Mami Staffel 5 – Familienroman. Eva-Marie HornЧитать онлайн книгу.
allerdings gehörte nicht zu Peters Stärken. Er fand schnell heraus, wo das Chefzimmer war, und betrat es ohne Anmeldung. Allerdings mußte er dabei an Gudruns Sekretärin vorbei.
»Frau Eschenbach hat gerade eine Besprechung«, erklärte sie und versuchte, Peter aufzuhalten.
Es war aussichtslos. Simon öffnete die Tür und stand im nächsten Moment vor Gudruns Schreibtisch.
»Hallo, da bin ich. Du hast mich gerufen, und ich bin deiner Auf-forderung sofort gefolgt.« Peter lachte mit typisch männlichem
Charme. Er hatte sofort festgestellt, daß Gudrun reifer, fraulicher und dadurch noch anziehender geworden war. Der Aufenthalt in der alten Heimat versprach ein voller Erfolg zu werden, wenigstens empfand Peter das so.
Die Überraschung war auf Gud-runs Seite. Für sie kam die Gegenüberstellung völlig unerwartet. Sie hatte das Bild ihres geschiedenen Mannes aus ihrem Leben verbannt. Nun stand er vor ihr, imponierend vital und kräftig. Ein fremdländischer Typ war er schon früher gewesen, jetzt hatte sich dieser Eindruck noch verstärkt.
Udo Braun, der mit Gudrun gerade die Kalkulation für die neuesten Gartenmöbel-Modelle durchgesprochen hatte, war noch verblüffter.
Nach einer Schrecksekunde, in der er Peter nur anstarrte, sprang er auf. »Wie kommen Sie dazu, hier einfach hereinzuplatzen? Können Sie nicht warten? Warum hat Sie die Sekretärin eigentlich durchgelassen? Kann man sich denn auf niemand mehr verlassen? Muß man alles selber machen?« Udo drehte den Kopf mit den sorgfältig gekämmten Locken, um nach der Vorzimmerdame zu sehen, von der er glaubte, daß sie an der Tür stand. Doch die Sekretärin hatte sich vorsichtigerweise sofort zurückgezogen.
»Peter«, murmelte Gudrun inzwischen. »Ich habe nicht erwartet, daß du persönlich kommst. Eigentlich dachte ich, daß du Conny schreiben würdest und ihr vielleicht ein paar Fotos schickst.«
Die Tatsache, plötzlich mit der Vergangenheit konfrontiert zu werden, war Gudrun nicht angenehm. Sie wollte vergessen, was damals war, doch nun war alles wieder lebendig.
»Briefe und Fotos, das genügt doch nicht, um Erinnerungen aufzufrischen.« Wieder lachte Peter selbstsicher. Er hatte viel gelernt in den zurückliegenden Jahren. Nicht nur, wie man erfolgreich ein Hotel leitete, sondern auch, wie man mit schönen Frauen umgeht.
»Es geht um das Kind, nicht um mich.«
»Abwarten«, antwortete Peter so ruhig, als sei ihm die tägliche Hetze der Europäer unbekannt. Auch das hatte er auf Kuba gelernt. Dort waren die meisten Menschen arm, aber sie hatten Zeit zum Feiern, zum Singen, zum Fröhlichsein. Sie freuten sich über die einfachsten Dinge und waren glücklich, obwohl sie in Hütten lebten. Ihre Gelassenheit hatte Peter Simon übernommen.
Ganz anders Udo Braun, der sich immer gestreßt fühlte, selbst wenn er in seiner Freizeit Tennis spielte.
»Verlassen Sie sofort dieses Büro!« forderte er und glaubte, damit in Gudruns Sinn zu handeln.
Als Peter nicht darauf regagierte, ging er drohend auf ihn zu, die Arme in die Seiten gestemmt, den Blick starr auf den Eindringling gerichtet.
»Blasen Sie sich doch nicht so auf. Wer sind Sie denn?« Peter wich keinen Zentimeter zurück. Er wußte, daß er durch den täglichen Besuch des hoteleignen Fitneßstudios recht gut trainiert war. Mit dem Kerl im Maßanzug konnte er es deshalb gut aufnehmen.
Udo sah das auch so und war deshalb vorsichtig. Er lief zwar in weißen Shorts auf dem Tennisplatz herum, doch diese Aktionen dienten mehr der Befriedigung seiner Eitelkeit als der sportlichen Ertüchtigung.
»Raus hier, aber sofort!« Udo ballte die Hände zu Fäusten, was aber nicht abschreckend wirkte, schon gar nicht für den muskulösen Peter.
»Laß nur, wir sind alte Bekannte.« Gudrun machte die beiden Herren miteinander bekannt.
Die Verblüffung war auf Udos Seite. Er machte absolut kein intelligentes Gesicht, als er erfuhr, daß der Fremde Gudruns erster Mann war.
Peter Simon dagegen lächelte gelassen. »Vielleicht wollen Sie jetzt gehen, weil wir uns verständlicherweise sehr viel zu sagen haben«, wandte er sich voll Genugtuung an den Geschäftsführer.
Udo verschwand tatsächlich, wenn auch zähneknirschend. Schon beim Gang durchs Vorzimmer schwor er dem anderen Rache.
»Du bist noch schöner geworden«, bemerkte Peter, als sie allein waren. »Hab’ dich nie vergessen, und als dein Brief kam, gab es für mich nur eines: ich mußte dich wiedersehen.«
Gudrun überging die leidenschaftliche Äußerung. Als junges Mädchen war sie auf Peters Schmeicheleien hereingefallen. Das würde ihr nicht noch einmal passieren.
»Conny sucht nach ihren Wurzeln. Andere Jugendliche tun das erst nach der Pubertät, sie ist eben früher dran. Sie wünscht sich einen Vater und kommt dabei auf abenteuerliche Ideen. Um ihre Gefühle und Überlegungen in die richtige Bahn zu leiten, habe ich dich benachrichtigt. Was ich
ihr auch über dich erzählen wür-
de, es ist nichts gegen den Kon-takt, den nur du aufbauen kannst. Ich hätte das schon früher ver-
anlassen sollen, dann wären Conny viele Gedanken und auch mancher Irrtum erspart geblieben.«
»Deine Stimme ist noch so klangvoll und jung wie früher«, stellte Peter mit glänzenden Augen fest. Er hatte nicht auf den Sinn der Worte, nur auf den Tonfall gehört. Was Gudrun über die gemeinsame Tochter erzählte, interessierte Peter nicht. Aus Kindern hatte er sich nie etwas gemacht und wußte deshalb auch nichts mit ihnen anzufangen.
Gudrun überging die schwärmerische Bemerkung. »Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Conny und hätte deshalb nie gedacht, daß sie ihren Vater vermißt. Doch wenn sie dich jetzt kennenlernt, wird sie sich nicht mehr an Fremde wenden. Ich habe dir ja geschrieben, daß sie sich ihren Sportlehrer als Vater ausgesucht hat. Für mich ist die Sache ganz schön peinlich. Vielleicht auch für ihn, denn wir kennen uns ja gar nicht.«
»Es war ein Fehler, daß wir den Kontakt abgebrochen haben. Ich hätte zurückkommen sollen, als meine Mutter in Mexiko gestorben ist. Ich hätte dir helfen können, das Werk aufzubauen.«
»Das Werk ist modern und arbeitet mit Gewinn. Mir geht es nur um Conny, das kann ich nicht deutlich genug betonen.«
»Das Werk muß eine wahre Goldgrube sein«, vermutete Peter Simon.
»Es wirft so viel ab, daß wir sorglos leben können, Conny und ich.«
»Das darf doch wohl nicht wahr sein«, schnaubte Peter. »Du weißt, ich habe Betriebswirtschaft studiert und verstehe etwas von der Rendite eines Betriebs. Auch ohne Einblick in die Bücher kann ich recht gut abschätzen, was da läuft. Ich werde dir…«
»Das ist nicht unser Thema«, unterbrach Gudrun ihren geschiedenen Mann. »Wenn du schon da bist, möchte ich, daß du dich mit Conny befaßt. Für die Verwaltung des Werks ist Udo Braun zuständig.«
»Dieser Kerl arbeitet doch nur im eigenen Interesse. Glaub’ mir, ich habe einen Blick für so etwas.« Peter Simon hatte sofort erkannt, daß es nicht nur berufliche, sondern auch private Bindungen zwischen Udo Braun und Gudrun gab. Schwer zu erraten war das auch nicht, nachdem der Geschäftsführer so vehement seine Rechte verteidigte. Diesen eitlen Galan auszuschalten, erschien Peter dringend nötig.
»Was willst du damit sagen?« Befremdet sah Gudrun den Mann an, der sich nicht nur in seinem Äußeren, sondern auch in seinem Benehmen den Inselbewohnern angepaßt hatte.
»Daß er dich betrügt.« Peter scheute sich nicht davor, dies laut und fest zu behaupten.
Gudrun wurde etwas blasser. Fest preßte sie die Lippen aufeinander. Schon seit einiger Zeit hegte sie denselben Verdacht, ließ sich aber immer wieder von Udo beschwichtigen. Auch jetzt wehrte sie sich gegen die Vorstellung, daß ihr Geschäftsführer Einnahmen unterschlug und Ausgaben fingierte. »Wie kannst du so etwas behaupten? Du kennst ja die Gegebenheiten gar nicht.«
Gelassen