Sechs Jahre in Surinam. August KapplerЧитать онлайн книгу.
auf die Körperkräfte man nur dann beurtheilen kann, wenn man sie selbst gegessen hat.
Des Mittags sind Bananen, die vom Solde eingekauft und mit 1/14 Pfund Speckfett übergossen werden, die Hauptkost. Ueberdiess wurde jeden Morgen ein Schnaps ausgetheilt, welchen die Meisten allem Uebrigen vorzogen. Der monatliche Sold des Soldaten bestand aus circa 10 Gulden, wovon aber verschiedene Abzüge gemacht wurden, so dass wenig genug übrig blieb.
Die Dienstverrichtungen in der Garnison waren jedoch grösstentheils eben so leicht und bequem eingerichtet, als Nahrung und Kleidung spärlich berechnet waren. Die viele freie Zeit, welche der Soldat hatte, und der Mangel an anständigen Vergnügungen trug nicht wenig zu seiner Demoralisation bei. Mancher Ankömmling ergibt sich aus langer Weile oder durch schlechte Gesellschaft verleitet, dem Trunke, den man zu grösserer Bequemlichkeit im Forte haben konnte.
Leider ist die bei weitem grössere Hälfte des Corps diesem Laster ergeben, und da der Preis des Genevers für die Bedürfnisse des Soldaten zu hoch ist, so ersetzt der wohlfeile Zuckerbranntwein, hier Dram genannt, denselben. Es ist merkwürdig, zu welcher Fertigkeit es Einzelne im Trinken gebracht haben; denn es gibt Manche (auch der Civilstand hat solche Matadoren), bei welchen zwei Flaschen täglich ihre Sinne noch nicht umnebeln. Diess ist die Ursache, warum der Soldat bei allen Einwohnern der Colonie in Misscredit steht, und ungeachtet seiner weissen Farbe selbst von Negern nicht geachtet wird. Man muss zwar gestehen, dass dieses Laster nicht blos unter den Soldaten herrscht, die freilich die Folgen ihrer Excesse nie so zu verheimlichen im Stande sind, wie die Bewohner der Stadt oder der Pflanzungen, die ihren Rausch in den Hängematten à leur aise ausschlafen können; aber so viel ist sicher, dass die Hälfte der Truppen Trunkenbolde sind, wenn man der täglichen Erfahrung trauen darf. Die meisten Militärs haben Weiber; denn die Liebe und der Wein, der aber hier durch Dram ersetzt wird, spielen im Militärleben die Hauptrolle. Weiber sind es freilich, aber keine Frauen; denn man hält das Band der Ehe für zu drückend, und die Gewohnheit des Landes, unverheirathet leben zu können, ist zu verführerisch, als dass man diess für eine Schande halten würde. Sieben Achtel der ganzen älteren männlichen Bevölkerung Surinams haben solche Maitressen, und unter 25 Kindern ist kaum eines ehlich geboren. Man begreift leicht, dass der Soldat das Geldstück nicht aus der Münze bekommt, und eine surinamische Missin muss schon ziemlich abgenützt seyn, wenn sie sich von den Abfällen des dürftigen Soldatentisches nähren muss; die meisten dieser farbigen Damen sind aber schlechte Haushälterinnen.
Kinder aus solchen Verbindungen der niederen Volksklasse und der Soldaten wachsen auf, wie die Lilien auf dem Felde, d. h. es bekümmert sich kein Mensch um sie.
Bei allen obscönen Scenen gegenwärtig gilt hier von ihnen mit vollem Rechte: Il n'y a plus d'enfants; sie erhalten wenig oder keinen Unterricht, und herangewachsen bringen sie es selten zu einer ordentlichen Existenz.
Von den Officieren waren viele in alten Zeiten auf diese surinamische Weise verheirathet, und wurden von ihren quasi Frauen nach allen Posten der Colonie begleitet, wo sie die Haushaltung ihrer Männer führten. Ein Officier, obgleich sein Gehalt denjenigen seines Ranges in Holland um ein Drittel übersteigt, kann bei den theuren Lebensbedürfnissen, so sparsam er es auch anlegen mag, in Garnison wenig oder nichts für die Zukunft erübrigen. Es ist desshalb für jeden vortheilhaft, nach den Militärposten detachirt zu werden, wo man Gelegenheit hat, die Finanzen zu verbessern, da die Lebensmittel meist wohlfeiler sind, Wald und Flüsse überflüssig Wild und Fische liefern, und mancher erlaubte Vortheil sich darbietet.
Es bestand unsere ganze Macht aus einem halben Bataillon Jäger, von ungefähr 500 Mann, einer Compagnie Artillerie und einer Compagnie schwarzer Soldaten. Die Garnison zu Paramaribo betrug beinahe 250 Mann, während der Rest auf den verschiedenen Posten im Lande oder an der Seeküste detachirt war, um 45,000 Negersclaven, im Falle sie rebelliren würden, im Zaume zu halten. Dass diess noch nicht geschah, ist ein Beweis von der guten Gesinnung der Neger, und widerspricht der Meinung von der grausamen Behandlung der Sclaven durch die Holländer gänzlich.
Die Einwohner der Stadt bestehen aus Europäern, weissen Eingebornen, farbigen Freien, und einer bei weitem grösseren Anzahl Sclaven [3].
Die Reichen sind, wie meistens überall, die Angesehensten; bei ihnen wird auch auf die Farbe so genau nicht gesehen, obschon die meisten bedeutenden Aemter durch Europäer besetzt sind. Der Kastengeist, der in früheren Zeiten so manchem mittelmässigen Kopfe, wenn er nur weiss war, Ehre und Reichthum verschaffte, hat sich bedeutend vermindert, und das Interesse oder vielmehr die nicht mehr so günstigen Zeiten haben dieses Vorurtheil so ziemlich auf die Seite geschafft.
Eine grosse Anzahl von Juden, welche wohl die Hälfte der weissen Bevölkerung ausmacht, und von denen viele im Besitze ansehnlicher Pflanzungen sind, hat sich seit den frühesten Zeiten der Colonie hier eingenistet und treiben meistens Handel.
Handwerke werden beinahe ausschliesslich durch die farbige Race betrieben; Sclaven dienen dabei als Gesellen, und schlechte und langsame Arbeit muss theuer bezahlt werden.
Ueber das Leben der höheren Stände kann ich aus Erfahrung nur wenig mich aussprechen, da mir meine Verhältnisse als Militär den Zutritt nicht gestatteten. Aber so viel ist gewiss, dass unter den höheren und reicheren Ständen nicht immer grosse Bildung herrscht, und Lectüre, Literatur und feinere gesellige Vergnügungen hier nicht überall zu Hause sind.
Nach den höchsten Beamten der Colonie stehen die Administratoren der Pflanzungen in grossem Ansehen. Da die meisten Eigenthümer von Pflanzungen sich in Europa aufhalten, so werden diese durch Administratoren verwaltet. Diese wohnen in Paramaribo, und haben die Leitung von verschiedenen, manchmal wohl 30 Pflanzungen unter sich. Weil ihnen nun von allen Einkünften gewisse Procente zukommen, und erstere bei einer Pflanzung manchmal mehr als 5000 fl. betragen, so muss man sich über ein solches Einkommen wundern, dessen Erwerb immerhin ein Mittagsschläfchen von 2-3 Stunden erlaubt. Weil nun auch viele Leute von diesen Herren abhängig sind, so stehen sie überall in der höchsten Achtung.
Die Lebensweise der Bewohner Paramaribo's bietet wenig Veränderung dar, und beschränkt sich hauptsächlich auf eine gute Tafel und andere körperliche Genüsse. Ausser der Tafel, welche mit allem Köstlichen aus Surinam, Holland und Nord-Amerika besetzt ist, besteht der grösste Luxus in Sclaven; denn je mehr man deren zur Bedienung im Hause hat, desto vornehmer ist die Haushaltung; dabei ist es gleichgültig, ob dieses Gesinde arbeitet oder nicht. Eine Familie, welche 2-3 Kinder hat, kann ohne 6-8 Dienstboten nicht wohl leben, welche man für Küche, Wäsche und Bedienung als unumgänglich nothwendig erachtet. Hat man Gärten oder Pferde, so ist natürlich noch ein Gärtner und ein Stallknecht nöthig. Wenn man nun die Kost für all dieses Gesindel kaufen muss (was aber bei Plantagenbesitzern oder Administratoren nicht der Fall ist), so erfordert eine solche Haushaltung ein enormes Einkommen, da die jährlichen Ausgaben sich bald auf 6000 fl. belaufen [4].
Wie ich bereits oben bemerkte, sind Heirathen nach europäischem Begriffe hier eben nicht sehr in der Mode; denn freie Haushälterinnen oder Concubinen ersetzen beinahe überall die Hausfrauen, was durchaus keine Schande ist. Kinder aus diesen Verbindungen werden zwar nicht vor Gericht, doch sonst wie rechtmässige behandelt, und führen den Namen der Mutter.
Sparsamkeit und Ordnung sucht man in diesen Haushaltungen meistens vergeblich; denn wenn auch der Mann kein Verschwender ist, so weiss doch seine Frau das Geld so anzuwenden, dass von Glück zu sagen ist, wenn die Einkünfte die Ausgaben decken. Meistens essen diese Haushälterinnen allein oder laden Freundinnen (Maatjes) ein. Bei den mittleren und niederen, freien Ständen, die vom Handwerk oder Nichtsthun leben, ist natürlich das Wohlleben in weit geringerem Grade zu finden, und gar viele wissen am Abende nicht, wovon sie am Morgen leben sollen, obgleich die wenigen Bedürfnisse mit ein paar Stunden Arbeit gar leicht zu bestreiten sind. Aber es herrscht auch unter den Eingebornen eine wirklich diogenische Genügsamkeit, wenn kein Kaufmann mehr borgen will.
Nach dem Vorbild der Eltern bildet sich die Jugend, und nirgends wird wohl die Erziehung so vernachlässigt seyn, als hier unter den niederen Ständen. Nicht, dass es keine Schulen gäbe oder Anstalten, um arme Kinder zu unterrichten, – für beides ist gesorgt, aber den meisten Eltern ist es gleichgültig wie ihre Kinder mit der Zeit haushalten und bekümmern sich weder um ihre Spiele noch sonstigen