Butler Parker 122 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
sich gemeldet. Er wußte, daß er beobachtet wurde. Um nicht ins Fadenkreuz einer Schußwaffe zu geraten, begab er sich zurück in den Schutz der Bäume, ohne dabei auch nur eine Spur seiner Gemessenheit aufzugeben. Ein Butler Parker benahm sich in allen Lebenslagen stets korrekt.
*
Er genoß den Komfort des Hausbootes.
Josuah Parker hatte sich für ein großes, behäbiges Boot entschieden, auf dem er durch die Norfolk Broads gleiten wollte. Nach langer Zeit hatte Butler Parker sich tatsächlich Urlaub genommen. Er wollte sich für wenigstens zwei Wochen von einer gewissen Lady Simpson erholen, in deren Diensten er als Butler stand.
Die recht abenteuerlich gestimmte Lady war grollend zurück in London geblieben und tyrannisierte wahrscheinlich ihre Sekretärin und Gesellschafterin Kathy Porter. Lady Agatha wäre liebend gern mit in die Broads gekommen und hätte mit Vergnügen an diesen Urlaubswochen teilgenommen, doch Butler Parker war hart geblieben. Aus Erfahrung wußte er nur zu gut, daß seine Herrin auf Gauner und Gangster wie ein Magnet wirkte. Wo immer sie sich auch aufhielt, ein Kriminalfall war niemals fern. Und falls sich wirklich mal keiner anbot, dann sorgte die unternehmungslustige Lady dafür, daß es kurz über lang zu peinlichen Verwicklungen kam.
Nein, Josuah Parker war sich bis vor einer halben Stunde vollkommen sicher gewesen, daß geruhsame Tage auf ihn warteten. Dieser Eindruck war nach dem Zwischenfall oben am See geschwunden. Die Dinge nahmen eine Entwicklung, die er in diesem Fall nicht sonderlich schätzte.
Das gemietete Hausboot lag an einem Flüßchen, dessen Name ihm schon wieder entfallen war. Es gehörte zu einem Labyrinth von Wasserläufen, die von Buschwerk, Schilf und kleinen Waldstücken gesäumt wurden. Hier draußen inmitten der idyllischen Landschaft gab es winzig kleine und verträumt aussehende Dörfer und Marktflecken, Schlösser, Burgen und große Naturschutzgebiete. Parker fühlte sich wohl in den Broads, jenem Landstrich nordöstlich von London, der über Norwich oder Yarmouth zu erreichen ist. Hier konnte er fischen und sich erholen.
Drei Tage lang hatte er diesen Dingen nach Herzenslust frönen können, doch nun schienen die Dinge ihre Wendung genommen zu haben. Menschen, die ihn hatten niederknüppeln wollen und die eine Dogge auf ihn gehetzt hatten, mußten einfach noch mal in Erscheinung treten. Sie würden sich gewiß dafür interessieren, wer ihnen da über den Weg gelaufen war. Parker rechnete fest mit ihrem Erscheinen und hatte sich bereits darauf vorbereitet.
Er befand sich unter Deck und beobachtete von einem Fenster aus den langen Bootssteg, der hinüber zum Gasthof führte. Dort hatte er vor seiner kleinen Wanderung zu Abend gegessen, dort würde man sich wahrscheinlich auch nach ihm erkundigen.
An die Wasserseite dachte Parker fast zu spät.
Doch ein feines Glucksen erregte seine Aufmerksamkeit. Zuerst dachte er an einen Fisch, der vielleicht nach einer Mücke schnappte. Als das Glucksen sich jedoch noch einige Male wiederholte, wechselte Parker seinen Standort und kontrollierte die Flußseite.
Diese Kontrolle zahlte sich voll aus.
Er entdeckte ein Schlauchboot, in dem zwei Männer hockten. Sie hatten sich geduckt und paddelten dicht am Schilfgürtel entlang auf sein Hausboot zu. Instinktiv wußte Parker, daß diese beiden nächtlichen Sportler mit jenen Männern identisch waren, die ihn überfallen hatten.
Butler Parker hatte nichts dagegen, daß sie an Bord kamen, obwohl sie sich keineswegs anmeldeten, wie es die Höflichkeit erfordert hätte. Wie Diebe kletterten sie über die Reling und stahlen sich zum Decksalon hinüber. Sie brauchten etwa zwei Minuten, bis sie die Tür geknackt hatten und traten dann ein. Parker stand gleich neben der Tür und wartete höflich ab. Er wollte die beiden Besucher nicht unnötig erschrecken.
»Wollen wir uns den Typ nicht erst mal kaufen?« fragte eine nicht gerade angenehm klingende Stimme. Sie schien jeden Morgen mit Glasscherben gepflegt zu werden. Soweit Parker es erkennen konnte, gehörte sie dem untersetzten Mann mit dem Kopf eines junges Stiers.
»Gute Idee«, fand der andere Mann und lachte leise, ein wenig hechelnd auf. »Knall ihm eins vor den Schädel! Wir haben noch was gut, Pete.«
»Ich laß dir was übrig«, versprach der Stierschädel. »Nimm dir Zeit, Rob. Nur nichts überstürzen.«
Parker war nicht zu erkennen.
Sein schwarzer Zweireiher verschmolz mit dem dunklen Holz der Vertäfelung. Der Mann, der Pete hieß und ihm eins »vor den Schädel« schlagen sollte, kam arglos zurück und lief direkt in den Regenschirm hinein. Diesmal hatte der Butler die Spitze seiner Mehrzweckwaffe eingesetzt. Die untere Eisenzwinge bohrte sich wie eine Degenspitze in die Magenpartie des Schlägers.
Pete wurde völlig überrascht.
Er produzierte einige sehr undeutliche Laute, fiel auf die Knie und kippte dann zur Seite. Dabei fiel so etwas wie ein Totschläger aus seiner Hand. Pete war derart beeindruckt, daß er auf dem Boden blieb und sich nicht rührte.
»War was?« rief Rob. Der zweite Schläger hatte gar nicht mitbekommen, was seinem Partner passiert war. Als er keine Antwort erhielt, wandte er sich um und schaltete offensichtlich auf Vorsicht. Auf Zehenspitzen pirschte er zur Kabinentür und sah sich plötzlich Josuah Parker gegenüber.
Der Butler grüßte sehr höflich.
Er liftete seine schwarze Melone und besorgte das derart schwungvoll, daß die Wölbung seiner Kopfbedeckung die Stirn des Schlägers berührte. Diese Wölbung war mit solidem Stahlblech ausgefüttert und entsprechend hart. Rob knickste, wollte nach seiner Stirn fassen und entschied sich dann im letzten Moment dafür, vor Parker niederzuknien. Sekunden später lag er neben seinem Partner Pete und beteiligte sich an dem Nickerchen.
Josuah Parker nahm eine Sichtung der Tascheninhalte vor und legte seine Beute auf den Kabinentisch. Anschließend trug er die beiden Männer nacheinander zurück zu ihrem Schlauchboot. Dabei zeigte sich, wie stark und durchtrainiert Parker war. Da er nicht beobachtet wurde, leistete er sich den Luxus, seine Körperkräfte ungeniert einzusetzen.
Nachdem die beiden Schläger im Schlauchboot lagen, löste Parker die Leine und versetzte dem Wasserfahrzeug mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms einen energischen Stoß. Das Schlauchboot setzte sich zögernd in Bewegung, wurde von der leichten Strömung erfaßt und dann abgetrieben. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis es in der Dunkelheit verschwunden war.
Parker ging zurück in die Deckkabine. Er wollte sich jetzt die Brieftaschen der beiden Schläger in aller Ruhe ansehen. Zu seiner ehrlichen Überraschung aber waren diese beiden Gegenstände im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr greifbar.
Man hatte sie in der Zwischenzeit abgeholt.
Josuah Parker kam zu dem zwingenden Schluß, daß man ihn doch noch hereingelegt hatte.
*
Schon früh am anderen Morgen war er wieder auf den Beinen.
Butler Parker lustwandelte hinauf zum Wäldchen. Er interessierte sich für die bewußte Waldlichtung, aber auch für eine gewisse Dogge. Seiner bescheidenen Ansicht nach mußte der mächtige Vierbeiner hier aus der Gegend stammen.
Vom kleinen Fluß her trieben Nebelschleier, die von der aufgehenden Sonne bereits geschluckt wurden. Die Vögel tirilierten fast aufdringlich und steckten akustisch ihre Reviere ab. Karnickel hoppelten über die Felder und kümmerten sich kaum um den Morgenwanderer. Instinktiv spürten sie, daß dieser schwarzgekleidete Mann für sie keine Gefahr bedeutete.
Parker konnte sich vorstellen, daß er auch weiterhin beobachtet wurde. Er mußte wieder an die verschwundenen Brieftaschen denken. Gehörte der Dieb zu den beiden Schlägern, die er auf dem kleinen Fluß abgesetzt hatte? Falls das der Fall war, so hatte der Mann eine bemerkenswerte Zurückhaltung gezeigt und darauf verzichtet, klärend einzugreifen. Oder arbeitete dieser Mann gegen die Schläger? Warum hatte er dann nicht seine Hilfe angeboten und gemeinsame Sache mit Josuah Parker gemacht?
Der Butler hatte die Lichtung erreicht und wollte sich noch mal den tiefen Reifenabdrücken widmen. Doch er wurde erneut überrascht. Von den Reifenabdrücken im weichen Waldboden war nichts