Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
Leo gegen den Wind, der hier oben plötzlich aufgefrischt war. Rex bellte jetzt laut und anhaltend.
»Wartet! Wir bleiben hier stehen. Ich lasse nur Rex von der Leine.«
Leo klinkte die Leine am Geschirr von Rex aus. Der Hund orientierte sich kurz. Dann hechtete er schnüffelnd davon, die Nase immer dicht über dem Boden.
»Ein gut ausgebildeter Suchhund kann nach eine Lawine schneller absuchen als zwanzig Mann«, erläuterte Toni und behielt dabei seinen Hund in den Augen.
Rex blieb nach einigen hundert Metern stehen, gab Laut und setzte sich dann.
»Kommt, er hat etwas gefunden!«
Die Männer eilten hin. In einer Bodenmulde ganz in der Nähe des Wasserrinnsals, das später weiter unten als Gebirgsbach seinen Weg ins Tal suchte, lag ein Mensch. Er war eingehüllt in einen orangeroten Biwaksack.
»Laß mich!« sagte Martin und gab Toni Miras Leine in die Hand.
Er drehte den Körper, der auf der Seite lag, vorsichtig auf den Rücken um.
»Gott sei Dank! Er lebt.«
Der Doktor schaute in ein blutverschmiertes Gesicht.
»Hallo! Aufwachen! Kannst mich hören?«
»Ja!« tönte es leise. Dann öffnete er die Augen.
»Wie heißt du?«
Keine Antwort. Statt dessen ein leises Stöhnen.
»Hast du Schmerzen?«
Die Verständigung war schwierig. Erst nach und nach schien der Angesprochene sie wahrzunehmen. Er bewegte langsam die Hände und schob den Doktor bei Seite. Dann griff er sich an den Kopf.
»Hast du Kopfschmerzen?«
Martin besah sich den Kopf.
»Der hat was vom Steinschlag abbekommen. Platzwunde am Hinterkopf. Die ist aber schon verkrustet. Hast du Kopfschmerzen?«
»Es geht! Durst!« kam es fast tonlos über die trockenen Lippen.
Leo reichte ihm seine Feldflasche. Er trank langsam Schluck für Schluck. Danach wischte er sich den Mund ab.
Dankbar lächelte er seinen Rettern zu.
Toni packte aus seinem Rucksack eine Thermoskanne mit kräftiger heißer Suppe.
»Wie ist dein Name?«
»Mein Name ist...« Er fuhr sich über die Stirn, dann sagte er unsicher. »Jörg?« und nach weiteren Sekunden: »Ja, Jörg! Ja, ich denke, ich heiße Jörg!«
»Na, langsam scheint er zu sich zu kommen.«
Martin fühlte seinen Puls und ermittelte die Blutdruckwerte. Er untersuchte Augen und Ohren, so weit das hier am Berg möglich war.
»Scheinst mehr Glück als Verstand gehabt zu haben. Ich kann so auf den ersten Blick keine ernsthaften Verletzungen feststellen.«
Die drei Freunde sahen Jörg zu, wie er die Suppe löffelte.
»Geht’s dir jetzt besser?«
»Ja, danke, viel besser!«
Er schaute sich immer wieder um.
»Bist wohl vom Wettersturz überrascht worden, wie?«
Noch immer schaute Jörg etwas ungläubig drein.
»Wer seid ihr?«
»Ich bin der Martin, Doktor Martin Engler. Das ist der Leo Gasser, der arbeitet bei der Bergwacht. Dem Toni Baumberger verdankst du, daß wir nach dir gesucht haben. Aber über all das können wir später noch sprechen. Ich werde dich jetzt erst mal verarzten.«
Martin gab ihm zwei Injektionen in den Oberarm und klebte ein Pflaster auf seine Kopfwunde.
»Kannst aufstehen?«
Jörg schälte sich mit Hilfe seiner Retter aus dem Biwaksack.
Er taumelte und schloß die Augen. Sie hielten ihn fest.
»Danke, jetzt geht es schon wieder.«
Er schaute sich wieder um.
»Wie komme ich hierher?«
Die drei wechselten Blicke. Martin legte behutsam die Hand auf Jörgs Schulter.
»Bist auf einer Bergwanderung von einem Wettersturz überrascht worden. Dann hat dich wohl ein Stein am Kopf getroffen. Erinnerst du dich?«
Mit ungläubigen Augen schaute Jörg den Doktor an.
»Wo ist dein Rucksack?«
Wieder rieb sich Jörg die Stirn.
»Gell, kannst dich an nichts erinnern?«
»An wenig! Da war was, aber was? Weiß nicht!«
Sie führten ihn zu einem größeren Felsbrocken. Er setzte sich. Martin säuberte etwas sein Gesicht mit Wasser.
»Wie bringen wir ihn runter?« fragte Leo.
»Ich kann über Funk einen Rettungshubschrauber ordern oder wir versuchen ihn bis zum Auto zu tragen. Allerdings wäre es besser, dann über den Kamm zu gehen und drüben abzusteigen. Der andere Abstieg ist breiter und auch ein ganzes Stück kürzer.«
»Aber er ist steiler. Ziemlich steil sogar!« gab Toni zu bedenken.
»Das hat Vorteile für uns. Wir können ihn dann auf der Trage gleiten lassen«, erläuterte Leo.
Jörg schien der Unterhaltung gefolgt zu sein. Er griff nach Tonis Hand.
Ihr müßt mich nicht tragen. Ich kann gehen, auch wenn ich noch einen Wackelkontakt im Kopf habe, wie nach einer durchzechten Nacht. Ich muß einen Filmriß haben, irgendwie. Aber es geht schon.«
Langsam erhob er sich.
»Der Biwaksack muß mit. Man soll am Berg nichts zurücklassen, sonst sieht die Natur bald wie eine Müllhalde aus«, flüsterte Jörg.
»Scheinst die Berge sehr zu mögen, Jörg, wie?«
»Ich liebe die Berge. Meine einzige Liebe sind die Berge!«
Toni raffte den Biwaksack zusammen und schnallte ihn auf seinen Rucksack.
Leo seilte Jörg an und ging voraus. Toni und Martin eskortierten ihn links und rechts. Die Hunde liefen immer ein Stück voraus, blieben aber dann stehen und warteten. Langsam setzte Jörg Schritt vor Schritt. Dann und wann blieb er stehen, rieb sich die Stirn, um danach kopfschüttelnd weiterzugehen.
Oben auf dem Kamm machten sie eine Pause. Mittag war inzwischen längst vorbei. Der Abstieg ging dann doch zügiger, als die drei es erwartet hatten.
Endlich, bei Einbruch der Dunkelheit, erreichten sie das Auto. Sie legten Jörg hinten auf die Trage und deckten ihn zu.
»Wo fahren wir hin?«
Toni beugte sich über ihn.
»Sollen wir dich zu Franzi bringen?«
Da huschte ein zaghaftes Lächeln über sein Gesicht.
»Franzi, ja Franzi! Das klingt gut.«
Dann schloß Jörg die Augen und fiel sofort in tiefen Schlaf.
»Also auf zu Franzi!« sagte Toni.
»Das kann ich nicht verantworten. Ich hätte es noch nicht mal verantworten können, ihn den Berg runterlaufen zu lassen. Vom medizinischen Standpunkt aus war das unverantwortlich!«
»Martin hat vollkommen recht. Es war unverantwortlich, auch aus meiner Sicht. Ich hätte doch den Hubschrauber kommen lassen sollen. Wenn dem Jörg was passiert, dann kann mich das meinen Posten kosten.«
Toni blieb ganz ruhig.
»Ich allein trage die Verantwortung für Jörg. Ich habe euch zu der Sache überredet.