehenden Auges?«, warf Johanna ein. »Ein toller Plan. Wirklich.«

      »Möglicherweise kennen wir nur das Ende noch nicht. Der Bund mag ja streitlustig sein, aber gegen eine Horde Schattenkämpfer …«

      »Das mögen ja machtlüsterne Irre sein, aber ihre Pläne sind meist überraschend effektiv. Der dunkle Rat wird es uns nicht leicht machen, den Folianten zurückzubekommen.« Bei diesen Worten sah er den Hass in ihrem Gesicht. »Und sie werden keinesfalls darauf verzichten.«

      Mochte es auch einhundertsechsundsechzig Jahre zurückliegen, der Verrat von dem, der sich ihr Freund genannt hatte, lastete noch immer schwer auf ihnen allen. So viele waren damals gestorben. In jener Nacht, als alles seinen Anfang genommen hatte.

      »Eines ist klar«, sagte Leonardo. »Der Graf von Saint Germain hätte den Folianten niemals aus der Hand gegeben, wenn er ihn einmal in seine gierigen Griffel bekommen hätte. Ich tendiere eher dazu, dass er nichts davon weiß.«

      Johanna hatte sich mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, hielt die Arme verschränkt. »Du glaubst, jemand handelt ohne das Wissen des dunklen Rates? Derjenige lebt gefährlich.«

      »Aber es passt«, gab Leonardo zu bedenken. »Als Jennifer Alexander Kent erreichte, war der Parasit bereits tot. Ich würde ja gerne glauben, dass unser Neuerweckter abrupt einen perfekten Feuerzauber angewendet hat, doch er lag in einem ziemlich starken Bannkreis. Irgendwie hängen der Foliant und Alexander Kent zusammen; zumindest sind sie Teile eines Plans, den die Schattenkämpfer geschmiedet haben.«

      Er sah in Johannas Gesicht, dass sie sich schon Gedanken darüber gemacht hatte. Immer mehr Rätsel schienen aus dem Nichts heraus zu entstehen, miteinander verbunden durch Elemente, die noch unsichtbar waren.

      »Also gut«, sagte sie. »Jennifers Team wird sich darauf stürzen, den Folianten zurückzuholen. Ich behalte alle im Auge. Allerdings werden sie Fragen stellen.«

      Leonardo durchdachte die Situation. Oft wünschte er sich, dass die Lichtkämpfer die Weisheit, die er, Johanna und die anderen Unsterblichen des Rates über Generationen hinweg angesammelt hatten, mehr respektieren würden. Doch es bestand kein Zweifel, dass Worte wie »Bitte, vertraut uns« nicht helfen würden. Im Gegenteil, es würde die Neugierde des Teams noch mehr anstacheln. »Alexander Kent wird in den nächsten Tagen sowieso damit beschäftigt sein, sich in einer völlig neuen Welt zurechtzufinden. Für die anderen … wir werden mit den Samthandschuhen nicht weiterkommen.«

      »Ich weiß«, seufzte Johanna. »Leider.«

      Die Ruhe tat gut. In seinem Leben war Stille eine Seltenheit.

      Alex stieg die Treppen hinab und bewegte sich durch das Castillo. Hier und da begegneten ihm Grüppchen, die in ein Gespräch vertieft vorbeieilten. Niemand schien seine Anwesenheit zu bemerken. In Gedanken sah er sich selbst in der Disco, tanzend zwischen drei Frauen, die er mit ein paar kleinen Magietricks beeindruckte.

      Was sich wohl aus ihrer Wohnung machen ließe? Er musste grinsen, wenn er daran dachte, dass er vielleicht ein paar Zimmer ergänzen konnte. Er ließ seine Fingergelenke knacken. Und um Dannys Schlägerclique konnte er sich ebenfalls kümmern.

      »Von wegen auf dem Besenstiel rumfliegen«, murmelte er. »Das wird ein Spaß.«

      Was würden wohl seine Freunde dazu sagen, Zac vor allem? Durfte er sich ihnen überhaupt offenbaren? Er hatte so viele Fragen, doch alle hier schienen mit dem Tod von diesem Mark beschäftigt zu sein.

      Der Gedanke stach ihm in die Magengrube. Immer wenn die Sprache darauf kam, dass er das Sigil eines Toten in sich trug – mittlerweile konnte er die von Bernsteinessenz umwehten verschlungenen Linien seiner Machtquelle im Inneren deutlich spüren –, fühlte er sich mies. Wie ein Leichenfledderer. Er schüttelte den Kopf, vertrieb die düsteren Gedanken.

      Als eine Lichtkämpferin in hautengen Jeans und weißem Pulli an ihm vorbeikam, pfiff er ihr beeindruckt nach. Eines war sicher: Die Jungs und Mädels hier waren ziemlich hübsch. Mit etwas Glück waren neben Kevin und Max noch mehr Typen schwul, das gab weniger Konkurrenz.

      Im Vorbeigehen sah er in die Räume, deren Türen offen standen. Neben verlassenen Büros und Trainingssälen erkannte er den Krankenflügel wieder. Hier war er erwacht. Bei dem Gedanken, verletzlich und dem Tode nahe gewesen zu sein, während andere über sein weiteres Schicksal entschieden hatten, ihr Können den Unterschied zwischen Leben und Sterben ausgemacht hatte, wurde seine Brust eng. Wenn er eines im Leben gelernt hatte, dann, dass man niemandem vertrauen durfte. Niemandem!

      Außer Alfie und seiner Mum hatte er keine Familie. Unweigerlich musste er grinsen. Die beiden würden Augen machen.

      Irgendwann stand er vor der Bibliothek. Seltsamerweise musste er nur einen Blick in einen Raum werfen und schon wusste er, wozu dieser diente. Wenn er Magier beim Zaubern beobachtete, vollendete er


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