SpaltenReise | Erotischer Roman. Noelle JordanЧитать онлайн книгу.
die Glatze sich umständlich aus dem Sakko schälte. Offensichtlich sollte das Geld Eindruck schinden, ging aber tierisch nach hinten los, denn Helen interessierte sich nicht die Bohne für materielle Dinge.
Der Geldsack nahm die Geldklammer wieder an sich. »Danke, Baby, was darf es zu trinken sein? Champagner?«, fragte er, sichtlich davon ausgehend, dass das Geld seine Wirkung erzielt haben musste.
»Ich hab noch, danke«, antwortete sie barsch und zeigte auf ihren Gin-Tonic.
Die Geldklammer rutschte näher an sie heran und legte ihr ungefragt die Hand um die Taille. »Was geht heute noch mit uns zwei Hübschen?«, säuselte er ihr ins Ohr.
Angeekelt entzog sie sich seiner Umklammerung.
»Mit dir ... nix«, antwortete sie kurz, nahm ihr Getränk und ging um die Bar herum.
Der Barmann sah ihr verständnisvoll nach.
Helen schüttelte den Kopf und positionierte sich an einer anderen Stelle des Tresens. Sie seufzte und fühlte sich erneut völlig fehl am Platz. Wieder wanderte ihr Blick durch den Raum.
Anzüge und Krawatten, wohin das Auge reichte. Einer wie der andere. Aalglatte, hühnerbrüstige, schmallippige, langweilige Typen. Gesichts- und profillos. Männer, die sich gegenseitig ihre Autoschlüssel, ihre Uhren oder ihre Büttenpapier geprägten Visitenkarten zeigten, um ihre Schwanzlänge zu messen. Gar nicht ihr Ding!
Sie stand eher auf die ausgefallene Sorte. Nicht zu groß, aber breit, muskulös und mit dem besonderen Extra. Eine Mischung aus Keanu Reeves, Marilyn Manson und Mike Tyson. Die meisten Frauen erschauderten bei den letzten beiden. Helen stand drauf. Seit einem »Meet & Greet« mit Marilyn Manson und dem unzensierten Video von »Heart Shaped Glasses« fand sie den Mann faszinierend und auf eine spezielle Art irgendwie erotisch, weil extrem charismatisch.
Ihre Blicke wanderten weiter durch den Raum, hinweg über die gesichtslose Masse und blieben an einem Mann mit hellbrauner Lederjacke hängen. Sie schätzte ihn auf siebenundzwanzig. Er stand ihr genau gegenüber und goss sich mit seinen großen Händen einen »Jacky-Cola« ein. Sie betrachtete ihn genauer. Etwa eins fünfundachtzig groß, breites Kreuz, eine fette Königskette um seinen Hals, Jeans und darüber ein simples weißes T-Shirt. Kein weiterer Schnickschnack. Die braunen Haare kurz rasiert. Für ihre Freundin Sarah wäre das der Inbegriff von »geht-gar-nicht« gewesen. Zu grobschlächtig, zu brutal aussehend. Aber für Helen hatte er was, nur was genau, wusste sie noch nicht. Erst, als er den Kopf hob und den Raum scannte, wurde es ihr bewusst. Als er sie sah, blickte er sich nicht weiter um. Seine Augen blieben an ihr haften. Bei Helen schlug der Blitz ein. Der Mann hatte eine starke Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Dolph Lundgreen in dem Film »Red Scorpion«, nur eben in jung und dunkelhaarig und nicht ganz so groß. Helle, blaue Augen, sofern sie das auf die Entfernung sagen konnte und ein unglaublich schönes, sehr symmetrisch geschnittenes Gesicht. Er fixierte sie.
Helen stieg die Röte ins Gesicht. Zur Ablenkung suchte sie irgendwas in den Untiefen ihrer Handtasche. Als sie wieder nach oben schaute, war der Mann weg. Sie guckte nach links und rechts, konnte ihn aber in dem Gewimmel nicht mehr finden. Die Bar war inzwischen gerammelt voll.
»Wäre ja auch zu einfach gewesen«, murmelte sie vor sich hin, als sich ihr plötzlich die Nackenhaare aufstellten. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, sie spürte, dass er bereits ganz nah hinter ihr stand. Sein Parfüm und seine Energie schwappten zu ihr herüber. Es fühlte sich an wie kurz vor einem Gewitter, wenn die Luft elektrisch aufgeladen ist und jeder weiß, dass es gleich donnern, krachen und dann einschlagen wird.
»Ich hab dich hier noch nie gesehen«, flüsterte er ihr ins rechte Ohr.
Sie erschauerte und schloss die Augen. Gänsehaut lief ihr über die Arme. Chemie nannte man das wohl. Ihr Herz schlug schneller, als sie sich langsam umdrehte. Sie schaute ihm tief in die tatsächlich hellblauen Augen.
»Ich bin zum ersten Mal in dieser Bar«, sagte sie und dachte: Was für ein tolles Gesicht!
Sie betrachtete ihn genauer. Hohe Wangenknochen, dicke Lippen wie fürs Küssen und Lecken gemacht, eine kleine Nase und ein Nacken wie ein Stier. Die großen Hände umschlossen ein fast leeres Glas. Er gab dem Barkeeper ein Zeichen und zwei Minuten später hielt er ein neues Getränk in seiner und Helen den dritten Gin-Tonic in ihrer Hand. Er hakte sie ohne zu fragen unter und zog sie nach draußen auf die Terrasse.
»Wie heißt du?«, wollte er wissen.
»Helen und du?«
»Jason.«
»Freut mich.«
»Und mich erst.« Er lächelte sie an und drückte sie vorsichtig gegen die Hauswand. Sie ließ ihn gewähren. Er stützte sich mit beiden Händen links und rechts neben ihrem Kopf an der Wand ab und kam näher. Seine Wange berührte nur ganz leicht ihre. Er wusste genau, was er tat. Die Frage war nur, ob das Gegenüber die gleiche Chemie hatte und darauf ansprang. Helen sprang an. Und wie! Er brachte sie zum Schmelzen, ohne sie wirklich zu berühren. Ihre Knie wurden weich.
»Kann ich dich wiedersehen?«, fragte er.
»Kannst du«, antwortete sie ohne zu zögern und gab ihm ihre Nummer.
»Ich muss jetzt weg, rufe dich aber morgen an, okay?«
Sie nickte.
Er stellte sein Glas ab, nahm ihr Gesicht in beide Hände, küsste sie vorsichtig auf Mund und verschwand dann in Richtung Ausgang. Sie blickte ihm nach.
Was zum Henker war das denn?, dachte sie. Und seit wann gebe ich meine Telefonnummer an Kerle, die ich seit fünf Minuten kenne? Sie war verwirrt und angeturnt zugleich. So einen wie Jason hatte sie noch nie kennengelernt, einen, der es aufgrund seiner körperlichen Präsenz schaffte, dass all ihre Sinne Amok liefen. Sie stellte das Glas ab und beschloss, nach Hause zu fahren. Besser konnte es nicht mehr werden und die Anzug-Luschen konnte haben wer wollte.
***
Das Telefon klingelte. Es war Samstagnachmittag und Helen fläzte sich auf der Couch.
»Hallo?«
»Hallo, schöne Frau, ich bin’s, Jason. Der Typ von gestern.«
Helen schoss kerzengerade nach oben. Ihr Herz schlug wie wild. »Hi.«
»Was machst du heute Abend?«, wollte er wissen.
»Nichts.«
»Okay, ich hol dich um zwanzig Uhr ab. Gib mir deine Adresse.«
Er fragte gar nicht, ob sie Lust dazu hatte ... Aber in diesem Fall war das auch nicht nötig. Sie hatte Lust!
***
Pünktlich um acht klingelte es an der Tür. Sie drückte den Summer und zwei Minuten später stand Jason im Wohnzimmer. Wieder nahm er ihr Gesicht in beide Hände und drückte seine weichen Lippen auf ihre. Wieder wurden ihre Knie weich und ihr Unterleib meldete sich. Er trug ein hautenges, weißes dünnes Langarmshirt, unter dem man jeden Muskel sehen konnte. Helen musste schlucken. Das sah mehr als nur lecker aus!
Er blickte sich um. »Nette Wohnung.«
»Danke.« Helen war von so viel Selbstbewusstsein schier überrumpelt.
»Bist du fertig?«, fragte er.
»Startklar.«
»Gut, wir fahren kurz zu einem Kumpel von mir. Ihm gehört ein Café. Ich muss was Geschäftliches regeln.«
Sie verließen die Wohnung.
Ein fetter BMW stand vor der Tür. Ganz Gentleman öffnete er ihr die Beifahrerseite. Während der Fahrt ertappte sie sich mehrmals dabei, wie sie ihn von der Seite anstarrte. Ihr Blick wanderte immer wieder von diesem faszinierenden Gesicht über seinen Nacken, über die Brust, bis hin zu den großen Händen.
Die würden sich gut überall auf meinem Körper und zwischen meinen Beinen machen, dachte sie, biss sich auf die Zunge und guckte schnell aus dem Fenster.
Dreißig Minuten später saßen sie bereits im Café.