Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
noch mehr in der Sonne glänzt. Sie wirken so weich und schön.«
Anna ließ Renate Zeit, sich das alles genau anzuschauen. Renate setzte nach einer Weile das Glas ab.
»Du liebst die Berge sehr, Anna?«
»Ja, das tue ich. Sie sind für mich wie große Freunde, denen ich mich anvertrauen kann. Sie sind so stark und mächtig. Sie sagen mir, wie unbedeutend vieles ist und rücken das, was wirklich bedeutend ist, in den Mittelpunkt. Sie schützen mich vor der Welt da draußen, voller Hektik und Geschäftigkeit.«
Anna lachte glücklich.
»Weißt du, ich war früher ein bißchen so, wie du mir deinen Mann geschildert hast. Ich jagte jeden Tag dem Erfolg nach. Dieser Erfolg gab mir kein Glücksgefühl von langer Dauer. Ich war wie im Rausch. Dann kam ich hierher und mußte mir meine Liebe zu diesem Antonius Baumberger eingestehen. Er hing einem Traum nach. Er wollte die nächsten Jahrzehnte diese Berghütte bewirtschaften. Doch so einfach war das nicht. Ich wollte ihm helfen, seinen Traum zu verwirklichen. Doch wie? Da saß ich dann eines Tages alleine oberhalb von Waldkogel und schaute herunter auf das Tal. Bello war an meiner Seite. Ich hörte auf zu denken. Ich konnte auch gar nicht denken. Ich nahm nur noch die Schönheit der Berge, die Stille und Reinheit der Natur in mich auf. Ich atmete den Duft der Berge tief in mich ein. Dann fingen die Glocken der Kirche von Waldkogel an zu läuten. Mit jedem Schlag, der im Tal widerhallte, entstand tief in meinem Herzen die Lösung. Da wußte ich den Weg, den ich gehen mußte. Und ich fand Menschen, die mir dabei halfen. Toni bekam die Berghütte. Jetzt werde ich seine Frau. Wir werden hier gemeinsam leben und arbeiten. Das Leben wird dir vielleicht hart vorkommen, ohne fließendes Wasser aus dem Wasserhahn. Elektrischen Strom haben wir nur, wenn wir den Generator anstellen. Das macht Toni nur selten, weil er sehr laut ist und es auch so geht. Wir wollen die Hütte nach alter Tradition bewirtschaften.«
»Im Einklang mit der Natur und den Bergen.«
»Genau so, Renate. Viel Geld kann man damit nicht verdienen. Aber ich bin mir sicher, daß ich reichlicher belohnt werde, als jemals in meinem Leben zuvor.«
»Eigentlich bist du zu beneiden, Anna!«
»Neide mir nichts! Ich hoffe, daß du eines Tages vielleicht sogar froh bist, daß Dennis dich hier in die Berge gelockt hat. Hier finden du und auch dein Karsten all den Balsam, den ihr für eure wunden Seelen braucht. Wenn ihr offen seid und lernt zu lauschen, ohne zu denken, dann werdet ihr vielleicht auch eure verlorene Liebe wiederfinden.«
»Man spürt, wie glücklich ihr seid, du und dein Toni. Die Hütte ist erfüllt von eurem Glück. Gestern abend, als Toni musizierte und du beim Kamin gesessen bist, da betrachtete ich die Flammen. Ich dachte, daß sie leiser knistern, damit du die Liebeslieder deines Tonis besser hören kannst. Dann erinnerte ich mich an ein Gedicht von Friedrich Schiller. Da heißt es: Raum ist in der kleinsten Hütte für ein glücklich liebend Paar!«
Renate berührte Annas Schulter.
»Ich wollte dich nicht kränken, als ich sagte, ich beneide dich. Ich sehe nur, daß du das alles hast, von dem ich auch einmal geträumt habe und zum Teil auch hatte. Doch dann ging es verloren.«
»Dann suche es, Renate. Wenn man etwas verloren hat, gleich was es auch ist – dann sucht man doch oder?«
»Wo soll ich suchen?«
»Du suchst deinen Dennis hier in den Bergen. Suche auch dein Glück. Du wirst es finden. Schau dort! Diesen Berg nennen die Leute hier seit alters her ›Engelsteig‹. Es führt ein Pfad ziemlich hoch hinauf. Dort oben gibt es zwischen steilen Felswänden einen kleinen wunderschönen Ort. Dort blühen besonders viele Blumen, Blumen, die sonst in dieser Höhe nicht vorkommen. Es gibt einen kleinen Teich. Diesen Ort nennen wir den ›Paradiesgarten‹. Dort hinauf solltet ihr wandern. Ganz allein. Ich denke nicht, daß ihr dort Dennis finden werdet. Aber vielleicht werdet ihr Dennis und auch euch dann viel näher sein und ihr findet alle wieder zusammen.«
»Wenn ich Karsten dazu überreden kann.«
»Das wirst du schon schaffen. Ich richte euch zwei Rucksäcke mit Proviant. Verlaufen könnte ihr euch nicht. Ich bin ja hier auf der Hütte. Wenn etwas mit Dennis ist, dann verständige ich euch.«
»Ich werde versuchen, mit Karsten zu sprechen, Anna!«
Anna stand auf.
»Danke, daß du dir so viel Zeit für mich genommen hast. Du hast doch bestimmt anderes zu tun und Wichtigeres zu tun.«
»Das konnte warten.«
»Wenn ich dir etwas helfen kann, Anna, dann tue ich das gerne!«
»Danke, aber ich habe eine andere Aufgabe für dich! Bleibe hier draußen und betrachte die Berge. Betrachte sie, ohne zu denken. Schau sie so an, als wärest du ein Kind. Betrachte die Berge so, wie sie Dennis betrachtet.«
Dann ging Anna hinein in die Berghütte. Sie machte sich mit Ruhe und Sorgfalt an ihre Hausarbeit. Danach knetete sie den Brotteig für weitere Brote, die für die Bewirtung der Gäste bei ihrer Hochzeit gebraucht wurden.
*
Später kam Toni von der Oberländer Alm zurück. Bello zog zum ersten Mal den kleinen Aluminiumwagen, der nach Angaben von Anna gebaut worden war. Der Wagen war vollbeladen mit Eiern und Käse, sowie weiteren Dingen für das Fest, das Xaver im Auftrag von Meta zur Oberländer Alm gebracht hatte.
Die Oberländer Alm war noch gut mit dem Auto zu erreichen. Anna sagte oft im Scherz, die Alm sei der letzte Außenposten der Zivilisation vor der Bergwildnis.
»Wie hat es denn der Bello gemacht, Toni?«
»Großartig! Ganz famos! Du hast ihn wirklich gut trainiert, Anna! Er lief sogar ziemlich schnell mit dem vollen Wagen.«
»Das wundert mich nicht, Toni. Neufundländer Hunde sind wahre Kraftpakete. Sie sind ja ursprünglich zum Ziehen von kleinen Wagen und Schlitten gezüchtet worden. Deshalb hattest du dir Bello ja angeschafft.«
»Ja, das habe ich! Aber du hast ihn trainiert. Außerdem ist er dein Hund, seit er dich das erste Mal gesehen hat. Das macht mir aber nichts aus. In gewisser Weise kann ich das sogar verstehen. Du bist nämlich ein ganz tolles Madl.«
Toni küßte Anna.
»Was machen wir jetzt? Hast du noch viel Arbeit?«
»Nein! Toni! Der Brotteig muß noch gehen. Die Brote backe ich heute abend. Dann sind sie frisch zur Feier, aber nicht mehr so frisch, daß sie sich nicht anschneiden lassen.«
Dann flüsterte Toni:
»Ich habe kurz mit meinem Vater sprechen können. Es muß ein Wilderer unterwegs sein.« Dabei blinzelte er Anna mit den Augen zu. »Jemand hat heute nacht die Hasen aus den Ställen gelassen. Als meine Mutter sie heute morgen füttern wollte, hoppelten sie friedlich in ihrem Gemüsegarten herum. Aber ein Hase fehlt. Es ist der Braune mit den hellen Flecken.«
»Meinst, daß es Dennis war?«
»Gut möglich! Die Mutter denkt, daß er es war. Er muß sich auch im Garten bedient haben, mit Karotten, Rettich, Radieschen und Beeren. Ich will aber der Renate noch nix sagen oder denkst, i muß es ihr erzählen?«
Anna überlegte.
»Wir warten! Der Karsten ist ja unterwegs und kommt auch durch das Dorf. Hat deine Mutter es dem Wolfi gemeldet?«
»Der Vater will das tun!«
»Gut so! Ich denke auch, daß es der Dennis war. Dann geht es ihm gut. Allein ist er auch nicht mehr. Er war ja damals vor Jahren schon ganz vernarrt in die Hasen. Jetzt hat er sich einen Reisebegleiter geholt. Er hat sich für sich und den Hasen aus dem Garten bedient. Das Wetter ist warm. Ich bin sicher, daß er bereits ein schönes Plätzchen gefunden hat. Wenn alles aufgegessen und verfüttert ist, wird er wiederkommen. Da bin ich mir sicher. Warten wir, bis Karsten vom Dorf kommt.«
Toni schaute Anna verwundert an. Anna schloß die Tür der Berghütte, daß sie besser reden konnten.
»Toni,