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Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.

Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik - Andreas Suchanek


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Licht des Avakat-Sterns,

      die Erde getränkt in Blut.

      Die Zeit ist es,

      verbirgt vor euch, was euch lieb ist.

      Ein Riss, ein Netz, ein Bruch.

      Was einst war, wird wieder sein.

      Was nun ist, wird nie mehr sein.

      Feuerblut, Silberregen, Ascheatem.

      Aus Licht wird Schatten,

      Schatten erstarkt.

      Getrennt durch gestern, heute, morgen,

      wird Licht zu Dunkelheit.

      Ein Krieg am Anfang, am Ende, immerdar.

      Zwei Seiten im ewigen Streit.

      Schnee und Asche, Asche und Schnee.

      Ein Zyklus für die Ewigkeit.

      Die Schwere kehrte zurück. Jen sank zu Boden. Der Rauch verwehte. Obgleich sie ihm niemals begegnet war, so wusste sie doch, dass es Joshuas Stimme gewesen war. Er hatte durch sie gesprochen. Der letzte Seher, der gestorben war, als der Wall entstand, hatte die Zukunft gesehen und sie mit seiner Erbin über ein Jahrhundert später geteilt.

      Wie ferngesteuert schritt Jen zurück zu dem Folianten. Ihr Blick wurde wieder klar, das Silber verschwand. Erneut legte sie eine Hand auf die brüchigen Seiten des Werkes. Die Buchstaben krochen auf das Papier, setzten sich neu zusammen und bildeten lesbare Sätze.

      Doch es war nicht die Prophezeiung, die dort geschrieben stand. Stirnrunzelnd beugte sie sich über die gelbstichigen Seiten. Gedankenverloren zeichnete Jen ein magisches Symbol in die Luft und murmelte: »Fiat Lux.«

      Drei Kugeln erschienen. Geboren aus ihrer Essenz schwebten sie über dem Folianten und vertrieben mit ihrem warmen Licht die Schatten.

      Jens Blick glitt die Zeilen entlang, nahm die Informationen auf, die – endlich – offenbart wurden. Natürlich begriff sie sofort, dass das Werk nur einen Bruchteil des Wissens freigab, das in ihm niedergeschrieben stand. Da war mehr. Sie konnte es spüren. Etwas von Joshua haftete an den Seiten, dem Leder des Einbands, den uralten Worten. Der Foliant entschied selbst, welche Informationen er wann preisgab.

      Mochten die Prophezeiungen auch einstweilen ein Rätsel bleiben, so war der Text vor ihr doch in glasklaren Sätzen verfasst. Sie erreichte das Ende. Während die Tinte erneut einen Reigen tanzte und die Schrift unleserlich wurde, begriff Jen endlich, was die Schattenfrau plante.

      1. Heiße Schokolade mit Plätzchen

      Einige Tage später

      Kalter Wind fegte durch die Straßen. Männer rannten mit hochgezogenen Schultern die Bürgersteige entlang, Frauen machten sich unter Regenschirmen so klein wie möglich. Jugendliche trabten im Cool-Modus vorbei, schlugen einander auf den Rücken und lachten. Keine Spur von einem Schutz gegen das Unwetter, wozu auch? Kinder rannten, eingepackt in dicke Wollmützen, Jacken und Gummistiefel, ihren Müttern davon.

      Bisher war es nur ein Nieselregen, doch heraufziehende Wolken kündeten einen Sturm an. Der Wind trieb leere Süßigkeitenpackungen umher, Plastiktüten tanzten mit Müllresten um die Wette, Donner grollte.

      Alex kuschelte sich tiefer in den Sessel, nahm einen kleinen Schluck heiße Schokolade und griff nach einem Plätzchen. Das Café lag in einer vergessenen Seitenstraße in Shoreditch, im East End Londons. Während sich in der Old Street die angesagten Clubs, Pubs und Cafés dicht an dicht drängten, die von Touristen wie Ortsansässigen aufgesucht wurden, hatte Alex dieses Café erst vor wenigen Tagen entdeckt.

      Er grinste. Ein weiterer Keks zerkrümelte zwischen seinen Zähnen. Niemals hätte er zu träumen gewagt, eines Tages einfach so vor einem Fenster zu sitzen, um die Leute zu beobachten und es sich gut gehen zu lassen. Das Geld, das die Lichtkämpfer-Holding ihm monatlich auf das Konto überwies, machte es möglich. Das Café hatte er durch einen Lokalisierungsspruch entdeckt, den er ein wenig zweckentfremdet hatte. Normalerweise konnte man damit verlorene Gegenstände oder Schattenkrieger aufspüren. Da die Weihnachtszeit mit großen Schritten nahte, hatte er einen Ort gesucht, an dem es gute Plätzchen gab. Er wollte seine Mum und Alfie überraschen.

      »Nett hast du es hier«, erklang eine Stimme.

      »Jen?!«

      »So in Gedanken, dass du sogar das Klingeln überhörst?« Sie deutete auf das Messingglöckchen, das über der Tür angebracht war. »Sprachlos? Da müssen die Neuronen ja heftig feuern. Versuchst du wieder bis drei zu zählen?« Sie zwinkerte ihm frech zu.

      »Ich komme bereits auf vier«, gab er zurück. »Reicht aber nicht, um deine Falten zu zählen, es sind eindeutig mehr. Waren die schon immer da?«

      Jen schürzte die Lippen. Ohne weitere Worte trat sie an die Theke, ließ den Blick über die Karte mit Cookies und Getränken gleiten. Eigentlich hatte er nur einen Witz machen wollen, doch sie wirkte tatsächlich ein wenig gestresst. Das dunkelblonde Haar fiel ihr leicht gelockt auf die Schultern, war jedoch nicht so samtig-glänzend wie sonst. Ihre Augen erinnerten ihn stets an zwei Smaragde, die heute jedoch eingetrübt wirkten.

      Sie ließ sich links von ihm an dem runden Tisch nieder. Der zweite Teller mit Plätzchen hatte gerade noch Platz, die Tassen stießen zusammen.

      Er schnupperte. »Zimt-Cappuccino und Pistazien-Cookies. Gute Wahl.«

      Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander. Alex betrachtete sie aus dem Augenwinkel. In den Tagen nach der Infiltration des Castillos und Gryffs Tod hatte er Jen nur selten gesehen. Seltsamerweise zog sie sich zurück, tauchte kaum noch im Turmzimmer auf. Da Kevin ständig im Krankenflügel an Max’ Bett saß, wo er die Hand seines Freundes hielt und sich mit Selbstvorwürfen zerfleischte, und Clara in der Trauer um Gryff gefangen war, blieb das Zimmer recht leer. Chloe vergrub sich in Recherchematerial zur Schattenfrau, versuchte alles, um deren Identität zu offenbaren. Chris turnte in der Sporthalle umher, ging auf Solomissionen und half den Neuerweckten bei der Einfindung.

      »Du hast da einen Rußfleck.« Alex deutete auf ihre Stirn. »Bist du in einem Schornstein herumgeklettert?«

      Jen, die gerade genussvoll die Augen geschlossen hatte, warf den Keks auf den Teller, zog ein Taschentuch hervor und rubbelte den Fleck fort. »Diese verdammten Neuerweckten! Heute Morgen kamen schon wieder ein paar auf die Idee, Wasser in Bier zu verwandeln. Natürlich haben sie die Zwischentransformation vergeigt. Weißt du, was dann passiert?«

      »Ähm.« Er hätte ihr selbstverständlich sagen können, dass ihm das durchaus klar war. Immerhin hatte er es bereits dreimal versucht. Andererseits … »Nein, keine Ahnung.«

      »Bumm.« Sie hob beide Hände, um die Explosion zu verdeutlichen. »Zweimal. Nach der ersten war der gesamte Raum voll mit Gerstenschmiere. Ich kam hinzu, dachte natürlich, dass etwas passiert ist. In dem Augenblick ging der zweite Rums los. Schwarzer Rauch und Ruß.«

      Alex schmunzelte. »So sind sie halt, diese Neuerweckten.«

      »Lass gut sein, Kent, du bist auch noch in der Windelphase, egal, wie viele Neue es außer dir gibt.«

      »Pfff, iss deinen Keks.«

      Sie biss tatsächlich herzhaft zu. »Wirklich klasse.«

      »Woher wusstest du, wo ich bin?«

      Sie deutete auf seinen Kontaktstein. »Lokalisierung. Du hast in letzter Zeit ja echt keine Vorlesung ausgelassen, sehr gut. Einstein sagt, du bist richtig pfiffig in magischer Geschichte.«

      »Ziemlich easy, vermutlich durch das Vorwissen von Mark. Kampfmagie läuft auch geschmeidig. Recherche weniger. Und mit Ingenieursmagie fangen wir gar nicht erst an.« Er seufzte. »Auf jeden Fall habe ich einfach mal wieder eine Auszeit gebraucht. Ist alles gerade etwas


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