Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
Olga erklärte ihrem Mann kurz den Sachverhalt. Volker sagte erst mal nichts. Dann ging er zum Kühlschrank und holte drei Bier, Gino, sein Vater und er waren sich schnell einig und verstanden sich auf Anhieb gut. Olga brachte für sich und Lola Kaffee. Nicky trank auch eine Tasse mit. Dann beratschlagten sie.
»Die Katja hatte schon immer ihren eigenen Kopf. Wenn die nicht will, dann will sie nicht. Und wenn sie will, dann setzt sie alles dran. Doch diesmal verstehe ich das Kind nicht. Sie hat sich hier schon die Augen nach Gino ausgeweint. Jetzt könnte sie ja sagen aber jetzt ziert sie sich«, sagte Volker Mehring.
Etwas ratlos saßen die beiden Familien im Wohnzimmer. Nur Nicky hörte zu und grinste.
»Was soll das Grinsen, Nicky? Oder weißt du, warum sich deine Schwester so seltsam benimmt?«
»Wissen! Wissen tu ich gar nichts! Doch ich würde es genauso machen!«
Nicky blickte in erstaunte Gesichter.
»Ja, schaut nicht so! Ich kann euch nur sagen, daß ich auf Katjas Seite bin.«
Nicky stand auf und wollte aus dem Wohnzimmer rennen. Ihr Vater hielt sie zurück.
»So geht das nicht! Hiergeblieben! Setz dich wieder hin und sage, was du denkst. Du weißt doch etwas!«
»Ich habe euch gesagt, daß ich gar nichts weiß. Doch du hast das nicht richtig gemacht, Gino!«
Sie warf Gino einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Was habe ich nicht richtig gemacht?«
»Alles!«
Olga Mehring stöhnte.
»Nicky, bitte! Singe es meinetwegen, wenn du es nicht sagen kannst. Nur laß es uns wissen.«
»Singen! Okay! Bleiben wir beim Singen! Hast du Katja ein Ständchen gebracht, Gino? Hast du ihr Gedichte geschrieben? Liebesbriefe geschickt? Ich dachte mir, als Halbitaliener wärst du viel romantischer. War wohl Fehlanzeige! Erst dachtest du an gar nichts und bist hier übermütig mit der Tür ins Haus gefallen. Aber das war wohl immer noch besser, als Katja einen Arbeitsvertrag anzubieten. Das soll romantisch sein? Ich denke, du bist Halbitaliener.«
»Nicky, ich wollte Katja doch nur beweisen, daß ich etwas tauge.«
»Schon klar! Hat dich das weitergebracht? Ich meine, viel weitergebracht? Sie hat dich geküßt. Sie machte dir Hoffnungen. Das ist schon mal gut. Es ist noch nicht alles verloren. Aber ich würde genau so handeln wie Katja.«
Nicky verdrehte träumerisch die Augen und tanzte durch das Wohnzimmer.
»Romantik! Romantik! So heißt das Zauberwort. Gemeinsam spazieren gehen im Mondschein! Eng aneinandergedrückt während eines Sommerregens alleine durch den Park flanieren, während die Regentropfen auf den Schirm fallen und ein Liebeslied singen. Liebesbriefe auf duftendem zarten Briefpapier! Ein vierblättriges Kleeblatt zwischen den Briefseiten! Pralinen in Herzform. Eigene handgeschriebene Gedichte!«
Nicky blieb herausfordernd vor Gino stehen.
»Hast du ihr ein Foto von dir geschenkt, das Katja auf ihren Nachttisch stellen kann? Trägt sie ein Medaillon um den Hals mit deinem Bild? Es gibt auch solche Freundschaftsarmbänder mit Buchstaben. Ein Armband mit den Buchstaben
G-I-N-O würde Katja bestimmt gefallen.«
Nicky rief mit weit ausholenden Gesten:
»Also, wenn ich mich verliebe, dann muß das ganz romantisch sein. Zärtliche Botschafen. Liebevolle Worte auf dem Anrufbeantworter.«
Nicky rollte träumerisch die Augen. Dann sprach sie Gino streng an: »Geht das in deinen Schädel rein? Katja will Romantik!«
Es war ganz still im Wohnzimmer. Die Koppermanns und die Mehrings schauten sich an.
»Du meinst, daß Katja auf so etwas Wert legt?« Ginos Stimme klang höchst verwundert. »Ist das nicht lächerlich?«
»Gino, wie kannst du so etwas fragen!« empörte sich seine Mutter. »Ich bin erschüttert und entsetzt zugleich. Du blamierst mit dieser Aussage sämtliche männliche Ahnen deiner italienischen Vorfahren bis zurück zu den Römern oder noch weiter. Wenn ich das deinem Opa erzähle, bricht er vor Scham zusammen!«
Verlegen rieb sich Gino das Ohrläppchen.
»Ich... ich... ich!«
»Gino, höre auf zu stottern! Was wird jetzt?«
»Ich werde zu Katja fahren und um sie werben.«
»Der Groschen ist gefallen, besser spät als nie«, kommentierte Nicky.
Dann beschlossen die Familien Koppermann und Mehring gemeinsam in die Berge zu fahren. Die Koppermanns hatten schon ihre Reisekoffer im Auto. Olga Mehring hatte schnell gepackt. Sie und Volker nahmen sich frei. Schließlich war es so etwas wie ein Notfall.
Katjas Eltern fuhren mit Ginos Eltern. Nicky spielte Beifahrerin bei Gino und nervte ihn die gesamte Strecke. Trotzdem erfuhr Gino so vieles über Katja.
Gino hatte mit Toni telefoniert. Die Mehrings und die Koppermanns wurden bei den Baumbergers einquartiert. Zu diesem Zweck war Toni von der Hütte heruntergekommen. Während die Eltern und Nicky ihre Zimmer bezogen, hatte Gino mit Toni ein Gespräch. Gemeinsam besuchten sie noch am gleichen Abend den Bürgermeiser Fellbacher und Leo Gasser, der bei der Bergwacht arbeitet.
Gino hatte einen Plan gefaßt und wollte ihn unbedingt durchsetzen, koste es, was es wolle. Bürgermeister Fellbacher spielte mit, als er hörte, es gehe dabei um die Liebe zweier Menschen. Die Vorbereitungen wurden in aller Eile getroffen.Trotzdem dauerte es bis zum Samstagabend, bis alles vorbereitet war.
Gino hielt sich bis Samstagmittag in Waldkogel auf. Toni war schon auf der Berghütte, als Gino am späten Samstagnachmittag kam. Katja war die ganzen Tage unruhig gewesen und voller Ungeduld. Sie hatte Anna alles erzählt. Anna hatte kein Mitleid mit ihr.
»Katja, manchmal denke ich wirklich, du weißt gar nicht, was du willst!«
»Ich will den Gino schon. Ich liebe ihn wirklich. Doch kann denn Liebe so schnell gehen? Hält sie dann auch ein ganzes Leben? Ist es die einzige richtige Liebe?«
»Katja! Du denkst wieder zuviel. Liebe bedenkt man nicht! Liebe fühlt man!«
»Ich will schon! Doch dann – ach, ich weiß nicht!«
Wortlos hielt Anna Katja am späten Samstagnachmitag den Anorak hin.
»Lauf rüber zum ›Erkerchen‹! Wenn der Gino kommt, dann schicke ich ihn dir.«
»Komm, Bello! Wir gehen!«
»Bello bleibt hier, Katja! Der lenkt dich nur ab. Wenn du den Tönen in deinem Herzen lauschen willst, dann mußt du alleine sein.«
Katja wunderte sich, sagte aber nichts.
*
Die Abendsonne tauchte die Gipfel in rötliches Licht. Die Sonne stand wie eine riesige, rotglühende Scheibe am Horizont über den Bergen. Katja saß auf der Bank und zog die Jacke enger um ihren Körper. Es war kühl. Sie dachte, daß sie hier Gino zum ersten Mal geküßt hatte. Sie sehnte sich nach ihm. Warum mache ich nur alles falsch, fragte sie sich.
Dann kam Gino. Sie flog in seine Arme.
»Gino!«
»Katja!«
Sie küßten sich. Katja wünschte, der Augenblick würde nie enden. Ja, sie gehörte zu ihm. Bei jedem Kuß spürte sie es deutlich.
Es wurde dunkler und dunkler.
»Wir müssen zurück, Gino! Der Weg ist kaum noch zu sehen.«
»Ich habe eine Stablampe dabei«, antwortete Gino und küßte sie wieder.
»Du bist ganz sicher bei mir! Ich bringe dich später zurück. Die Sonne ist untergegangen. Die Wolken werden bald aufreißen. Der Wind wird sie vertreiben. Ich will im silbernen