Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
dachte sie. So saßen sie schweigend über eine Stunde.
»Wollen wir zurück zur Berghütte gehen, Renate?«
Renate stand auf.
»Was machen deine Füße? Tun sie noch weh?«
»Anna hat mir dicke Socken gegeben und die Schuhe. Die Blasen und Schrammen heilen ab. Es ist manchmal noch etwas beschwerlich beim Laufen, aber es geht.«
»Sag mir, wenn wir zu schnell gehen und du eine Pause machen willst, Renate.«
So fürsorglich war Karsten schon lange nicht mehr, dachte Renate. Langsam gingen sie zurück und kamen dabei von Zeit zu Zeit ins Gespräch. Sie sprachen miteinander, ohne zu streiten. Sie redeten über die Blumen, die sie am Wegesrand sahen, über die Eidechse, die über den Pfad huschte und hinter einem Stein verschwand. Sie sahen die Adler hoch in den Lüften kreisen.
*
Als sie zurück zur Berghütte kamen, waren eine Menge Leute da.
Toni stellte mit den jungen Männern viele Tische und Bänke auf. Anna breitete darüber Tischdecken aus blauweißer Plastikfolie. Andere junge Männer stellten nebeneinander mehrere Bierfässer auf, und drei junge Frauen schleppten Bierkrüge herbei.
»Wo kommt das ganze Zeug her? Das sind ja Hunderte von Bierkrügen?« fragte Renate.
»All die Sachen haben Freunde in den letzten Wochen Stück für Stück hierher auf die Berghütte getragen. Das Bier und die Getränke haben Leonhard und seine Kameraden von der Bergwacht mit dem Hubschrauber abgesetzt.«
»Wozu? Findet ein Fest statt?«
Toni kam gerade vorbei und hatte die Frage gehört. Er griff nach Anna, hob sie hoch und drehte sich mit ihr im Kreis.
»Und was für ein Fest hier stattfindet! Wir heiraten! Heute abend feiern wir unseren Abschied vom Junggesellendasein. Eigentlich feinern das die jungen Männer unter sich. Aber das haben wir etwas geändert. Auch die jungen Frauen feiern mit.«
»Toni, laß mich runter! Wir haben noch viel Arbeit.«
»Können wir irgendwie helfen?« fragte Karsten etwas hilflos. »Ich habe zwar gewöhnlich zwei linke Hände. Aber vielleicht könntest du mir eine leichte Aufgabe geben?«
»Linke Hände können wir nicht gebrauchen! Aber wenn du dich nicht genieren tust, dann kannst den Madln helfen. Später muß der Schuppen noch ausgeräumt werden. Da kommt Stroh und Heu auf den Boden. Das gibt ein Nachtlager, ein zusätzliches. Die Madl schlafen alle oben auf dem Hüttenboden, die Burschen im Schuppen und auf dem Fußboden in der Berghütte. Wir werden heute abend ein paar hundert Gäste haben. Es bleiben nicht alle. Aber viele! Kannst es dir aussuchen, wo du nächtigen willst, Karsten, im Schuppen oder auf dem Fußboden. Auf dem Hüttenboden kannst net bleiben, da schlafen die Frauen.«
Karsten warf Renate ein Blick zu, darin lag eine Frage.
»Karsten kann auch bei mir schlafen, auf dem Boden in meiner Kammer. Es ist ja ein Notfall, sozusagen.«
»Ein Notfall! Ja, das kann man sagen!« grinste Toni. »Da müßt sogar ihr mal enger zusammenrücken! So schlimm kann des ja net sein?«
»Renate kann auch zu mir in die Kammer«, warf Anna ein. »Du weißt doch, daß die beiden in Scheidung leben.«
»Darauf kann jetzt keine Rücksicht genommen werden. Dann sollen sie diese Scheidungsangelegenheit für eine Nacht unterbrechen. Sie können ja die Kammertür auflassen«, sagte Toni und musterte die beiden kritisch.
Renate und Karsten halfen bei den Vorbereitungen. Dabei kamen sie auch ins Gespräch. Es fiel auch ein paar Mal der Satzanfang, weißt du damals, bei uns…! Ohne daß sie es beabsichtigten, stiegen glückliche Erinnerungen auf an ihre eigene Hochzeit. Doch sie konnten noch nicht darüber sprechen.
Nach und nach trafen immer mehr Gäste ein. Als erste kam Sue, Annas Freundin aus Frankfurt mit ihrem Mann Sven und dem Baby. Der kleine Peter fand sofort Gefallen an Bello. Dieser übernahm die Rolle als Babybewacher und wich nicht von Peters Seite.
Martin kam. Als Arzt in Waldkogel hatte er sich extra für die Hochzeit eine Praxisvertretung genommen.
Leonhard und die Kameraden von der Bergwacht kamen mit dem Hubschrauber. Ihr Funkgerät blieb eingeschaltet, damit sie jederzeit für einen Einsatz bereit waren. Es war klar, daß sie sich beim Bier mäßigen mußten.
Der Schützenverein kam, der Musikverein und der Trachtenverein. Dazu alle jungen Burschen und Madl, ab dem Alter, in dem man zum Tanzen ging. Nach oben gab es keine Beschränkung.
Auf den Grills drehten sich Spanferkel, auf Rosten brutzelten Würste. Es gab ein großes Büffet mit gutem Kartoffelsalat, viele Wurstsorten und Schwartenmagen, sowie verschiedene Käsesorten von allen benachbarten Almen. Da stand Kuchen und selbstgebackenes Brot. Die beiden großen Körbe mit frischen Kaisersemmeln und Brezeln standen auf dem Boden. In einem großen Kessel siedeten die Leberknödel vor sich hin.
Die Kameraden von der Bergwacht hatten sich nicht nur ums Bier gekümmert, es gab auch nicht alkoholische Getränke. Martin hatte mit anderen jungen Männern einen Tanzboden aufgebaut und einen riesigen Holzstapel aufgeschichtet, der neben den vielen Lampions die Nacht erhellen würde.
Irgendwann trat der alte Alois auf die Terrasse vor der Berghütte. Er läutete eine Kuhglocke. Es wurde still. Alle schauten Alois an.
»Also! I will’ kurz machen. I freu mich, daß ihr ’kommen seid, um heut’ abend mit dem Toni und der Anna zu feiern. Der Leo hat ja schon angezapft. I hoff, ihr habt alle a schöne Maß Bier! Trinken wir auf die beiden! Prosit auf die beiden, den Toni und seine Braut, die Anna!«
Toni und Anna traten aus der Berghütte. Alois reichte ihnen zwei volle Maßkrüge. Sie hoben sie hoch und prosteten in die Menge. Dann tranken sie.
Toni legte seinen Arm um Anna.
»Freunde! I will euch danken, daß ihr gekommen seid. I will euch danken, daß ihr die Anna so in eurer Mitte aufgenommen habt. Ich werde bestimmt glücklich mit ihr und sie mit mir. Also trinkt mit mir auf meine Braut, meine Anna, meine Flachlandindianerin. Prosit!«
Sie tranken.
»So, dann schlagt euch die Bäuche voll! Es ist genug da! Danke noch mal, daß ihr alle geholfen habt, daß wir hier oben auf der Berghütte feiern können. Bier ist auch genug da – und wie der Alois schon gesagt hat, angezapft is.«
Die Musikkapelle spielte einen Tusch. Dann wurde gefeiert. Erst wurde gegessen und getrunken, dann getanzt. Das Feuer loderte in den dunklen Nachthimmel und war weithin sichtbar.
Karsten schaute Renate scheu
an.
»Ich würde gerne mit dir tanzen! Wie der Toni schon anregte, sollten wir unsere Scheidungspläne für heute vergessen. Was meinst du dazu, Renate?«
Statt einer Antwort stand Renate auf und reichte Karsten die Hand, damit er sie zum Tanzboden führen konnte. Bei dem einen Tanz blieb es nicht. Renate und Karsten gehörten zu den eifrigsten Tänzern in dieser Nacht. Irgendwann, weit nach Mitternacht, hörten die Musiker auf zu spielen.
Renate zog ihre Schuhe aus.
»Oh, entschuldige, deine wunden Füße! Da habe ich gar nicht daran gedacht, Renate. Ich bin auch so gedankenlos.«
Renate legte ihren Zeigefinger über Karsten Lippen.
»Psst! Ich habe doch nichts gesagt. Es war schön. Doch jetzt bin ich froh, daß die Musiker aufgehört haben. Ich hätte nicht aufgehört, mit dir zu tanzen.«
»Wollen wir reingehen?«
»Ja, die meisten haben sich schon verzogen. Morgen, das wird bestimmt auch noch einmal ein langer Tag.«
Wie selbstverständlich schob Renate ihren Arm unter den Arm von Karsten, und sie gingen hinein.
*
Geräusche, die draußen vor der Berghütte