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Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Werke - Джек Лондон


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ein. Bac­chus, Pan­do­ra und Psy­che – ge­heim­nis­vol­le Gott­hei­ten, bei de­ren Na­men man schwor. Aber ach! Nur ihre Mut­ter kann­te den Schlüs­sel. Selt­sa­me, sinn­lo­se Wor­te, die so viel be­deu­te­ten. Ihre herr­li­che Mut­ter hat­te die Be­deu­tung ge­kannt. Sa­xon buch­sta­bier­te die drei Wor­te laut, Buch­sta­ben für Buch­sta­ben, aber sie wag­te nicht den Ver­such, sie aus­zu­spre­chen; und Ehr­furcht ein­flö­ßen­de, tie­fe und un­fass­ba­re Vor­stel­lun­gen ka­men und gin­gen in ih­rem Be­wusst­sein. Ver­wirrt und ge­blen­det mach­ten ihre Ge­dan­ken halt beim Ein­gang zu ei­ner, ster­ne­strah­len­den Welt hoch über der ih­ren, wo ihre Mut­ter da­heim ge­we­sen war. An­däch­tig las sie die­se Ver­se im­mer wie­der, mit dem Ge­fühl, dass ihr Strah­lenglanz Licht und Klar­heit auf die Welt von Un­ru­he und Pla­ge wer­fen muss­te, in der sie selbst zu Hau­se war. Zwi­schen die­sen ge­heim­nis­vol­len Ver­sen ver­barg sich der Schlüs­sel. Konn­te sie ihn nur fin­den, so wur­de al­les klar – da­von war sie fest über­zeugt. Sie wür­de die schar­fe Zun­ge Sa­rahs, ih­ren un­glück­li­chen Bru­der, die Grau­sam­keit Char­ley Longs, den Über­fall auf den Buch­hal­ter ver­ste­hen, den Sinn der ta­ge­lan­gen, mo­na­te­lan­gen, jah­re­lan­gen Mühe am Plätt­brett. Und über­wäl­tigt von die­ser Poe­sie, die­ser Men­ge von Mys­te­ri­en, roll­te sie das Ma­nu­skript zu­sam­men und leg­te es weg. Wie­der griff sie in die Lade und such­te die Lö­sung des Rät­sels zwi­schen den letz­ten teu­ren Erin­ne­run­gen an die ge­hei­me See­le ih­rer Mut­ter.

      Dies­mal war es ein mit Band zu­sam­men­ge­bun­de­nes Päck­chen in Sei­den­pa­pier. Sie öff­ne­te es vor­sich­tig mit dem Ernst und der Um­ständ­lich­keit ei­nes Pries­ters vor dem Al­tar. Ein klei­ner spa­ni­scher Gür­tel aus ro­ter Sei­de, mit Fisch­bein, fast wie ein klei­nes Kor­sett, kam zum Vor­schein, ein Putz, wie die Frau­en der ers­ten An­sied­ler ihn tru­gen, als sie über die Prä­rie ka­men. Es war eine Hand­ar­beit nach dem al­ten spa­nisch-ka­li­for­ni­schen Mo­dell. Selbst das Fisch­bein war zu Hau­se aus dem Roh­ma­te­ri­al be­rei­tet, das die Al­ten von den Wal­fän­gern für Häu­te und Talg ein­ge­tauscht hat­ten. Den schwar­zen Spit­zen­be­satz hat­te ihre Mut­ter selbst ver­fer­tigt. Die drei­fa­che Kan­te aus schwar­zem Samt­band – je­den Stich hat­te ihre Mut­ter selbst ge­näht.

      Sa­xon ver­sank in Träu­me­rei­en und sah auf den Gür­tel. Dies war das Kon­kre­te. Dies ver­stand sie. Dies ver­ehr­te sie, wie die Men­schen Göt­ter ver­eh­ren, ob­wohl die Zeug­nis­se ih­res Auf­ent­halts auf Er­den oft we­ni­ger hand­greif­lich ge­we­sen sind.

      Der Gür­tel maß zwei­und­zwan­zig Zoll von ei­nem Ende bis zum an­de­ren. Sie wuss­te das, denn sie hat­te ihn oft ge­mes­sen. Sie stand auf und leg­te ihn sich um den Leib. Es war der Teil ei­nes Ri­tuals. Er um­schloss sie fast ganz. An ein­zel­nen Stel­len ging er ganz zu­sam­men. Wenn sie ent­klei­det war, pass­te er ihr, wie er ih­rer Mut­ter ge­passt hat­te. Nichts griff Sa­xon so ans Herz wie die­ser Über­rest aus al­ten Ta­gen. Sie hat­te die Ge­stalt ih­rer Mut­ter. Äu­ßer­lich glich sie ih­rer Mut­ter. Ihre Ge­schick­lich­keit, die Schnel­lig­keit, mit der sie ihre Ar­beit ver­rich­te­te, und über die die an­de­ren so er­staunt wa­ren, hat­te sie von ih­rer Mut­ter. Gera­de so hat­te ihre Mut­ter ihre Mit­welt in Er­stau­nen ge­setzt – ihre Mut­ter, das klei­ne pup­pen­haf­te Ge­schöpf, die Kleins­te und Jüngs­te von der großen Schar der Pio­nie­re, de­nen sie gleich­wohl wie eine Mut­ter ge­we­sen war. Im­mer war es ihre Klug­heit, zu der sie ihre Zuf­lucht nah­men, selbst die Brü­der und Schwes­tern, die ein Dut­zend Jah­re äl­ter wa­ren als sie. Dai­sy war es, die, mit ih­rem klei­nen Fuß auf­stamp­fend, den Be­fehl ge­ge­ben hat­te, von den fla­chen Fie­ber­län­dern Co­lu­sas auf­zu­bre­chen und in die heil­brin­gen­den Ber­ge Ven­tu­ras zu zie­hen; die ih­ren Va­ter, den al­ten wil­den In­dia­ner­be­zwin­ger, an die Wand ge­drängt und den Kampf mit der gan­zen Fa­mi­lie auf­ge­nom­men hat­te, da­mit Vila einen Mann hei­ra­ten durf­te, den sie selbst ge­wählt hat­te; die wie­der der Fa­mi­lie und der gan­zen öf­fent­li­chen Moral ge­trotzt hat­te, als sie ver­lang­te, dass Lau­ra sich von ih­rem ver­bre­che­risch schwa­chen Man­ne schei­den las­sen soll­te, und die an­de­rer­seits je­des Mal die Fa­mi­lie zu­sam­men­ge­hal­ten hat­te, wenn Miss­ver­ständ­nis­se und mensch­li­che Schwä­che ge­droht hat­ten, sie zu spren­gen.

      Frie­dens­stif­ter und Krie­ger! All die al­ten Ge­schich­ten zo­gen an Sa­x­ons Au­gen vor­bei. Klar in al­len Ein­zel­hei­ten, denn sie hat­te sie so oft be­schwo­ren, ob­wohl es Din­ge wa­ren, die sie nicht ge­se­hen hat­te. Die Ein­zel­hei­ten wa­ren des­halb auch teil­wei­se Kin­der ih­rer ei­ge­nen Ein­bil­dungs­kraft, denn sie hat­te nie einen Zug Och­sen, einen wil­den In­dia­ner oder ein Prä­rie­schiff ge­se­hen. Und doch sah sie wie eine Wirk­lich­keit aus Fleisch und Blut eine lan­ge Ka­ra­wa­ne der land­gie­ri­gen An­gel­sach­sen von Os­ten nach Wes­ten quer über den Kon­ti­nent zie­hen, ein­gehüllt in eine son­nen­blin­ken­de Wol­ke vom Staub von zehn­tau­send Hu­fen. Es war Fleisch von ih­rem Fleisch und Blut von ih­rem Blut. Sie hat­te die­se Sa­gen und wirk­li­chen Er­eig­nis­se mit der Mut­ter­milch ein­ge­so­gen, sie von de­ren Lip­pen ge­hört, die selbst al­les mit­ge­macht hat­te. Deut­lich sah sie vor sich den lan­gen Wa­gen­zug, die ma­ge­ren, ab­ge­här­te­ten Män­ner, die vor­an­schrit­ten, wäh­rend die Jun­gen mit Sta­chel­stö­cken die brül­len­den Och­sen an­trie­ben. Und durch die­ses Fan­ta­sie­ges­pinst flog wie eine Spin­del, die mit Gold­fa­den das Bild ei­ner Per­sön­lich­keit web­te, die Ge­stalt ih­rer un­über­wind­li­chen klei­nen Mut­ter, acht Jah­re alt und neun, ehe die große Wan­de­rung zu Ende war, eine Geis­ter­mah­ne­rin und Ge­setz­ge­be­rin, die ihre ei­ge­nen Wege ge­hen woll­te – und so­wohl der Wil­le wie der Weg wa­ren stets gut und rich­tig.

      Am al­ler­le­ben­digs­ten aber sah Sa­xon den Kampf bei Litt­le Mea­dow und Dai­sy, wie zum Fest ge­klei­det, in Weiß, mit ei­ner sei­de­nen Schär­pe um den Leib, einen Schmuck­kamm und Sei­den­band im Haar und in bei­den Hän­den einen klei­nen Was­serei­mer – in den Son­nen­schein auf das blu­men­über­sä­te Gras her­austre­ten aus dem Wa­gen­kreis, wo die Ver­wun­de­ten in Fie­ber­fan­tasi­en schri­en und vom rin­nen­den Quell fa­bel­ten, und sie sah sie im Son­nen­schein, un­an­ge­foch­ten von den In­dia­nern, die das Er­stau­nen hin­der­te, ihre Waf­fen zu ge­brau­chen, bis zu dem hun­dert Schritt ent­fern­ten Was­ser­loch und wie­der zu­rück ge­hen.

      Sa­xon drück­te einen lei­den­schaft­li­chen Kuss auf den klei­nen ro­ten spa­ni­schen Gür­tel; dann roll­te sie ihn schnell zu­sam­men und nahm mit feuch­ten Au­gen Ab­schied von ih­rem mys­ti­schen Mut­ter­kult und all dem Rät­sel­haf­ten und Wun­der­ba­ren, das Le­ben hieß.

      Als sie im Bett lag, be­schwor sie un­ter den ge­schlos­se­nen Li­dern die we­ni­gen rei­chen Erin­ne­run­gen an die Mut­ter, die ihre Kind­heit barg. Dies war ihre liebs­te Metho­de, den Schlaf zu ru­fen. So hat­te sie es ihr gan­zes Le­ben lang ge­macht – war in das To­des­dun­kel des Schla­fes mit dem letz­ten ster­ben­den, von der Erin­ne­rung an ihre Mut­ter ge­färb­ten Be­wusst­sein ge­sun­ken. Aber die­se Mut­ter war we­der die Dai­sy von der großen Prä­rie, noch die von der Da­guer­reo­ty­pie. Die war aus der Zeit, ehe Sa­xon leb­te. Die Dai­sy, die sie nachts sah, war eine äl­te­re, von Schlaf­lo­sig­keit ge­plag­te Mut­ter, mu­tig wie je­mand, der die Sor­ge ge­kannt hat, ein blas­ses, ge­brech­li­ches Ge­schöpf, sanft und ge­dul­dig, das nur leb­te durch sei­ne Wil­lens­kraft, ohne die es längst den Ver­stand ver­lo­ren hät­te; das nicht schla­fen


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