Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
und als das Essen endlich auf dem Tisch stand, war sie in ihrer Erzählung bis zu ihrer Begegnung mit Mary am vorigen Abend gelangt. Die fünf Dollar erwähnte sie nicht.
Billy, der gerade den ersten Bissen Fleisch genommen hatte, sah sie mit einem Ausdruck an, dass sie erschrak. Dann spie er das Fleisch auf den Teller.
»Du hast das Geld für das Fleisch von ihr bekommen«, sagte er langsam und vorwurfsvoll. »Du hattest kein Geld und keinen Kredit mehr beim Schlachter, und doch steht Fleisch auf dem Tisch. Hab ich recht?«
Saxon beugte den Kopf.
»Was hast du sonst noch gekauft?« fragte er – nicht brutal, nicht zornig, aber mit furchtbarer Kälte, eine Folge der Wut, welche er nicht in Worten ausdrücken konnte.
Zu ihrer Überraschung blieb sie vollkommen ruhig. Was bedeutete das alles? Nur was man zu erwarten hatte, wenn man in Oakland lebte – etwas, das verschwand, wenn Oakland ein zurückgelegtes Stadium, ein Platz war, von dem aus man gestartet war.
»Den Kaffee«, antwortete sie, »und die Butter.«
Er schüttete den Inhalt seines und ihres Tellers in die Bratpfanne mit der Butter und dem Stück Fleisch, das auf dem Tisch stand, und obendrauf schüttete er den Inhalt der Kaffeedose. Dann trug er alles in den Hof hinaus und warf es in den Mülleimer. Die Kaffeekanne leerte er in die Aufwasch.
»Wie viel hast du noch von dem Geld?« lautete seine nächste Frage.
Saxon hatte schon ihr Portemonnaie geholt und das Geld herausgenommen.
»Drei Dollar achtzig«. Sie reichte ihm das Geld. »Ich habe fünfundvierzig Cent für das Fleisch bezahlt.«
Er ließ den Blick über das Geld schweifen, zählte es und ging zur Haustür. Sie hörte, wie sie geöffnet und wieder geschlossen wurde, und wusste, dass er das Silber auf die Straße geworfen hatte. Als er wiederkam, setzte Saxon Bratkartoffeln auf den Tisch.
»Nichts ist zu gut für uns beide, Saxon«, sagte er, »aber weiß Gott, so etwas kann mein Magen nicht verdauen. Es ist so verdorben, dass es stinkt.«
Er sah auf die Bratkartoffeln, die neue Scheibe trockenes Brot und das Glas Wasser, das sie neben seinen Teller stellte.
»Du kannst ganz ruhig sein«, lächelte sie, als er noch zögerte. »Hiervon ist nichts besudelt.«
Er warf ihr einen hastigen Blick zu, als fürchtete er, dass sie sich über ihn lustig machte, und setzte sich dann mit einem Seufzer. Im nächsten Augenblick war er wieder aufgesprungen und breitete ihr die Arme entgegen.
»Ich werde gleich essen, aber zuerst möchte ich gern mit dir reden«, sagte er, setzte sich und presste sie an sich. »Also höre! Du bist das einzige, was ich auf der Welt habe. Du hast dich wegen meines Benehmens vorhin nicht vor mir gefürchtet, und darüber freue ich mich. Aber jetzt wollen wir nicht mehr an Mary denken, wenn ich auch voller Mitleid mit ihr bin. Sie tut mir ebenso leid wie dir. Ich würde alles für sie tun. Ich würde ihr die Füße waschen, wie Christus tat. Ich würde sie an meinem Tisch essen und unter meinem Dach schlafen lassen. Aber deshalb brauche ich nichts von dem anzurühren, was sie verdient hat. Aber lass uns nicht mehr an sie denken. Es handelt sich um dich und mich, Saxon, nur um dich und mich, und der Teufel soll alle anderen holen. Du brauchst dich nie mehr um mich zu ängstigen. Der Whisky und ich, wir vertragen uns nicht recht miteinander, und deshalb sage ich: keinen Whisky mehr für mich! Ich bin ganz von Sinnen gewesen, und ich war nicht zu dir, wie ich hätte sein sollen. Aber jetzt ist das alles vorbei.
Sieh mal diese Geschichte. Ich hätte nicht so heftig sein sollen. Aber ich war es nun einmal. Die Sache kam zu plötzlich. Das ist etwas, was ich mir nicht gefallen lassen kann, was ich mir nicht gefallen lassen konnte. Und du willst auch nicht, dass ich das tue, ebensowenig wie ich will, dass du dir etwas gefallen lassen sollst, was du dir nicht gefallen lassen kannst.«
Sie richtete sich auf seinen Knien auf und sah ihn an, eifrig beschäftigt mit der neuen Idee, die in ihrem Kopf aufgetaucht war.
»Ist das dein Ernst, Billy?«
»Das ist es.«
»Dann will ich dir sagen, was ich mir nicht mehr gefallen lassen will. Ich sterbe, wenn ich es mir gefallen lassen soll.«
»Und das ist?« fragte er, nachdem er sie eine Weile forschend angesehen hatte.
»Du musst den Entschluss fassen«, sagte sie.
»Also los.«
»Du weißt nicht, worauf du dich einlässt«, sagte sie warnend. »Zieh dich lieber zurück, ehe es zu spät ist.«
Er schüttelte eigensinnig den Kopf.
»Was du dir nicht gefallen lassen willst, das sollst du dir auch nicht gefallen lassen.«
»Erstens«, sagte sie, »muss es Schluss sein mit dem Verprügeln von Streikbrechern.«
Er öffnete den Mund, drängte aber den Protest zurück, der unwillkürlich über seine Lippen kommen wollte.
»Und zweitens muss es Schluss sein mit Oakland.«
»Ich verstehe nicht recht.«
»Schluss mit Oakland. Wir wollen nicht mehr in Oakland leben. Ich sterbe, wenn ich hierbleiben soll. Wir müssen unsere Zelte abbrechen und sehen, dass wir von hier fortkommen.«
Er dachte eine Weile über ihre letzte Bemerkung nach.
»Wohin?« fragte er schließlich.
»Irgendwohin. Das ist einerlei. Rauch jetzt eine Zigarette und denk darüber nach.«
Er schüttelte den Kopf und sah ihr forschend ins Gesicht.
»Ist das dein Ernst?« fragte er schließlich.
»Das ist es. Ich kann Oakland ebensowenig ertragen, wie du das Fleisch, den Kaffee und die Butter ertragen konntest.«
Sie konnte sehen, wie er mit sich rang. Sie konnte sehen, wie er direkt körperlich mit sich rang, ehe er antwortete:
»Na ja, wenn du durchaus willst! Dann gehen wir also weg. Wir sagen Oakland Lebewohl. Teufel auch, es hat nie etwas für mich getan, und ich bin doch auch schließlich Manns genug, um unseren Lebensunterhalt überall zu verdienen. Und jetzt, da es abgemacht ist, kannst du mir erzählen, was du gegen Oakland hast.«
Und sie erzählte ihm alles, was ihr eingefallen war, zählte alle ihre Klagepunkte gegen Oakland auf, ohne etwas zu vergessen, nicht einmal ihren letzten Besuch bei Doktor Hentley oder Billys Trinken. Aber er zog sie nur fester an sich und versicherte ihr nochmals, dass er seinen Entschluss gefasst hätte. Die Zeit verging. Die Bratkartoffeln wurden kalt, und das Feuer im Herd ging aus.
Als sie sich ausgesprochen hatten, stand Billy auf. Er sah