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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.

Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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brüllte der Pfarrer, dabei stampfte er mit dem Fuß auf und drohte mit dem Wanderstock.

      »Sehen Sie, Herr Pfarrer, so ist Karsten! Er hat sich etwas vorgenommen, das will er dann unter allen Umständen durchsetzen. Es gilt nur, was er einmal für richtig hielt. Auch wenn es sich später herausstellte, daß es nicht so gut war. Er kann von einem einmal eingeschlagenen Weg nicht abgehen. Er kann keine Kompromisse eingehen. Er kann nicht zuhören«, klagte Renate.

      »Jetzt wird er zuhören! Kommen Sie, Herr Niederhauser, gehen wir weiter. Also! Ich habe Dennis gefunden. Dazu habe ich einen Tip bekommen. Es geht ihm gut. Sagen wir, er macht Urlaub. Er genießt die Natur. Ich habe ihm Bücher gegeben. Er wird lesen. Hauptsächlich spielt er mit dem Hasen. Sie müßten sehen, wie liebevoll und fürsorglich er mit dem Tier umgeht. Ich habe Dennis erst einmal gesprochen. Dabei wollte ich, daß er Vertrauen zu mir aufbaut. Er ist wegglaufen. Ich denke, daß es gut wäre, wenn er aus eigenem Antrieb zurückkehrt. Es macht in meinen Augen wenig Sinn, ihn mit Gewalt zu holen, um ihn vielleicht noch zu bestrafen. Ich bin mir sicher, daß er sich bald langweilt. Ich habe ihm auch gesagt, daß Sie hier in Waldkogel sind. Ich bitte Sie also, mir zu vertrauen und Ihren Dennis in meine Obhut zu geben.«

      Dann wandte sich der Pfarrer an Karsten Niederhauser.

      »Ich habe bis zu einem gewissen Grad Verständnis für Ihr Streben und Ihre Planung für eine bessere Zukunft für Dennis. Doch ein Mensch braucht ein stabiles Fundament. Kinder brauchen eine Basis, die sie ein ganzes Leben trägt, was immer auch für Stürme kommen mögen. Dazu gehören Liebe, Geborgenheit und ein sicherer Zufluchtsort, ein Heim – besser eine Familie. Ich will zu Ihren Scheidungsplänen nichts sagen. Dazu weiß ich auch zu wenig. Nur ein Wort. Manchmal kommt es mir vor, als würden die Erwachsenen auch vor etwas weglaufen. Das erscheint ihnen einfacher, als die Suche nach einem verschüttetem Fundament. Ich rate den betroffenen immer, gemeinsam ein bißchen Archäologie zu betreiben, zu graben in der eigenen gemeinsamen Vergangenheit. Oft muß man tief graben, weit zurückgehen, um auf die verschütteten, schönen und glücklichen Epochen zu stoßen. Aber es lohnt sich. Auf dem Weg dahin muß man oft ganze Scherbenfelder forträumen. Mit dieser Tätigkeit sollen sich die Paare nicht aufhalten. Das kostet nur unnötig Zeit. Es gilt ja, Erinnerungen an glückliche Zeiten zu finden. Jedes Paar hatte solche glückliche Zeiten und gemeinsame Erinnerungen.«

      »Wie kann man das machen?« fragte Renate. Ihre Stimme klang wirklich interessiert.

      »Das geht einfach, denke ich. Man muß nur wollen. Es gibt da einen wirklich schlimmen Satz: Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Sie kennen ihn bestimmt.«

      Renate und Karsten nickten. Der Pfarrer seufzte.

      »Auch im täglichen Leben ist es so geworden, daß sich die Menschen gegenseitig übertrumpfen wollen mit schlechten Erfahrungen, Erlebnissen. Früher war das anders. Wenn Leute zusammen waren, dann begann ein Satz mit den Worten: Weißt du noch, damals… Dann folgten aber schöne Erinnerungen. Das rate ich den Paaren. Weißt du noch damals, als wir uns das erste Mal begegneten? Weißt du noch damals, unser erster Kuß? Weißt du noch damals, als wir im Mondschein spazierengingen und du meine Hand gehalten hast? Weißt du noch, was für Träume wir hatten? Dann führt das zu den Fragen, die jeder nur ganz für sich beantworten soll. Weißt du noch, warum wir diese Träume dann doch nicht umgesetzt haben? Kannst du mir sagen, warum wir unsere Träume aufgegeben haben? Vielleicht kommt dann die Erkenntnis, daß man Fehler gemacht hat. Daß man auf der Straße des Lebens an einer Kreuzung falsch abgebogen ist und in einer Sackgasse steht. Was kann man tun, am Ende einer Sackgasse? Das Auto stehen lassen und weglaufen. Also Fahrerflucht begehen. Langsam zurückfahren und sich dann neu orientieren. Man kann auch auf der Stelle wenden, was oft einer großen Kraftanstrengung bedarf.«

      Pfarrer Zandler räusperte sich.

      »Ich wollte Ihnen keine Predigt halten. Bleiben wir bei Dennis. Also ich würde mich gerne um Dennis kümmern. Er ist, um bei dem Bild zu bleiben, falsch abgebogen und in einer Sackgasse gelandet. Jetzt sollte man ihm Gelegenheit geben, das selbst zu erkennen. Es ist besser, er fährt selbst langsam zurück, als daß man ihn mit Gewalt auf den richtigen Weg zwingt. Läßt man ihm Zeit, so hoffe ich, daß er sich nicht mehr so leichtsinnig verfährt. Verstehen Sie, was ich meine?«

      Karsten Niederhauser war stehen geblieben und hatte sich auf einen Felsen gesetzt. Die Hände tief in den Hosentaschen, den Kopf etwas gesenkt, dachte er nach.

      »Einverstanden, Herr Pfarrer!« sagte er leise. »Wie steht es mit dir, Renate?«

      »Auch einverstanden! Sie unterrichten uns aber, wie es ihm geht und was er macht?«

      »Selbstverständlich! Ich komme dann rauf zu Ihnen auf die Berghütte. Sie können mich auch gern im Pfarrhaus besuchen. Außerdem heiraten Anna und Toni. Ich nehme an, Sie kommen auch in die Kirche?«

      Pfarrer Zandler schaute auf die Uhr.

      »Schon spät! Ich muß schnellstens wieder hinunter ins Dorf. Deshalb möchte ich mich gern hier von Ihnen verabschieden. Den Weg zurück zur Berghütte können sie nicht verfehlen. Er ist ja auch ausgeschildert. Der Toni hat neue Schilder aufgestellt. Sie haben ja nichts vor. Da schlage ich Ihnen vor, die Zeit zu nutzen und sich an der Schönheit der Berge zu erfreuen.«

      Er gab beiden die Hand, wünschte ihnen Gottes Segen und eilte davon. Daß er sie so plötzlich alleine ließ, war ein Teil seines Planes.

      Renate und Karsten schwiegen erst eine Weile und vermieden es, sich anzuschauen.

      »Wir haben gerade eine Lektion erteilt bekommen, Renate«, sagte Karsten schließlich.

      »Ja, Karsten! Aber es geschah auf eine nette Art und Weise und zeigt uns vielleicht einen Weg.«

      »Ja, so ist es.«

      Sie schwiegen wieder eine Weile.

      »Renate!«

      »Ja, Karsten!«

      »Ich denke, vielleicht wäre es einen Versuch wert, sich gemeinsam an alte schöne Zeiten zu erinnern. Vielleicht schaffen wir es dadurch, daß wir weniger streiten. Denn reden müssen wir ja dann und wann miteinander, alleine schon, weil es um Dennis geht.«

      »Daran habe ich auch gedacht, Karsten. Ich versuchte mich gerade zu erinnern. Laß uns die Sache langsam angehen. Wir haben ja ein paar Tage Zeit, bis Dennis wiederkommt. Fahren wir langsam rückwärts aus der Sackgasse?«

      »Ich bin zwar immer für Power und Schnelligkeit, aber wir können gerne die Sache langsam angehen. Wahrscheinlich schaffen wir das auch nicht anders.«

      Renate war überrascht über Karstens Antwort. Früher hätte sie jetzt gesagt, das hätte ich nicht für möglich gehalten, daß du so einen Vorschlag machst. Doch jetzt schwieg sie. Eine Stimme in ihrem Herzen gab ihr diesen Rat. War das die Stimme der Berge, von der Anna gesprochen hatte?

      So antwortete Renate leise:

      »Ja, so sollten wir es machen. Wir hatten schon lange keinen Urlaub mehr gemeinsam verbracht. Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir einfach noch etwas hier sitzen bleiben und die Berge betrachten?«

      »Nein! Mir gefällt die Aussicht auch. Wir sind immer nur durchgefahren. Wenn wir die Tunnel in den Süden genommen haben, haben wir noch weniger von den Bergen gesehen als auf den Paßstraßen. Dennis muß damals viel mehr gesehen haben als ich oder soll ich wir sagen?«

      »Als wir beide! Es stimmt schon. Wir hatten damals einige Tage in Waldkogel verbracht. Ich erinnere mich nicht an die Berge, die wunderschöne Landschaft. Diese Ruhe und die gute Luft, das gab es doch schon vor Jahren. Wir waren mittendrin. Warum haben wir es nicht bemerkt? Dennis hatte es bemerkt.«

      »Darauf weiß ich keine Antwort, Renate. Meistens weiß ich auf alles eine Antwort. Doch darauf weiß ich keine. Dabei waren wir mittendrin, damals, genauso wie wir heute mitten drin sind. Willst du dich zu mir setzen? Wenn wir zusammenrücken, können wir beide auf dem Felsen sitzen.«

      Karsten zog seinen Pullover aus. Er faltete ihn zusammen, daß er ein kleines Kissen bildete. Er rutschte zur Seite und legte das Kleidungsstück neben sich


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