Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter. Adalbert StifterЧитать онлайн книгу.
rede«, riefen mehrere.
»Witiko«, sagte einer, »du meinst es gut mit uns, das haben wir in dem Kriege erfahren, und du hast das Geld den Leuten gebracht, die ihre Kinder verloren haben, und den Geschädigten sind Geschenke gegeben worden.«
»So schweigt«, rief jetzt ein Mann mit groben Fäusten und großen Schultern, »wenn ihr redet, kann kein anderer reden.«
Als es nun stille geworden war, und die Angesichter gegen Witiko blickten, stand er auf, nahm seine Lederhaube von dem Haupte, legte sie auf den Tisch, und sah auf die, welche um ihn waren, und auf die, welche sich entfernter gesammelt hatten. Dann sprach er: »Männer und Jünglinge, höret mich an, und auch ihr, Frauen und Jungfrauen, möget es hören, was ich sage, ihr werdet mich nicht strenge tadeln; denn ich rede von einer Sache, die Vorsicht verlangt, daß nicht ein Schaden und ein Unheil zu uns kommt. Der allmächtige Gott in dem Himmel möge uns vor Schaden bewahren.«
»Der allmächtige Gott in dem Himmel und seine Heiligen bewahren uns vor Schaden«, sagte eine Frau.
»So laßt ihn zu Ende sprechen«, rief der Mann mit dem weißen Barte.
»Rede, Witiko«, sagte ein anderer, »und enthülle uns, was du weißt.«
»Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen! sehet um euch, wir haben ein schönes Wohnland. Die Bäche rinnen von den Bergen, die Moldau wandelt in den Tälern, und die großen Bäume stehen daran. Wir haben Felder und Wiesen und Weiden, und gewinnen uns unsere Nahrung. Wenn man von uns gegen Mitternacht geht, sind Gründe, in denen der Weizen steht, und wo das Obst in Fülle gedeiht; aber in den reichen Gründen des Weizens und des Obstes ist ein Herr und Leche, dem die Bewohner eine Burg bauen mußten, dem sie die Burg erhalten und ausbessern müssen, dem sie Wege und Stege und Brücken bauen müssen, dem sie Getreide und Obst und Vieh und Wild und Fische liefern müssen, dem sie Gräben und Schanzen und Verhaue errichten müssen, dem sie in der Burg Wachedienst tun müssen, dem sie streiten helfen müssen, und wenn er Feste feiert, müssen sie das bringen, was die Gäste verzehren, und wenn er reiset, müssen sie ihn und die Seinigen beherbergen und verpflegen, und wenn er jagt, müssen sie ihn und die Jäger erhalten, und seine Hunde ernähren, und wenn ein Verbrechen begangen wird, muß die Flur Gerichtskosten zahlen, und für den Schaden haften. Bei uns ist nur der hocherlauchte Herzog der Herr, dem wir kleine Gaben senden, und der uns beschützt. In dem Frühlinge des vorigen Jahres sind viele reiche Herren, wie der ist, von dem ich sagte, nach Mähren gegangen, weil sie noch reicher werden wollten, und weil der, welcher eine oder zwei Zupaneien hatte, noch mehr Zupaneien haben wollte; denn der Herzog Wladislaw beschützte die kleinen Männer, und litt nicht, daß die großen alles an sich reißen. Sie sind zu Konrad, dem Herzoge von Znaim gegangen, der ihnen viele Versprechungen gemacht hat, daß er ihnen reichlich geben wolle, wenn sie ihm den Herzog Wladislaw von dem Fürstenstuhle vertreiben helfen. Sie haben ein Kriegsheer gesammelt, und sind in dem Monate April nach Böhmen gedrungen. Zu dem Herzoge Wladislaw haben sich die kleinen Männer gesellt, und auch viele von den großen, denen noch Gerechtigkeit in dem Sinne war. Auf dem Berge Wysoka ist der Streit gewesen. Nun, ihr wisset, was dort geschehen ist, ihr seid dabei gewesen, und habet zum großen Teile das Gute bewirket. Die Feinde haben dann die alte Stadt Prag belagert, und haben Unheil und Verwüstung gestiftet; aber der Herzog ist mit seinem Schwager Konrad, dem Könige der Deutschen, gekommen, und sie mußten nach Mähren zurück fliehen. Der deutsche König ging wieder heim, und Wladislaw belohnte seine Krieger, und entließ sie, und zeichnete sich auf, wer ihm gute Dienste getan hatte. Die Feinde sind von der Zeit in ihren Ländern und Burgen; aber wenn der Schnee von den Gefilden schmilzt, können sie wieder hervor kommen, und aufs neue beginnen. Der Herzog Wladislaw ruft die Seinigen auf, um die Entscheidung zu gewinnen. Wenn Konrad, der Herzog von Znaim, den Sieg erhält, wird er seine Helfer belohnen, und ein reicher Leche wird zu euch als Herr in den Wald kommen. Ich meine also, Männer unserer Fluren, wir sollten, so viele wir es vermögen, aufstehen, und zu dem gütigen Herzoge Wladislaw gehen, damit ein Kriegsheer werde, das nach Mähren eile, ehe es sich die Feinde versehen, und sie niederwerfen und ihnen die Macht und alles nehme, was zur Vergeltung notwendig ist, und daß sie nicht mehr schaden können. Der Herzog wird dann immer ein Freund der Geringen sein, er wird mit uns leben, und wir werden mit ihm leben. Und wenn er uns einen Herrn sendet, so wird er von einem kleinen Geschlechte sein, das uns liebreich ist, das Kirchen stiftet, ein wohltätiges Kloster baut, und das Leben in dem Walde versteht. An vielen Stellen rüsten sie schon, weil sie so denken wie ich, und meine Meinung ist, wir sollten die Sache in unserem Haupte überlegen, und nach dem Sinne verfahren, der uns eingegeben werden wird. So rede ich, der ich mit Sorgfalt auf das sehe, was geschieht, und auf das, was geschehen wird.«
Als er diese Worte gesprochen hatte, setzte er seine Lederhaube wieder auf das Haupt, und nahm seinen Platz auf der Bank wieder ein.
Es war eine kurze Zeit eine Stille. Dann sagte ein alter Mann: »Ich habe mir das auch schon so ein wenig gedacht, was du gesagt hast, Witiko.«
»Mir sind die Gedanken auch schon in dem Kopfe gewesen«, sagte ein anderer.
»Ich habe auch darauf gedacht, und das ist so eine Sache«, sagte wieder einer.
»Das ist so eine Sache«, sagte ein sehr alter Mann.
»Die Dinge müssen wir sehr überlegen«, sagte ein Mann, der ebenfalls hoch in den Jahren war.
»Wir begreifen sie nicht recht, und uns achten die Herren nicht«, sagte ein anderer.
»Es ist nur, daß man davon redet«, sprach wieder ein anderer.
»Daß man redet, und wir dürfen reden, und wir reden auch«, sagte wieder einer.
»Wir reden davon, und wir denken daran«, sagte einer, der neben Witiko saß.
»Und wir sollen es recht überlegen, das ist eine Sache, das ist so eine Sache«, sagte ein anderer.
»Das ist leicht überlegt«, sprach ein junger Mann, »wer mitziehen will, der zieht mit.«
»Die Herren haben einen Streit, und der Streit geht uns an«, sagte ein älterer Mann.
»Wir müssen in dem Streite mit tun, und müssen in dem Streite entscheiden, und müssen etwas lenken, daß sie mit uns nicht tun dürfen, wie sie wollen«, sagte ein Mann in den mittleren Jahren.
»Die Felder und die Wiesen und die Hausarbeiten sind auch zu betrachten«, sagte ein älterer Mann.
»Und wer weiß denn genau, was der Streit einträgt«, sagte ein anderer.
»Wir müssen mitreden dürfen, wenn alles aus ist, wir müssen den Herren sagen dürfen, was wir wollen, wir müssen unsere Sache verteidigen dürfen«, rief ein junger Mann, »und es braucht nicht ein jeder mitzugehen; wer nicht den Mut hat, bleibt daheim.«
Nach diesen Worten sprangen mehrere junge Männer von den Bänken auf.
»Wir müssen unsere Sache verteidigen«, rief einer.
»Wir müssen uns verteidigen«, rief ein anderer.
»Wir müssen erlangen, was wir wollen«, rief wieder einer.
»Wer Mut hat, steht ein, und gewinnt sich, was er begehrt«, rief einer.
»Wer Mut hat, steht ein, und gewinnt«, rief ein anderer.
»Er gewinnt, und wir haben Mut«, rief wieder einer.
»Wir gehen zu Wladislaw«, »wir streiten«, »wir rüsten«, »Witiko hat recht«, riefen mehrere durcheinander.
Dann folgten Rufe mit unverständlichen Worten.
Als es stiller geworden war, sprach der Greis mit den weißen Haaren: »Höret mich an.«
Nach diesen Worten wurde es ganz stille, und der Greis sagte: »Witiko, du kennest mich, ich bin der Wenhart von der Friedau, ich bin in dem Kriege gewesen, der mit dem Herzoge Swatopluk und der mit dem Herzoge Boriwoy und der mit dem Herzoge Wladislaw gewesen ist, mit dem früheren Herzoge Wladislaw. Die Wohnungen haben gebrannt, die Tiere sind auf den Höfen geschlachtet, und ihr Fleisch ist vergeudet worden, die Saatfelder waren zerrüttet, was fleißige Hände zur Bedeckung