Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
wollt halt erst mal allein mit euch reden. Jörg ist beim Toni auf der Berghütte und hilft ihm beim Renovieren. Aber wenn ihr wollt, dann komm ich am Sonntag mit ihm her.«
Allmählich begriff ihr Vater.
»So, dann ist er doch beim Toni gewesen, und du bist auf der Alm gewesen. Da bin ich beruhigt.«
Franzi warf ihrer Mutter einen flehentlichen Blick zur Unterstützung zu. Dann schaute sie ihrem Vater direkt in die Augen.
»Nein, Vater, der Jörg war bis heute bei mir auf der Alm. Ich hab’ ihm die eine Kammer gegeben.«
Der Dollingerbauer lief rot im Gesicht an. Er holte Luft. Aber Franzi kam ihm zuvor:
»Vater, ich warne dich! Sag jetzt nicht etwas, was du bereuen tust. Ich bin alt genug und weiß, was ich tue. Hör mir erst zu Ende zu! Ich hab’ nämlich noch nicht alles erzählt.«
Pius Dollinger trank das Bierglas in einem Zug halb aus. Er wischte sich den Schaum vom Oberlippenbart.
»Gut, Franzi! Erst red’st du, dann ich!«
Nach und nach erzählte Franzi ihren Eltern von ihrem Schatz. Sie ließ nichts aus. Sie sprach von dem tiefen inneren Gefühl, das sie veranlaßt hatte, bei Toni um Hilfe zu suchen.
Sie erzählte, wie und wo die drei Freunde ihn dann gefunden haben. Sie ließ auch die Diagnose von Doktor Martin nicht aus.
»So, jetzt wißt ihr alles. Jedenfalls lieb ich ihn und er mich. Er kann zupacken, Vater. Er wird dir gefallen. Er hat ganz schnell das Melken rausgehabt und käsen kann er auch schon. Nur mit dem Heumachen, das klappt noch nicht so gut. Er tut sich noch etwas schwer mit der Sense am Hang. Aber ich bin mir sicher, daß er das auch noch lernen tut.«
Flehentlich schaute sie ihre Eltern an.
»Mutter! Vater! Ich liebe ihn wirklich – und er liebt mich. Er tut mir so leid. Er kann sich nur an ganz wenig erinnern. Er kann nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob Jörg wirklich sein richtiger Name ist. Wie soll das nur weitergehen?«
»Wilma, hol den Schnaps! Ich muß mich erst mal stärken. Schenk mir gleich einen Doppelten ein.«
Pius kippte das erste Glas. Dann schenkte ihm seine Frau nach. Auch das trank er sofort in einem Zug aus.
»Franzi, da weiß ich auch nicht, was zu tun ist, in so einem Fall. Wilma, was meinst du?«
»Ich seh nur, daß unsere Franzi glücklich ist. Ich glaub ihr, daß sie ihn liebt. Wie es ausschaut, liebt dieser Jörg sie auch. Entscheidend ist doch, daß sie einen guten Mann kriegt. Zupacken kann er, sagt sie. Melken hat er gelernt! Er wird einen guten Bauer abgeben, so wie es ausschaut. Dann soll er uns willkommen sein. Pius, was wollen wir da noch viel Worte verlieren. Du hast dir doch immer gewünscht, daß Franzi einen Bauern auf den Hof bringt. Jetzt hat sie einen. Das Kind ist glücklich. Das ist für mich als Mutter die Hauptsache.«
»Wilma, davon red ich net. Das ist eh klar. Aber das mit der Diagnose vom Martin, das ist doch arg schlimm.«
»I weiß auch net, wie man da vorgehen tut. Wir müssen mit dem Doktor sprechen und dann sollten wir mit dem Pfarrer reden. Der ist ein hochstudierter Mann. Er wird wissen, was da zu tun ist, damit die beiden heiraten können.«
»Es muß festgestellt werden, ob er net schon verheiratet is.«
»Vater! Nein!« Franzi schrie vor Entsetzen und Angst auf. »Nein, das darf nicht sein. Nein!«
Tränen traten ihr in die Augen.
Ihr Vater rutschte auf der Eckbank neben sie. Ihre Mutter setzte sich auf die andere Seite.
»Kind, ich wünsch’ dir das wirklich net. Aber da er gar nix weiß...«
»Mutter, ich weiß es. Er liebt nur mich. Er hat droben auf dem Berg nur mein Bild immer vor Augen gehabt. Das hat er mir jeden Tag erzählt. Und wenn er mich geküßt hat, dann fühlte ich es, hier drin.« Franzi schlug sich auf die Brust. »Er liebt nur mich. Wenn es da eine andere Frau in seinem Leben geben würde, da könnte er mich net so küssen!«
Trotz der ernsten Situation mußten die Eltern schmunzeln. Liebevoll und tröstend strich ihr Vater Franzi unbeholfen übers Haar.
»Wird schon alles gut werden! Bring uns am Sonntag deinen Schatz mal runter. Wir sind schon neugierig, wer es geschafft hat, unserer Franzi so den Kopf zu verdrehen.«
Franzi strahlte und drückte zuerst ihre Mutter, dann ihren Vater.
»Er wird euch bestimmt gefallen. Da bin i mir ganz sicher. Ich muß aber ein paar gute Sachen vom Lenz mit raufnehmen. So wie er jetzt angezogen ist, kann er am Sonntag nicht durchs Dorf gehen.«
»Mach das! Wenn du denkst, die Sachen passen ihm.«
Bis nach Mitternacht saßen sie zusammen und redeten und redeten. Dann gingen sie schlafen. Franzi fiel gleich in einen tiefen Schlaf. Im Traum wanderte sie mit ihm Hand in Hand durch die Berge.
*
Toni und Jörg, wie er sich rufen ließ, arbeiteten Hand in Hand. Immer wieder war Toni erstaunt, mit wieviel Leichtigkeit und Geschick sein Helfer die anstehenden Arbeiten anpackte. Er wußte immer, was zu tun war. Während der Arbeit schauten sich die Männer immer wieder an. Es bedurfte keiner Worte. Sie verstanden sich auch so. Toni fragte sich, woher Jörg das alles wußte, und dieser versuchte sich zu erinnern. Doch er konnte vieles nicht zuordnen. So vergingen die Tage.
Der alte Alois, der die Berghütte viele Jahrzehnte zusammen mit seiner Frau bewirtschaftet hatte, kam auch auf den Berg. Er konnte nicht mehr schwer körperlich arbeiten. Er kümmerte sich um die Wirtschaft, wie in alten Zeiten. Er kochte sehr schmackhafte und kräftige Mahlzeiten und vermittelte Toni auf diese Art und Weise weitere Kenntnisse, die ein Hüttenwirt nun einmal haben mußte.
Bei schlechtem Wetter saßen die drei Männer am Kamin. War es trokken, dann hielten sie sich vor der Hütte auf. Sie tranken einen Enzian oder Tee mit Rum. Dort saßen sie und schauten der untergehenden Sonne zu. Auch wenn der rote Feuerball schon hinter den Bergen verschwunden war, so leuchteten die Bergspitzen vom »Engelssteig« und »Höllentor« noch rötlich, bis die Nacht sie ganz umhüllte.
Meistens erzählte Alois aus seinem Leben. Die beiden Jungen hörten dem Alten gern zu. Der Alois konnte schön erzählen. Seine Geschichten und Anekdoten waren darüber hinaus noch lehrreich auf ganz verschiedene Weise. Alois verfügte wie kein anderer in der ganzen Gegend über ein umfangreiches Wissen, was die Natur und die Berge betraf. Er vermittelte darüber hinaus die Achtung und die Ehrfurcht der Schöpfung gegenüber.
Eines Abends war Alois still. Er saß auf seinem bequemen Lehnstuhl, den Toni und Jörg für ihn gezimmert hatten und rauchte. Er war ganz in Gedanken. Seine Augen wanderten die Berghänge hinauf bis zu den Gipfeln. Dann betrachtete er den Abendhimmel, der sich wolkenlos darüber spannte.
»Heute nacht wird’s klar und sehr kalt werden. Aber morgen wird’s ein schöner warmer und milder Tag sein. Grad recht für eine schöne Wanderung.«
Er schaute Toni an.
»Wie ist es, hättest nicht Lust dazu?«
»Lust schon! Lust hab’ i immer!«
»Dann mach’s! Zieh morgen früh gleich los. Ich halt hier die Stellung. Nimmst den Jörg mit. Das ist das Beste, was du für den tun kannst.«
»Warum meinst, daß das so gut für ihn ist, Alois?«
»Weil er dann suchen kann.«
»Du meinst, wir sollten probieren, seine Sachen zu finden, den Rucksack oder was davon übrig ist? Du, Alois, die Berge sind groß und weit. Es ist ja noch net einmal klar, wo er seine Sachen verloren hat. Außer der Brotdose haben wir nix gefunden.«
Der alte Alois zog bedächtig an seiner Pfeife.
»Ich rede net von Sachen. Er hat sein Inneres am Berg verloren. Bring’ ihn rauf!«
»Ah, jetzt versteh i. Du meinst, wenn