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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.

Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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      Nach kurzer Absprache einigten sich Karsten und Renate, daß sie es so machen wollten.

      Toni begleitete Karsten bis zur Oberländer Alm. Er wollte auch noch einige Lebensmittel von dort mitbringen. Alois war vom Aufstieg müde und legte sich etwas hin. Anna setzte sich mit Renate vor die Hütte.

      Es war ein wunderschöner Tag. Die Berge leuchteten in der Sonne, daß man die Schneefelder und Gletscher glitzern sah. Darüber spannte sich ein blauer Himmel. Dann und wann wanderten kleine weiße Wolken vorüber. Sie sahen aus, als hätte sie ein Maler hingetupft.

      »Wie still es hier ist«, bemerkte Renate.

      »Ja, die Stille! Das ist immer das erste, was Besuchern auffällt, die zum ersten Mal hier oben sind. Doch wenn man länger hier ist, dann lernt man auch die Geräusche der Berge zu deuten. Die Berge sind nicht tot, sie sind kein totes Gestein. Die Berge leben. Da ist viel Leben drin. Sie verändern sich ständig. Wasser friert in den Spalten und sprengt den Stein. Dann können einzelne Gesteinsbrocken abgehen, bis hin zu heftigem Gesteinsschlag. Es gibt Tiere, die Geräusche machen. Am schönsten für mich ist das Murmeln der Gebirgsbäche, wie das Wasser über die Steine sprudelt und spritzt. Dann kommen auch Geräusche vom Tal herauf. Um die Mittagszeit ruft die Glocke vom Kirchturm, nur kurz. Das Abendläuten zur Vesper erfüllt das ganze Tal. Der Klang wandert an den Felswänden hinauf, als wollte er sie als Leiter zum Himmel benutzen. Dann kommt auch das Echo zurück. Die ganze Natur wird zum Konzertsaal oder zum Gotteshaus. Friede verbreitet sich. Dann kannst du hören, wie alles schweigt und dem Klang der Glocken lauscht. Wenn sie unten im Tal langsam verklingen, hängt ihr Klang noch etwas zwischen den Bergen, bis das Echo ganz verhallt.«

      Renate lauschte interessiert und höchst erstaunt Annas Beschreibung.

      »Du hast das beschrieben wie eine Dichterin.«

      Anna lächelte.

      »Ich habe dir nur erzählt, wie ich es erlebt habe und erlebe. Worte vermögen es nicht zu beschreiben, was du in deinem Herzen spürst. Du kannst nur mit dem Herzen hören, Renate.«

      Renate schaute Anna seltsam an.

      »Jetzt denkst du, die Anna spinnt.« Anna lachte herzlich. »Hätte mir das damals jemand gesagt, was ich dir jetzt sagte, dann hätte ich das auch gedacht. Renate, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die entziehen sich einfach jeder Beschreibung. Man kann sie höchstens andeuten. Fühlen muß sie jeder selbst und hören in seinem Innern. Der Klang der Natur und eine Stille, die nicht so still ist, wird dich viel erfahren lassen. Öffne einfach dein Herz! Vielleicht hat dein kleiner Dennis das damals schon erkannt. Kinder sollen ja dem Himmel und der Natur viel näher sein, weil sie so ein reines Herz haben. Vielleicht wollte euer Dennis deshalb in die Berge.«

      Renate schwieg eine Weile, dann sagte sie leise:

      »Vielleicht hast du recht. Das Leben von Karsten und mir war immer voller Hektik. Ein Termin jagte den nächsten. So war es nicht immer. Erst als Karsten den großen Erfolg hatte, da veränderte sich alles. Ich kam mir vor wie eine Marionette, die an Fäden hing und nach dem Takt anderer tanzen sollte. Karsten ging es wohl noch viel mehr so. Doch ihm machte und macht es Freude, im Gegensatz zu mir. Er wollte es ja so. Dabei hat er sich immer mehr entfremdet. Wir spielten zwar immer noch im gleichen Stück, dachten wir. Doch unsere Rollen paßten nicht zusammen. Zuerst betraf es nur Karstens Arbeit, dann stellte ich fest, daß auch in unserem Privatleben nichts mehr da war, kein Gefühl, keine Verbundenheit, keine Gemeinsamkeit. Wir funktionierten auf perfekte Art. Dabei entfernten wir uns immer weiter von uns selbst und auch vom anderen. Wir wollten trennen zwischen Geschäft und Familie. Karsten schaffte es nicht. So einigten wir uns, uns als Freunde zu trennen. Trotzdem tut es weh, sehr weh. Wir hatten nicht gedacht, daß Dennis so darunter leiden könnte. Wir hatten ihm nie etwas angemerkt.«

      »Ich verstehe dich, Renate. Ich weiß, was du damit sagen willst.«

      Anna sah die Trauer und Verzweiflung in Renates Augen.

      »Es gibt einen Satz, der oft oberflächlich dahergesagt wird, Renate. Doch wenn man wirklich die Worte wirken läßt, dann steckt viel drin. Er lautet: Jede Krise ist auch eine Chance.«

      »Ich kann keine Chance sehen.«

      »Renate, fang doch mal bei der Tatsache an, daß Dennis weggelaufen ist. Ich finde das ganz schrecklich. Und ich hoffe, daß es da oben Schutzengel gibt, die ihn unter ihre Flügel nehmen. Wenn das nicht geschehen wäre, was wäre dann gewesen?«

      »Ich verstehe dich nicht, Anna.«

      »Renate, wenn ich dich richtig verstanden habe, dann hattet ihr, du und Karsten, die Trennung gerade vollzogen. Du hattest deine Koffer ins Taxi geladen und bist im Begriff gewesen fortzufaren. Das hast du gestern erzählt.«

      Renate spielte mit den Fransen an dem großen Schultertuch, das ihr Anna ausgeliehen hatte.

      »Ja, ich verstehe, was du meinst. Ich wäre gezwungen gewesen abzufahren.« Dann fügte sie leise hinzu: »Dabei war eine große Traurigkeit in meinem Herzen. Ich trauerte um das erträumte gemeinsame Leben voller Liebe und Harmonie. Glaube mir, im Grunde wollte ich mich gar nicht von Karsten trennen. Wie es mit ihm ist, weiß ich nicht. Aber die Trennung war einfach logisch, weil all meine Versuche gescheitert waren. Ich habe es nicht geschafft, wenigstens ein ganz kleines Stück Liebe, Geborgenheit einer Familie, ein wirkliches Heim zu schaffen.«

      Renate seufzte.

      »Dann kam Karsten mit dem Telefon angerannt. Statt abzufahren blieb ich, plötzlich zogen wir an einem Strang. Wir fuhren zusammen ins Internat. Wir sind jetzt gemeinsam

      auf der Suche nach Dennis. Zwar

      gibt es da immer noch einen großen Abstand, der sich über Jahre zwischen uns aufgebaut hat. Ja, so schlimm das auch ist mit Dennis, Anna, wenn es diese Krise nicht geben würde, dann wären wir nicht zusammen.«

      Renate legte die Hand an die Stirn und schaute gegen die Sonne hinauf zu den Bergen.

      »Plötzlich hat Karsten Zeit. Er hat ohne, daß ich etwas sagte, im Brüo angerufen und alle Termine abgesagt. Das ist kein Problem gewesen. Er hat sehr gute und loyale Mitarbeiter, auf die er sich verlassen kann.«

      Renate lachte bitter.

      »Es ist schlimm, daß es soweit kommen mußte. Wie oft habe ich ihn gebeten, sich mehr Zeit für die Familie, für Dennis zu nehmen? Er hatte nie Zeit. Jetzt hat er plötzlich Zeit. Ja, Anna! Es steckt wirklich ein tieferer Sinn in der Krise. Karsten besinnt sich vielleicht auf das, was wirklich wichtig im Leben ist. Jetzt hoffe ich nur, daß Dennis gefunden wird.«

      »Ja, das hoffe ich auch. Mehr als das, Renate! Dennis wird bestimmt gefunden werden. Das spüre ich. Du wirst ihn, ihr werdet ihn finden und in die Arme schließen. Spürst du das nicht?«

      »Wie meinst du das?«

      »Man sagt doch, daß eine Mutter spüren kann, ob es ihrem Kind gut geht oder schlecht. Was spürst du, wenn du an Dennis denkst?«

      Anna legte sacht ihre Hand auf den Arm von Renate.

      »Sprich es nicht aus – sage es mir nicht! Denke an deinen Sohn, an euer Kind. Dann wirst du es spüren. Es soll ein Band geben zwischen Menschen, die sich lieben. Dieses Band wird ihn zu dir, zu euch zurückbringen, davon bin ich überzeugt. Die Liebe ist ein mächtiger Zauber voller Geheimnisse, die wir Menschen mit unserem kleinen bescheidenen Verstand oft nicht gleich verstehen. Wir denken viel zuviel! Wir alle, alle Menschen müssen einfach mehr lieben.«

      »Du meinst, ich soll Karsten lieben?«

      »Nicht nur ihn. Liebe das Leben selbst, Renate. Es ist schön und reich, auch wenn es oft auf- und abgeht. Liebe die Natur, die Tiere. Schaue dich um! Freust du dich nicht an der Schöpfung? Wie wunderbar ist doch dieser Ausblick. Da unten ist das Tal mit Waldkogel.«

      Anna holte das Fernglas und reichte es Renate.

      »Hier schaue durch! Dann steigen die Wiesen und Weiden zuerst sanft, dann steiler die Berge hinauf. Die Bäume werden mehr, bis rundum sich ein Gürtel aus Wald erstreckt, bis er sich


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