Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
Unterrock und den blauen Wildlederschuhen. Jetzt brauche ich nur noch Strümpfe.«
Die Verkäuferin stellte einen kleinen Korb vor Anna hin.
»Das sind unsere Musterstrümpfe.«
Anna besah sich jedes einzelne Paar. Sie waren aus ganz feiner Baumwolle und hatten verschiedene Muster. Schließlich entschied sie sich für eine Sorte.
Als Anna aus der Umkleidekabine kam und sich in dem großen Spiegel betrachtete, erkannte sie sich selbst kaum wieder. Die Verkäuferin legte ihr noch ein großes Schultertuch aus dünner Wolle um die Schultern.
Lange stand sie so vor dem Spiegel und betrachtete sich. Sie drehte sich hin und her, ließ den Stoff des langen Rockes schwingen. Die Verkäuferin zeigte ihr, wie sie durch das Umlegen des Schultertuches auf ganz verschiedene Weise ihr Aussehen noch besser ins Licht rücken konnte.
Anna kaufte das blaue Dirndl und auch das grüne, denn sie glaubte, herausgefunden zu haben, daß Antonius die Farbe Grün gefiel. Außerdem paßte die Farbe des Kleides zu Tonis grünen Augen. Dazu erstand sie passende Schultertücher aus feinster Wolle. Anna verließ den Laden nicht ohne die passenden Schuhe.
Glücklich und beschwingt machte sie sich auf den Heimweg.
Vor dem Gasthof drängte sich eine Gruppe junger Bergwanderer, alle so Mitte zwanzig. Meta stand dabei und sprach mit ihnen. Als Anna ausstieg in ihren körperbetonenden Kniebundhosen, pfiffen einige vor Bewunderung.
»Also, wenn es hier so fesche Madeln gibt, dann bleibe ich länger!« bemerkte einer der Burschen laut mit Blick auf das Nummernschild von Metas Auto.
»He, Madl, was muß ich machen, daß du mit mir am Wochenende tanzen gehst?«
Anna bemühte sich, wie eine Einheimische zu sprechen.
»Ich suche mir aus, mit wem ich geh. Und wenn ich dich so betracht, dann bist mir ein rechtes Würstel aus der Stadt. Wir Madln aus den Bergen vergucken uns nur in echte Mannsbilder, du Milchbubengesicht.«
Das saß. Die jungen Burschen lachten ihren Kameraden aus. Dieser errötete vor Verlegenheit.
»Ja, bei den Einheimischen hier, da mußt du aufpassen, Dirk.«
»Ich habe es doch nicht so gemeint. Ihr wißt doch, meine große Klappe.«
Anna setzte noch eins drauf.
»Hier reden Männer nur, wenn sie wirklich was zu sagen haben. Auf Schwätzer fallen wir nicht rein, nicht wahr, Meta?«
Meta, die erstaunt dabeigestanden hatte, pflichtete Anna zu.
»Hast alles eingekauft, Anna?«
»Ja, ich habe richtig zugeschlagen. Alles richtig zünftige Sachen für die Berge und warmes Zeug. Auf der Berghütte wird es kalt werden.« Anne öffnete den Kofferraum. »Schau!«
Meta schlug die Hände zusammen.
»Mei, Anna! Das ist ja ein ganzer Haufen Zeug. Wie willst du das alles auf die Hütte raufbringen? Da mußt du dich schön abschleppen.«
Darüber hatte sich Anna wirklich noch gar keine Gedanken gemacht. Meta half ihr, die Sachen ins Haus zu tragen.
»Ich gehe mit der Anna hinauf, Xaver!« rief sie ihrem Mann zu, der in der Gaststube alle Hände voll zu tun hatte.
Xaver grinste nur, als er all die Tüten und Pakete sah.
Während Anna auspackte, sagte sie:
»Ich habe den Toni gar nicht gesehen.«
»Der ist schon hoch zur Berghütte! Er ist doch rechtzeitig aufgestanden und gleich losgegangen. Den Bello hat er mitgenommen. Er will ein paar Sachen schon raufbringen. Saubermachen will er auch. Mei, er will es halt ein bisserl schön machen. Damit es dir die paar Tage da oben gefällt.«
»Ich denke, daß es mir in jedem Fall gefällt.«
Dann bewunderte Meta die Sachen, die Anna sich gekauft hatte.
»So viel Zeug! Man könnte ja denken, daß du länger bleiben willst.«
Anna nahm Meta bei den Händen und zog sie neben sich auf das Bett.
»Meta, hör mal! Ich muß dir jetzt was sagen, und ich will dich auch was fragen.«
»Rede, Kind!«
»Mir gefällt es hier in den Bergen gut. Die Sue hat es ja immer schon gesagt, daß es hier so schön ist. Nur vorstellen konnte ich es mir nicht. Ich würde gern öfter kommen. Damit ich nicht so viel Gepäck habe, würde ich die Sachen alle gerne hierlassen. Ich weiß ja nicht, wie oft deine Tochter zu Besuch kommt. Ist es möglich, daß ich dieses Zimmer miete?«
Meta legte den Arm um Anna.
»Mieten kannst du das Zimmer nicht, es ist ja kein Gästezimmer. Aber der Schrank ist fast leer. Die paar alten Sachen nehme ich gleich raus. Dann kannst du alles reintun. Und wenn du kommst, dann bist du mir herzlich willkommen. Ich mag dich, Anna. Komme nur recht oft. Ich bin eben immer alleine mit den beiden Mannsbildern, meinem Mann und dem Toni. Ich habe gern mal wieder jemand um mich rum, mit dem ich reden kann, so von Frau zu Frau! Ich mag dich, Anna! Das sollst du wissen, was auch immer geschieht. Verstehst, was ich meine, auch wenn ich es nicht ausspreche?«
Anna sah Meta an und nickte.
»Ich mag dich auch, Meta! Weißt du, ich habe keine Eltern. Die sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Aufgewachsen bin ich bei meiner Großmutter und deren Schwester. Ich war sehr behütet.«
»Das kann ich verstehen.«
»Sue wollte mich schon immer mal mit in die Berge nehmen. Schon während der gemeinsamen Schulzeit ist Sue immer in die Berge gefahren. Aber meine Großmutter wollte das nicht. Ich durfte immer nur ans Meer fahren. Meine Eltern sind bei einem Autounfall auf einer Paßstraße verunglückt. Die Bremsen haben versagt, und sie sind in eine Schlucht gestürzt. So habe ich gelernt, daß Berge etwas ganz Schlimmes sind. Jetzt habe ich zum ersten Mal die Berge erlebt und ihre Schönheit entdeckt. Großmutter denkt, ich sei in Frankfurt bei Susanne. Ich weiß nicht, wie ich ihr das sagen soll. Die Sachen kann ich unmöglich mit nach Hamburg nehmen.«
Meta nahm Anna in den Arm.
»Lebst du bei der Großmutter, die die Neufundländer hatte?«
»Nein, diese Großmutter ist die Mutter meiner Mutter. Die Großmutter in Hamburg, das ist die Großmutter meines Vaters.«
»Hatte dein Vater noch Geschwister?«
»Ja, einen Bruder. Mein Onkel ist verheiratet und wohnt ganz in der Nähe. Er hat auf dem Grundstück gebaut.«
»Das ist gut.«
»Warum?«
»Na, weil dann deine Großmutter nicht so alleine ist, wenn du uns jetzt öfters besuchst. Ich denke nämlich, daß du oft bei uns sein wirst. Ich freue mich drauf und Xaver freut sich auch. Und über den Toni, da müssen wir beide doch net lang reden, nicht wahr?«
»Nein, darüber müssen wir nicht reden, Meta!«
»So, jetzt muß ich wieder runter, der arme Xaver macht drunten die ganze Arbeit alleine.«
»Ich packe die Sachen zusammen in den neuen Rucksack, dann komme ich und helfe dir, Meta!«
»Ist schon gut, Anna! Laß dir Zeit!«
Meta ging hinaus. Anna blieb auf dem Bett sitzen und spielte mit den langen Fransen des Umschlagtuches. Sie überdachte das Gespräch mit Meta. Wie geschickt sie sich ausgedrückt hatte. Wie viel sie ihr gesagt hatte, ohne vorzugreifen. Meta hatte ihr eine Brücke gebaut zwischen ihren beiden Leben. Wann immer sie Zeit hatte, konnte sie kommen. Anna erinnerte sich an einen alten deutschen Schlager, den ihre Großmutter so mochte. Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin. Jetzt hab’ ich einen Rucksack in den Bergen, dachte Anna.
Sie sortierte, was sie gleich mit auf die Berghütte nehmen und was sie in den Schrank geben wollte. Bald war der Rucksack