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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.

Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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verwildert. Schaue es dir einfach an, Petra!«

      »Ja, das wird das beste sein!«

      »Wann willst du fahren?«

      »Morgen! Ich nehme mir heute nacht hier ein Zimmer und fahre morgen früh los, ganz früh. Es ist zwar nicht weit, aber ich möchte nicht in den Berufsverkehr kommen. Heute möchte ich nicht fahren. In meinem Kopf dreht sich alles.«

      Petra fuhr sich durch die Haare und rieb sich die Stirn.

      »Du kannst auch gerne bei uns übernachten, Petra! Meine Frau wird sich sicherlich freuen, dich zu sehen. Sie kennt dich noch als du so klein gewesen bist.«

      Er hielt seine Hand ungefähr auf der Höhe der Tischplatte.

      »Danke, das ist sehr lieb. Aber ich möchte gerne alleine sein.«

      »Das kann ich verstehen. Wenn du jemanden zum Reden brauchst, dann bin ich immer für dich da.«

      Er gab Petra eine Visitenkarte mit seiner privaten Telefonnummer.

      »Hast du keine Freundin oder einen Freund, den du mitnehmen kannst?«

      »Einen Freund habe ich nicht. Ich habe einige Freundinnen. Die anstehende Entscheidung muß ich ganz allein treffen. Dann muß ich mir später nicht den Vorwurf machen, ich hätte mich beeinflussen lassen.«

      »Ja, das mußt du! Du bist die Erbin des Vogelmeier Hofes. Überlege es dir genau. Schau dir dein Erbe an. Vielleicht gibt es ja auch die Möglichkeit, den Hof zu verpachten oder Wiesen oder das Waldstück zu verkaufen. Da müßte man Käufer finden. Xaver Baumberger ist vertrauenswürdig. Er kennt vielleicht jemanden in Waldkogel, der von dir pachten oder kaufen würde. Dann könntest du damit die Schulden abtragen. Du könntest auch Zimmer vermieten, wenn du das Erbe annimmst und selbst auf den Hof ziehen. Bei den Bankverhandlungen würde ich dir helfen.«

      Petra seufzte.

      »Mich trifft das alles so unvorbereitet. Wenn mir meine Mutter schon früher etwas erzählt hätte… Wenn ich Vater Vogelmeier gekannt hätte… Ach, was sage ich, wenn, wenn, wenn!«

      »Petra, bitte überlege dir auch, ob du nicht doch mit deiner Mutter sprechen willst und mit deinem Vater. Ich denke, gerade deine Mutter sollte es wissen. Daß er dir den Hof vermacht hat, ist vielleicht auch eine Art Wiedergutmachung.«

      »Das ist alles so kompliziert. Ich habe es gern schön einfach. Ich mache meine Arbeit. Ich verdiene nicht sehr gut, aber ich bin zufrieden. Ich bewohne eine kleine Dachwohnung. Ich habe ein kleines gebrauchtes Auto. Ich gehe mal ins Kino, in Ausstellungen und ins Theater. Ich lese gerne. Treffe mich mit Freunden. Mein Leben war so schön geordnet. Jetzt ist da plötzlich der Vogelmeier Hof, ein verunglückter Vater und eine Hypothek. Das Ganze erscheint mir wie ein Alptraum.«

      »Im Leben geht es gelegentlich mal etwas turbulent zu. Du bist noch jung, Petra. Es gibt immer Situationen im Leben, die plötzlich und unerwartet hereinbrechen. Meistens ist man nicht darauf vorbereitet. Das geht jedem so, früher oder später. Damit muß man fertig werden. Man kann nicht davonlaufen oder man sollte nicht davonlaufen, auch wenn man es kann. Das ist keine Lösung. Die berühmte Vogelstraußpolitik, einfach den Kopf in den Sand zu stecken, bringt auch nichts. Deine Mutter und Ingbert haben jahrelang den Kopf in den Sand gesteckt. Sie hätten viel früher mit dir darüber sprechen müssen. Jetzt wurde dir eine große Last aufgebürdet. Doch wenn ich dich so anschaue, dann sehe ich eine starke junge Frau. Du wirst das schaffen! Wie immer auch deine Entscheidung ausfällt, du wirst dich richtig entscheiden. Das weiß ich.«

      Er nickte ihr zu. »Wie immer du dich auch entscheidest, ich hoffe, daß du deine Wurzeln findest.«

      »Ja, vielleicht werde ich sie in Waldkogel finden. Seit Mutter mir das gesagt hat, war ich ohne Ruhe – ohne Heimat. Ich wußte nicht mehr, wo ich hingehöre.«

      Nachdenklich sagte sie:

      »Ich habe die letzten Jahre oft darüber nachgedacht, was Heimat eigentlich ist, was Heimat bedeutet.«

      »Bist du zu einem Ergebnis gekommen?«

      »Heimat, dieser Begriff hat so viele Schichten. Ich dachte, ich hätte eine Heimat. Doch die ist zerbrochen. Weißt du, was Heimat ist?«

      »Heimat kann man bei einem geliebten Menschen finden. Dann ist Heimat ein Ort, an dem man mit ihm glücklich ist. Andere sagen, daß Heimat nur dort ist, wo man geboren wurde, wo man aufgewachsen ist. Ort, Plätze können zur Heimat werden. Manche Menschen sagen, daß der Boden ihrer Heimat einen ganz besonderen Geruch hat. Das Gleiche gilt für Essen. Das Gefühl Heimat kann auch durch eine bestimmte Speise hervorgerufen werden. Musik kann ein Heimatsgefühl auslösen.«

      Petra hörte ihm aufmerksam zu.

      »Dann, Petra, gibt es noch etwas. Ein Mensch kommt irgendwohin. An diesem Ort war er noch niemals zuvor. Der Ort müßte ihm fremd sein. Aber er ist es nicht. Er fühlt sich dort sehr wohl. Sein Herz schläg ruhiger. Er ist zufrieden und glücklich. Dieser Mensch ruht in sich an diesem Ort. Er weiß, daß er dahin gehört. Dann ist dieser Ort seine Heimat. Eine Heimat, die er selbst wählte, weil er spürte, da gehöre ich hin.«

      »Deshalb soll ich mir den Hof anschauen?«

      »Nicht nur den Hof! Die Berge! Das Tal! Den Waldsee! Die Almen! Gehe wandern! Bleibe eine Weile in Waldkogel.«

      Petra packte die Unterlagen in ihren Rucksack. Sie stand auf.

      »Ich werde dann gehen.«

      Doktor Ludwig Leuthold überredete Petra, daß sie ihm ihren Autoschlüssel gab. Er sah, wie aufgewühlt sie war. Er fuhr sie mit ihrem Wagen in ein schönes Hotel. Erst als er wußte, daß sie gut untergebracht war, nahm er ein Taxi und fuhr zurück in seine Kanzlei.

      *

      Obwohl es erst später Nachmittag war, hatte sich Petra gleich hingelegt. Die Gedanken jagten durch ihren Kopf. Sie fühlte sich so allein. Sie sehnte sich nach jemanden, dem sie vertrauen konnte. Nach irgend jemanden, der sie fest in die Arme nehmen würde. Aber da war niemand. Mit dieser Sehnsucht im Herzen war sie eingeschlafen.

      Um fünf Uhr wurde ihr das Frühstück auf dem Zimmer serviert. Sie trank nur den Orangensaft und eine Tasse Kaffee. Sie belegte sich Brötchen mit der Wurst und dem Käse. So früh am Morgen konnte Petra nichts essen. Später unterwegs bekomme ich sicherlich Hunger, dachte sie.

      Als sie am Empfang die Rechnung zahlen wollte, erfuhr sie, daß das bereits erledigt war. Doktor Ludwig Leuthold hatte das Zimmer bezahlt.

      Der Empfangschef gab ihr einen Umschlag. Petra öffnete ihn.

      Auf einem Briefbogen aus zartgelben Papier stand:

      Liebe Petra!

      Ich wünsche dir von Herzen viel Glück. Mögest du das finden, was du suchst, eine Heimat für dein ruheloses, heimatloses Herz.

      Dein Onkel Ludwig.

      Petra fuhr mit dem Aufzug hinunter in die Tiefgarage des Hotels. Sie stieg in ihr kleines Auto und fuhr los. Vorher hatte sie sich die Streckenführung genau angesehen. Es war kurz nach halb sechs und noch ruhig auf der Landstraße. Sie kam zügig voran. Nach jeder Abzweigung wurde die Straße schmaler und führte immer weiter hinein in die Berge.

      An der letzten Abzweigung hielt sie an. Es war nicht mehr weit. In der klaren Morgenluft konnte sie in der Ferne die Häuser sehen. Der Kirchenturm überragte die Dächer. Es glitzerte etwas in der Morgensonne. Petra vermutete, daß es ein Wetterhahn auf der Turmspitze sein könnte.

      Petra öffnete das Schiebedach, stellte sich auf den Autositz und drängte sich mit ihrem schlanken, mädchenhaften Körper durch die Öffnung. So stand sie lange da und betrachtete Waldkogel in der Ferne. Es lag friedlich am Ende des Hochtals zwischen den Bergen. An den Hängen der Gipfel hoben sich weiße Schneefelder vom nackten grauen Gestein ab.

      Welch ein Anblick! Petra konnte ihre Augen nicht abwenden.

      So hörte sie auch nicht, wie sie angesprochen wurde. Sie war ganz versunken in diesen Anblick. Die Luft machte sie fast betrunken,


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