Der exzellente Butler Parker 5 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
»Was ist denn das für ein infernalischer Lärm, Mister Parker?« Unwillig sah Lady Agatha von der köstlichen Nougattorte auf, der sie ihre volle Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Neugierig wuchtete sie ihre imponierende Körperfülle ans Wagenfenster und sah hinaus,
Erneut überholte ein Polizeiwagen mit zuckendem Blinklicht und jaulender Sirene Parkers hochbeiniges Monstrum.
»Es dürfte sich um einen größeren Einsatz, möglicherweise einen Banküberfall handeln«, gab der Butler Auskunft. Es war bereits der dritte Streifenwagen, der mit überhöhter Geschwindigkeit vorbeijagte. Und schon nahte der vierte aus einer Seitenstraße.
»Mylady wünschen der Sache auf den Grund zu gehen?« erkundigte er sich. »Selbstverständlich möchte ich das, Mister Parker«, erklärte die ältere Dame. »Zwar wollte ich mich eigentlich in Ruhe der kleinen Nascherei widmen, aber die Pflicht geht vor. Und mein untrüglicher Spürsinn sagt mir, daß wieder ein brisanter Fall auf mich wartet.«
»Mit dieser Möglichkeit sollte man zweifellos rechnen«, pflichtete der Butler ihr bei und nahm die Fährte des davonrasenden Einsatzwagens auf.
Der schwarze, schwerfällig wirkende Kasten, in dem er seine Herrin gerade von einem Konditoreibesuch
nach Hause kutschieren wollte, war viele Jahre als Taxi durch die Straßen der britischen Hauptstadt gerollt, bevor der Butler das Fahrzeug erwarb und für seine Zwecke umbauen ließ.
Neben einem hochmodernen Fahrwerk verfügte das Gefährt über eine Reihe von geheimen Einrichtungen, die der Abwehr von Verfolgern dienten und ihm den Beinamen »Trickkiste auf Rädern« eingetragen hatte. Unter der Haube verbarg sich eine spurtstarke Rennmaschine, der Parker die Sporen gab.
Wenige Minuten später hatte er das Ziel erreicht. Fast ein Dutzend Einsatzfahrzeuge der Polizei standen auf dem Vorplatz einer Bank. Uniformierte Polizisten und Mitarbeiter der Spurensicherung liefen wie aufgescheuchte Hühner durcheinander. Vor den gläsernen Türen des Haupteingangs hatten Bewaffnete in Uniform Posten bezogen.
Soeben rollte ein Krankenwagen vom Gelände der Bank auf die Straße und verschwand mit aufheulendem Motor in Richtung Kliniken. Josuah Parker ließ sein hochbeiniges Monstrum am Fahrbahnrand ausrollen und half Mylady beim Aussteigen.
»Hier wimmelt es ja geradezu von Polizisten«, stellte sie mit gerunzelter Stirn fest. »Ich kann es nicht ertragen, wenn die Schnüffelnasen mir ständig in die Ermittlungen hineinpfuschen.« Dennoch marschierte sie forsch in Richtung des gesperrten Eingangs.
»Die Bank ist geschlossen. Ich muß Sie bitten, morgen wiederzukommen«, erklärte ein Polizist und trat ihr in den Weg.
»Daß die Bank geschlossen ist, sehe ich auch, junger Mann«, gab Lady Agatha mürrisch zurück. Sie dachte nicht daran, sich so einfach abwimmeln zu lassen. »Wer ist der Einsatzleiter?« wollte sie wissen.
»Chief-Superintendent McWarden persönlich«, gab der Beamte bereitwillig Auskunft.
Die Detektivin warf ihrem Butler einen bedeutungsvollen Blick zu. Wenn McWarden die Ermittlungen an sich gezogen hatte, konnte es sich nicht um einen jener Routine-Banküberfälle handeln. Da der Chief-Superintendent regelmäßiger Gast in ihrem Haus war, wußte Mylady natürlich, daß er im Yard ein Sonderdezernat leitete, das sich der Bekämpfung des organisierten Verbrechens widmete.
»Bitte, teilen Sie Mister McWarden mit, daß Lady Simpson ihn zu sprechen wünscht«, schaltete der Butler sich ein. Doch der Polizist schüttelte den Kopf.
»Völlig ausgeschlossen«, meinte er. »Der Chef ist total im Streß.«
»Ich fürchte, Sie haben noch nicht bemerkt, wen Sie hier vor sich haben«, entgegnete Mylady mit dumpfem Grollen in der Stimme.
»Ich denke doch«, antwortete der Polizist ruhig. »Simpson war Ihr Name, wenn ich mich nicht verhört habe. Stimmt’s?«
»Lady Agatha Simpson genießt einen außerordentlichen Ruf als Detektivin«, klärte Parker ihn auf, bevor seine Herrin aufbrausen konnte. »Und da Mister McWarden zu den Freunden des Hauses zählt, dürfte er ein Gespräch mit Mylady kaum ablehnen, falls man sich diesen Hinweis erlauben darf.«
»Reinlassen kann ich Sie trotzdem nicht«, blieb der Polizist standhaft. »Ich kann höchstens nachfragen lassen, ob der Chief-Superintendent bereit ist, mit Ihnen zu sprechen.« Er schickte seinen Kollegen hinein, und es dauerte keine zwei Minuten, bis McWarden mit hochrotem Kopf zur Stelle war.
»Sie erwischen mich in einem denkbar ungünstigen Moment, Mylady«, erklärte er. Man sah ihm förmlich an, wie er sich Mühe gab, freundlich zu bleiben. Schließlich hatte Butler Parker ihm schon mit manchem guten Tip ausgeholfen. Auch diesmal sah es so aus, als werde er seine Hilfe in Anspruch nehmen müssen.
»Günstige Momente sind bei Ihnen ja auch nicht gerade häufig«, stichelte Agatha Simpson, doch McWarden war fest entschlossen, sich nicht provozieren zu lassen.
»Ich muß sofort hinter dem Krankenwagen herfahren«, erklärte er. »Hoffentlich bekommen sie den Direktor in der Klinik schnell wieder hin. Bisher steht der Mann unter Schock und konnte uns nicht mal eine Täterbeschreibung liefern.«
»Das heißt, der Bankräuber ist Ihnen entwischt, und Sie haben keine Ahnung, wer es sein könnte«, frohlockte Lady Agatha.
»So ist es«, bestätigte McWarden mißgelaunt. »Vielleicht haben Sie mehr Glück, wenn Sie sich in den Fall einschalten.«
»Mit Glück hat das nichts zu tun, mein lieber McWarden«, belehrte die Detektivin den Yard-Beamten. »Begabung und Leistung führen zum Erfolg!«
McWarden schluckte auch diese Bemerkung. Er trat sogar noch näher an Agatha Simpson heran, damit die Uniformierten das Gespräch nicht mithören konnten.
»Wenn Sie gestatten, Mylady«, flüsterte er, »werde ich Ihnen morgen früh einen Besuch abstatten. Ich muß mit Ihnen und Mister Parker über diesen Fall reden. Irgend etwas geht da nicht mit rechten Dingen zu.«
Die ältere Dame blickte ihn prüfend an. Offenbar überlegte sie, was der Chief-Superintendent mit diesem Besuch in Wahrheit bezweckte. Suchte er wirklich ihre Hilfe, oder war er wieder nur auf ihren guten Sherry aus?
»Wenn Sie wirklich meinen Rat wünschen«, verkündete sie hoheitsvoll, »bin ich bereit, Sie nach dem Frühstück zu empfangen.« Natürlich gab sich-Mylady nicht die geringste Mühe, ihre Stimme zu dämpfen. Die Folge war, daß die beiden Uniformierten unter hämischem Grinsen die Ohren spitzten und McWardens Gesicht die Farbe einer Vollreifen Tomate annahm.
»Jetzt muß ich aber wirklich ins Krankenhaus«, erklärte er und verabschiedete sich. »Bitte, entschuldigen Sie meine Eile, Mylady.«
»Darf man Ihre Bemerkung von vorhin so interpretieren, daß über den Täter nicht das geringste bekannt ist, Mister McWarden?« wollte Parker noch wissen.
»Bis jetzt steht nur eines fest«, verriet der Chief-Superintendent. »Es war eine Frau!«
*
»Das kann doch nur McWarden sein«, murmelte Lady Agatha, als die Türglocke anschlug. »Er scheint es wirklich eilig zu haben, wenn er mich nicht mal in Ruhe frühstücken läßt.«
Hastig schob sie sich die letzten Reste des opulenten Mahls in den Mund, das Parker für sie im Salon hergerichtet hatte. Als der Chief-Superintendent den Raum betrat, war nichts mehr übrig.
»Ich hoffe, Sie haben gut gefrühstückt, mein lieber McWarden«, begrüßte die Hausherrin ihren Gast und bot ihm mit huldvoller Gebärde einen Platz an. »Leider kann ich Ihnen im Moment gar nichts anbieten. Übrigens: Was macht ihr Bankräuber?«
»Räuberin!« korrigierte der Chief-Superintendent. »Wir sind noch keinen Schritt weiter.«
»Das habe ich mir schon gedacht«, erklärte die Hausherrin schadenfroh. »Wie wollen Sie denn richtige Verbrecher fangen, wenn Sie noch nicht mal mit einer Frau fertig werden?«
»Sie haben gut reden, Mylady«, erwiderte der Chief-Superintendent. »Diese Frau arbeitet mit eiskalter Raffinesse, von der sich mancher hartgesottene Gangster eine Scheibe abschneiden könnte.«
»Darf