Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
ihn hindurch. Er nahm den racheschnaubenden Mann überhaupt nicht zur Kenntnis. Er nippte gerade an seinem Getränk und stellte das Glas vorsichtig zurück auf die Tischplatte.
Der Angetrunkene hielt plötzlich ein Messer in der Hand. Die breite, messerscharfe Klinge funkelte im Licht der Bar. Schlagartig wurde es still. Die übrigen Gäste begriffen, daß der Spaß vorüber war. Der Mann hinter der Theke griff erneut nach seinem mit Blei ausgegossenen Gummiknüppel.
Doch er konnte nicht mehr eingreifen.
Der Seemann riß den rechten Arm hoch und … schleuderte das Messer auf Butler Parker.
Doch genau in diesem Augenblick hielt Parker seine schwarze steife Melone in der Hand. Das geschah wie absichtslos und ganz spielerisch. Das Wurfmesser prallte mit der Spitze gegen die Melone, drang jedoch nicht ein, sondern fiel klirrend auf die Tischplatte. Josuah Parker lächelte sanft und verweisend. Er griff mit spitzen Fingern nach dem Messer und hielt es an der Spitze hoch, als habe er ein seltsames Insekt gefunden.
Der Seemann stutzte. Er konnte nicht begreifen, wieso das mit großer Wucht geworfene Messer die Melone nicht durchbohrt hatte. Er wollte sich in die Nische stürzen, doch dann starrte er den Butler fasziniert an.
Josuah Parker warf das Messer hoch, fing es wieder geschickt auf und ließ es erneut in die Luft steigen. Es landete stets mit dem Heft in seiner Hand. Das alles ging derart schnell und gekonnt vor sich, daß die Zuschauer aufstöhnten.
Der Angetrunkene wurde von einem seltsamen Gefühl der Angst beschlichen. Er sah und spürte, daß er seinen Meister gefunden hatte! Doch schnell schüttelte er diese Gedanken von sich ab. Er wollte sich gerade jetzt keine Blöße geben.
Wie ein gereizter Stier setzte er sich in Bewegung. Wenn es mit dem Messer nicht klappte, wollte er diesen seltsamen Burschen hinter dem Tisch eben erwürgen. Hauptsache, er saß nicht mehr so steif und aufreizend am Tisch.
Weit kam der Seemann aber nicht.
Parker hielt das Wurfmesser nämlich nicht mehr in der Hand. Es befand sich bereits in der Luft. Es flog über den Tisch und bohrte sich dicht vor dem linken Fuß des Seemanns in den Holzfußboden. Zitternd und federnd blieb es im Boden stecken.
Der Angetrunkene schnaufte, bückte sich nach dem Messer und wollte es zu seinem eigenen Gebrauch herausziehen. Doch er hatte die Wucht und Kraft unterschätzt, die das Messer geschleudert hatten. Selbst nach wütendem Herumschütteln gelang es dem Mann nicht, das Messer aus dem Boden zu ziehen.
»Ich halte es für angebracht, daß Sie jetzt die Bar verlassen«, meinte Josuah Parker mit höflicher Stimme. »Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie Ärger suchen.«
Der Seemann richtete sich wieder auf. Sein Gesicht war vor Anstrengung gerötet. Dumpf schüttelte er den Kopf. Er wollte etwas sagen, doch der Gummiknüppel des Barkeepers verhinderte das. Wie vom Blitz getroffen sackte der Angetrunkene in sich zusammen. Er blieb neben dem Messer liegen, das sich noch immer leicht bewegte. Zwei Stammgäste der Kellerbar trugen zusammen mit dem Barkeeper den Besinnungslosen aus dem Raum. Der allgemeine Friede kehrte ein.
Parker scherte sich nicht um das Gemurmel der Gäste, die ihn mit nachdenklichen und neugierigen Blicken musterten. Gewiß, er war fremd hier, er befand sich in einer Gegend des Hafens, die nicht gerade als einladend bezeichnet werden konnte. Doch Angst kannte der Butler nicht. Nicht aus Nervenkitzel war er hierher gekommen, sondern er wollte Hermy Lactons sprechen, der schon seit einer knappen Viertelstunde überfällig war.
Parker konnte sich diese Unpünktlichkeit nicht erklären. Lactons wußte ja schließlich genau, wie sehr Parker Wert auf Pünktlichkeit legte. Lactons, ein ehemaliger Kellner, der nach einem Unfall Gelegenheitsgeschäfte tätigte, versorgte Parker hin und wieder mit Informationen aus der Unterwelt. Heute nun wartete der Butler auf die Beantwortung seiner Fragen, die er Lactons gestellt hatte. Daß der Mann bisher noch nicht erschienen war, brauchte nichts Schlimmes zu bedeuten. Vielleicht hatte er sich nur verspätet.
Parker sah interessiert hoch, als vorn am Eingang die drei Männer erschienen, die den Seemann hinaus auf die Straße getragen hatten. Sie kamen nicht allein zurück. Sie schleppten den Seemann wieder herein. So sah es zuerst wenigstens aus. Doch als Parker dann genauer hinsah, wußte er, daß er keine Antwort mehr auf seine Fragen erhalten würde.
Hermy Lactons wurde nämlich hereingetragen. Parker erkannte ihn auf den ersten Blick. Der ehemalige Kellner schien vergiftet worden zu sein, wie das gedunsene, rot-violette Gesicht zeigte. Im Mund des Toten aber stak ein Wattebausch, der penetrant nach Chloroform roch.
Vorsichtig stand der Butler auf und näherte sich seinem V-Mann. Lactons hielt in der verkrampften, rechten Hand einen Zettel, der in aller Eile und ohne Sorgfalt aus einem Notizbuch herausgerissen worden sein mochte. In dünnen Buchstaben, die mit einem roten Kugelschreiber niedergeschrieben worden waren, stand zu lesen:
»Der Blasrohr-Gang warnt Neugierige!«
*
Bevor die Polizei eintraf, war der Butler schon unterwegs. Er haßte es, der Polizei Rede und Antwort zu stehen. Er war der Ansicht, dadurch wertvolle Zeit zu verlieren. Er ließ sich stets erst dann bei den Behörden sehen, wenn er einen fertig abgeschlossenen Kriminalfall vorweisen konnte. Dann aber drang er darauf, daß sein Name in den Zeitungen nicht erwähnt wurde. Parker wünschte keine Reklame für sich. Sie hätte seine Arbeit als Amateurkriminalist nur unnötig erschwert. Obwohl er inzwischen längst eine Lizenz als Privatdetektiv besaß, suchte er sich nur solche Fälle aus, die ihn persönlich reizten. Er konnte sich das leisten, denn im Hauptberuf wollte er den Butler seines jungen Herrn, Anwalt Mike Rander, bleiben. Um keinen Preis der Welt hätte er diesen von Jugend auf erlernten Beruf aufgegeben.
Parker verschwand gerade in einer Seitenstraße, als die Sirene eines Polizei-Streifenwagens zu hören war. Der Butler ließ sich jedoch nicht aus seiner sprichwörtlichen Ruhe bringen. Steif und gemessen schritt er weiter. Sein Ziel war die kleine Kellerwohnung des ermordeten Hermy Lactons. Dort wollte er sich etwas näher umsehen.
Für ihn lag es auf der Hand, daß Lactons von jenen Leuten ermordet worden war, denen er, Parker, nachspürte. Der mit Chloroform getränkte Wattebausch und der Zettel in der Hand des Toten ließen keine Zweifel aufkommen. Parker wunderte sich nur darüber, daß ein so vorsichtiger Mann wie Lactons hatte ermordet werden können.
Er griff in die Tasche seines schwarzen, weit fallenden Covercoats. Er spürte den Zettel, den er dem Toten aus der Hand genommen hatte. Korrekt gehandelt war das natürlich nicht. Doch Parker wollte erst eine Fotokopie herstellen, bevor er den Zettel der Polizei in die Hand spielte.
Als er weiterging, hatte er plötzlich das Gefühl, verfolgt zu werden. Er beging nicht den Fehler, nun sofort stehen zu bleiben und zu lauschen. Er tat so, als habe er überhaupt nichts gehört. Doch seine Ohren schienen sich förmlich nach rückwärts zu drehen. Ihnen entging kein Laut.
Nach wenigen Sekunden fand Parker seine Vermutung bestätigt. Eine aufgescheuchte und erschreckt fauchende Katze hinter ihm verhalf ihm dazu. Sie wurde von den leisen Sohlen des Verfolgers aus dem Konzept gebracht und flüchtete sich mit einem gewaltigen Sprung auf eine Mauerkrone.
Josuah Parker schätzte seine Situation genau und kalt ab. Die enge Straße war dunkel, Laternen gab es hier nicht. Das diffuse Licht der Leuchtreklamen reichte nicht aus, um die Häuserschlucht zu erhellen. Die Gelegenheit war also recht günstig, den Verfolger auflaufen zu lassen.
Butler Parker griff zu seiner Methode, die ebenso bequem wie raffiniert war. Er blieb nämlich stehen und lief auf der Stelle. Er sorgte dafür, daß seine scheinbar hastigen Schritte gut zu hören waren. Und während die Sohlen seiner schwarzen Schuhe den Boden bearbeiteten, ging er in die Knie. Er wollte einem scharfen Beobachter vortäuschen, er entferne sich mit großer Schnelligkeit.
Als er die Hecke erreicht hatte, wechselte er vorsichtig zur Hauswand hinüber und blieb unbeweglich stehen. Der altväterlich aussehende Regenschirm aus schwarzer Seide lag griffbereit in seiner Hand.
Zuerst rührte sich nichts in der engen Straße. Sekunden vertropften qualvoll langsam. Fast schien es so, als habe Parker sich getäuscht.