Dr. Norden Bestseller Classic 38 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
dass Moni verlobt ist«, sagte Carlo.
»Ach, dieser fade Bursche«, meinte Florentine wegwerfend. »Sie muss erst mal Vergleiche ziehen, bevor sie urteilen kann. Wir können doch nicht zulassen, dass Moni blindlings ins Unglück stolpert.«
»Wieso ins Unglück?«, fragte Monika aggressiv.
»Stille Wasser sind tief«, sagte Florentine anzüglich. »Damit meine ich nicht dich, Moni, sondern deinen Willi. Einmal muss es ja gesagt werden.« Und als Monika sie bestürzt ansah, fügte sie versöhnlich hinzu: »Ich mag dich eben.«
»Du kennst Wilfried doch gar nicht«, sagte Monika.
»Denkste«, erwiderte Florentine.
»Misch dich da doch nicht ein, Flo«, sagte Carlo.
Monika legte den Kopf in den Nacken. »Soll das ein Komplott sein?«, fragte sie. »Ich habe jetzt keine Zeit. Ich bin verabredet.«
Etwas anderes wusste sie nicht zu sagen.
»Komm heute Abend, dann können wir uns mal aussprechen«, rief ihr Florentine nach. »Ich meine es wirklich nur gut, wenn es auch nicht so klingt.«
Monika eilte davon. Florentine wollte ihr nachlaufen, aber Carlo hielt sie fest.
»Das war etwas zu hart, meinst du nicht?«, fragte er.
»Jemand muss ihr doch mal die Augen öffnen«, sagte Florentine. »Ich mag sie wirklich, Carlo.«
»Ich mag sie auch, aber man kann ihr doch nicht wehtun.«
»Es ist besser, wenn ihr jetzt die Augen geöffnet werden, nachher ist es zu spät. Es langt schon, dass ihr Vater so ein Saukerl ist.«
Mit harten, unverblümten Worten sparte sie nicht. Nichts in ihrem Benehmen, ihrer Kleidung, ihrem ganzen Auftreten ließ darauf schließen, dass ihr Vater zu den ganz Prominenten zählte, vor denen alle dienerten. Nur seine Tochter nicht.
Bei Florentine war der Abnabelungsprozess vom Elternhaus so weit gegangen, dass sie sich schwerhörig stellte, wenn man sie fragte, ob sie mit dem Baulöwen Häussler verwandt sei. Dann brachte sie es fertig, ihren Vater zu verleugnen, obgleich sie sich familiär mit ihm weit besser verstand, als Monika sich je mit ihrem Vater verstanden hatte. Florentine wollte nur nicht als die Tochter ihres einflussreichen Vaters bewertet werden.
Sie hatte ihre eigene Wohnung und auch ihren eigenen Freundeskreis. Sie lebte ihr Leben, und das war ein sehr bewusstes Leben. Sie hatte sich in jungen Jahren bereits zu einer Persönlichkeit entwickelt, und das wohl auch deshalb, weil ihr Vater ihr keine Schranken setzte.
Über Herbert Richter und auch über Monikas Verlobten wusste sie mehr, als sie bisher verlauten ließ, aber nun hatte sie sich doch nicht mehr beherrschen können. Sie hatte Monika einfach zu gern.
»Vielleicht kommt sie nun doch heute Abend«, sagte Florentine zu Carlo. »Wenn nicht, sehe ich ganz schwarz für sie. Über kurz oder lang wird sie doch erfahren, mit wem ihr Vater sich eingelassen hat, und dann kommt das dicke Ende nach. Man muss ihr doch wenigstens das Gefühl geben, dass sie Freunde hat, Carlo.«
*
Sie ahnten nicht, wie bald Monika wirklich gute Freunde brauchen könnte. Carola Buchner jedenfalls brachte Monika keine freundschaftlichen Gefühle entgegen.
Sie war schon im »Goldenen Lamm« und wartete ungeduldig auf Monikas Erscheinen. Sie war hübsch genug, um Männerblicke auf sich zu ziehen. Sie hatte ein gewisses Etwas, das aufreizend auf Männer wirkte, obgleich sie das zumindest jetzt nicht beabsichtigte.
»Vielen Dank, dass Sie gekommen sind, Fräulein Richter«, sagte sie zur Begrüßung. »Ich muss mich kurz fassen, da meine Mittagspause bald zu Ende ist.«
»Ich konnte leider nicht früher hier sein«, erwiderte Monika. »Worüber wollten Sie mit mir sprechen?«
»Über Wilfried.«
Monikas Augen weiteten sich staunend. Begreiflicherweise war sie befremdet, dass Carola ihren Verlobten beim Vornamen nannte. Ein Kribbeln rann über ihren Rücken.
»Über Wilfried?«, wiederholte sie fragend.
»Sie sind erstaunt«, sagte Carola ironisch, »er hat natürlich nicht erwähnt, dass wir früher befreundet waren, nicht einmal das.«
»Es ist mir neu«, erwiderte Monika steif, »aber Sie haben sicher einen Grund, mich davon in Kenntnis zu setzen.«
»Ja, gewiss, einen sehr triftigen Grund. Die Verlobung mit Ihnen kam durch Vermittlung Ihres Vaters zustande, weil er sich Chancen bei Ihnen ausrechnete. Es war für Wilfried natürlich ein verlockendes Angebot. Zu eigenen Entschlüssen ist er ja nicht fähig. Immerhin kam er von mir nicht los. Der langen Rede kurzer Sinn: Ich erwarte ein Kind.«
Monika war wie erstarrt. Augenblicklich empfand sie gar nichts. Es war wie ein betäubender Schlag gewesen, der aber keinen Schmerz verursachte.
»Es musste wohl gesagt werden«, tönte Carolas Stimme an ihr Ohr.
»Ja, das musste wohl gesagt werden«, erwiderte Monika tonlos. »Es wäre wohl besser gewesen, ich hätte es von Wilfried erfahren.«
»Er weiß es noch nicht. Unter gewissen Voraussetzungen wäre ich auch bereit, es ihm zu verschweigen.«
»Unter welchen Voraussetzungen?«, fragte Monika.
»Dass ich und das Kind finanziell abgesichert werden.«
»Das erwarten Sie von mir? Nicht von Wilfried?«
»Ihnen würde jedenfalls eine Blamage erspart bleiben«, erklärte Carola kühl.
»Sie meinen, dass ich ihn unter diesen Umständen noch heiraten würde? Sie können ihn gernhaben«, erwiderte Monika eisig.
Fassungslos blickte Carola Monika an. »Es macht Ihnen gar nichts aus?«
»Nein, es macht mir überhaupt nichts aus.«
»Es scheint Sie auch nicht zu interessieren, dass Ihr Vater dieses Arrangement traf, um mich von Wilfried zu trennen.«
»Nein, auch das interessiert mich nicht«, sagte Monika gleichmütig, obgleich heißer Zorn in ihr emporstieg. »Wir können diese Unterhaltung beenden. Es wäre angebracht, wenn Sie Herrn Schaeffers baldmöglichst von diesem Gespräch informieren.«
Sie stand auf und ging, und nun war es Carola, die wie erstarrt sitzen blieb.
So springen sie also mit mir um, dachte Monika. So, als wäre ich eine Marionette, die man nur zu dirigieren braucht.
Zorn auf sich selbst erfasste sie nun. Was hatte sie denn für Wilfried empfunden? Eigentlich nichts, wenn sie es nun nüchtern überlegte. Es war ja nicht ihre Entscheidung gewesen, sich mit ihm zu verloben. Sie hatte sich so schrecklich einsam gefühlt nach dem Tod ihrer Mutter.
Wilfried war ein netter, höflicher, zurückhaltender junger Mann, der ihr in keiner Weise zu nahe getreten war.
Verliebt war sie noch nie gewesen. War sie überhaupt tiefer Gefühle fähig?
Auch das fragte sie sich jetzt, während sie durch die Straßen lief. Was für ein Mensch war ihr Vater eigentlich? Ein so tiefer Widerwillen erfüllte sie plötzlich, dass ihr ganz schlecht wurde.
Dann stand sie vor ihrem Wagen und wusste gar nicht, wie sie dorthin gelangt war. Dem Wirrwarr ihrer Gefühle folgte eine entsetzliche Gleichgültigkeit. Sie setzte sich ans Steuer und fuhr los. Sie konzentrierte sich ganz auf den Verkehr, um nicht weiter nachdenken zu müssen.
Sie fuhr hinaus aus der Stadt, hin zum Friedhof, auf dem ihre Mutter ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte. Sie musste einen Entschluss fassen, wie sie ihr Leben nun künftig gestalten wollte. Vielleicht war hier, in dieser Stille, diesem Frieden, der richtige Platz.
»Du hast es gut, Mutti«, sagte sie leise, »du weißt nichts mehr von diesem Elend. Doch wer weiß, was du gelitten hast, ohne dass du es mir sagtest, ohne dass ich eine Ahnung hatte.«
Ja,