Dr. Laurin Classic 43 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
fragte Dr. Laurin.
»Mutter wollte das doch nicht! Und Vater auch nicht. Ich bin dann erst acht Jahre später geboren, und sie waren froh, daß ich gesund und kräftig war. Wir haben für uns gelebt, und ich habe nichts vermißt. Auf der Landwirtschaftsausstellung habe ich dann Traude kennengelernt. Na ja, ich war schon dreißig, und sie war mein erstes Mädchen.«
Oh, du liebe Güte, dachte Dr. Laurin. Ein junger, gar nicht mehr so junger Mann voller Komplexe, emporgezüchtet von egoistischen Eltern. In der heutigen Zeit wahrhaft ein seltener Fall.
»Traude hatte vorher auch noch keinen Mann gehabt«, fuhr Ludwig Rieding fort. »Wir haben uns gut verstanden. Meine Eltern hatten auch nichts gegen die Heirat. Sie brachte allerhand mit. Für meine Eltern war das auch wichtig. Für mich nicht. Ich war froh, daß ich so ein Mädchen gefunden hatte.«
»Aber dann gab es doch Schwierigkeiten mit Ihren Eltern«, half ihm Dr. Laurin wieder weiter.
»Nicht eigentlich. Ich habe es gar nicht so gemerkt. Ich habe den Hof übernommen. Meine Eltern zogen sich aufs Altenteil zurück. Natürlich war ich viel bei ihnen.«
»Ohne Ihre Frau?«
Man konnte ihm ansehen, daß ihm die Frage unbehaglich war. »Meine Eltern sind schwierig«, erwiderte er. »Traude wollte alles modern haben. Ich hatte nichts dagegen, aber ich habe es meinen Eltern immer vorsichtig beigebracht. Traude sagt alles so, wie sie denkt.«
»Oder sie sagt gar nichts.«
Ludwig Rieding nickte. »Sie kann nicht heucheln. Sie ist meinen Eltern aus dem Wege gegangen.«
»Und ihre Eltern hatten sich vorgestellt, daß sie von ihrer Schwiegertochter umsorgt würden. Stimmt es?«
Wieder nickte Ludwig Rieding.
»Was war mit Ihrem Bruder?« fragte Dr. Laurin.
»Es kam von der Geburt. Damals war noch nicht alles so wie heute. Es war doch keine Erbkrankheit. Ich war zwei Jahre, als er starb, so konnte ich mich gar nicht an ihn erinnern.«
»Um so weniger brauchten Sie die Tatsachen Ihrer Frau zu verschweigen«, sagte Dr. Laurin.
»Wer konnte ahnen, daß jemand darüber mit Traude reden würde? Die Annemarie Bauermann war es bestimmt nicht. Und sonst hat Traude mit keinem im Dorf gesprochen.«
»Aber es muß wohl doch geklatscht worden sein.«
»Dann war es die Grete Weiß«, sagte Ludwig Rieding. »Die klatscht überall herum, aber Traude brauchte doch nicht darauf zu hören.«
»Sie hat sich Gedanken gemacht. Während der Schwangerschaft sind Frauen besonders empfindlich. Sie fühlte sich als Fremde, wie ich Ihren Worten entnehme. Jedenfalls hat sie jetzt einen gesunden Sohn und wird von ihren Ängsten befreit sein, wenn man ihr alles erklärt.«
»Sie hätte mit mir reden können.«
»Sie hätten auch mit ihr reden können, Herr Rieding. Sie kam sich sicher sehr verlassen vor, da Sie doch sehr an Ihren Eltern zu hängen scheinen.«
»Das sind Pflichten, um die man nicht drum herumkommt, Herr Doktor. In unserer Familie war das immer so, seit Generationen. Man kann doch die alten Leute nicht abschreiben.«
»Nein, das soll man nicht, aber man soll auch die Partner nicht vergessen, die Gegenwart. Hoffentlich denken Sie nicht jetzt schon daran, Ihren Sohn einmal genauso zu erziehen, wie Sie erzogen worden sind. Ich glaube fast, daß Ihre Ehe dann nicht von Bestand sein dürfte.«
»Traude ist treu, das weiß ich.«
»Das mag sein, aber sie ist nicht glücklich«, stellte Dr. Laurin fest, »das wollen wir einmal ganz deutlich festhalten. Sie müssen darüber nachdenken, was Ihnen wichtiger ist: Ihre Ehe, oder die Konzession, die Sie als pflichtbewußter Sohn Ihren Eltern machen – glauben machen zu müssen. Ich möchte meinen, daß Ihre Frau andere Vorstellungen von der Ehe hat.«
»Ich werde mich mit Traude aussprechen«, sagte Ludwig Rieding leise. »Ich will sie nicht verlieren, Herr Doktor. Sie ist für mich die einzige Frau auf der Welt.«
Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn er erst ein paar andere kennengelernt hätte, dachte Dr. Laurin. Irgendwie tat ihm dieser Mann leid. Er war bestimmt ein anständiger Mensch. Vielleicht zu anständig, und er wurde hin und her gerissen zwischen Liebe und Pflichtgefühl. Daß er seine Frau liebte, bezweifelte Leon Laurin nicht nach diesem Gespräch. Nun würde er sehen, wie Traude Rieding reagierte, wenn er mit ihr sprach. Doch noch schlief sie – erschöpft von der Geburt.
*
Antonia überraschte er an diesem Abend mit einer Frage, die sie zuerst mal sprachlos machte.
»Sag mal, Liebes, woher beziehst du eigentlich Eier und Geflügel?«
Es vergingen Minuten, bis Antonia die fassungslose Gegenfrage stellte: »Seit wann interessierst du dich auch noch für den Haushalt?«
Immer noch staunend sah sie ihn an. »Ich lasse alles von unserem Stammgeschäft bringen.«
»Du könntest es doch mal direkt vom Bauern besorgen. Hanna macht das auch.«
»Um was du dich neuerdings alles kümmerst«, japste Antonia. »Aber das hat doch bestimmt einen Grund.«
Leon lächelte verschmitzt. »Natürlich hat es einen. Ich würde ja ganz gern mal zu diesem Bauern fahren, aber ich habe keine Zeit. Aber den Kindern würde es sicher Spaß machen. Ich habe da nämlich eine Patientin…«
Nun endlich wurde Antonias Neugierde befriedigt. Sie erfuhr die Geschichte von Traude Rieding.
»Und da soll ich mich wohl umhorchen?« fragte sie.
»Nicht so direkt, aber vielleicht kannst du so nebenbei erfahren, wie die Nachbarn zu den Riedings eingestellt sind. Ich möchte vermeiden, daß sie Reißaus nimmt. Ob ich mit gutem Zureden Erfolg haben werde, weiß ich ja noch nicht.«
»Das wäre doch das erste Mal, daß du keinen Erfolg hast«, sagte Antonia.
Ja, aber es gibt möglicherweise auch ein erstes Mal.«
»Die Kinder werden sicher begeistert sein«, sagte Antonia nach kurzem Überlegen. »Nur gut, daß du es nicht in ihrer Gegenwart gesagt hast, sonst wären Konstantin und Kevin bestimmt dafür, daß wir gleich morgen hinfahren, und für morgen habe ich ja bereits etwas vor.«
»Und von deinem Stadtbummel bist du nicht abzubringen«, sagte Leon.
»Wenn es nicht unbedingt nötig ist. Ich bin mit Sandra verabredet. Kyra braucht unbedingt Schuhe. Die kaufe ich nicht mehr auf gut Glück. Sie müssen genau passen. Sie hat empfindliche Füße.«
»Wie ihre Mami«, lächelte Leon, denn bis Antonia Schuhe fand, die ihr gefielen und in denen sie sich wohl fühlte, dauerte es lange.
»Teresa könnte doch mit Konstantin und Kevin zu dem Bauern fahren«, überlegte Antonia dann noch mit einem unterdrückten Gähnen. »Sie kriegt viel schneller Kontakt zu Fremden.«
»Dann wäre Kaja vielleicht wieder beleidigt«, meinte Leon.
»Wir können sie ja fragen, was sie lieber möchte«, sagte Antonia.
Kaja überlegte nicht lange. »Schweine stinken, das mag ich nicht«, erklärte sie. »Ich fahre lieber mit in die Stadt.«
»Schweine können nichts dafür, wenn sie stinken«, erklärte Kevin. »Sie können sich ja nicht in Schaum baden.«
»Landluft ist gesund«, erklärte Konstantin. »In der Stadt stinkt es viel mehr.« Manchmal waren auch die Zwillinge verschiedener Meinung!
Teresa Kayser war jedenfalls schnell bereit, Eier und Geflügel zu besorgen und sich dort auf dem Dorf ein bißchen umzuschauen.
Antonia und Leon hatten ihre Wagen getauscht, da auch Sandra nur einen kleinen hatte, und so konnte der Stadtbummel losgehen.
»Ich bin richtig froh, daß ich mal wieder