Dr. Laurin Classic 43 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Gardinen für das Wohnzimmer könnte ich eigentlich auch gleich besorgen«, sagte Antonia.
»Ach, du liebe Güte«, sagte Kaja. »Jetzt fällt Mami bestimmt dauernd was ein. Jetzt fahren wir aber erst zum Kaufhaus Meiling.«
Dort waren sie bald angelangt. Schon die Schaufensterfront zeigte verlockende Angebote.
»Es gibt ja so entzückende Sachen«, sagte Antonia.
»Bärle«, jauchzte Kyra. »Wummibärle.«
»Spielsachen habt ihr wahrhaftig genug«, erklärte Antonia. »Du kannst dir schon mal Pullover aussuchen, Kaja«, sagte sie, denn sie mußte jetzt ihre ganze Aufmerk-samkeit der lebhaften Kyra zuwenden, und Schwägerin Sandra suchte Kleidchen für ihr Töchterchen Lena aus.
Kaja ging auf Erkundungsreise. Hier im Geschäft konnte sie ja nicht verlorengehen, und es gab unendlich viel zu sehen. Die modernen Kinderwagen gefielen ihr sehr gut, und da gab es Tragetaschen für Babys mit Guckfenstern. So eine hatten sie für Kyra nicht gehabt. Und in einer lag eine Puppe, die aussah wie ein richtiges Baby. Sogar solche Laute gab sie von sich.
In andächtiger Versunkenheit stand Kaja davor und konnte den Blick nicht wenden, denn die Babypuppe fuchtelte sogar mit den Armen herum.
Das erschien ihr so bemerkenswert, daß sie es unbedingt ihrer Mami erzählen mußte.
»Du, Mami, hier gibt es eine Puppe, die möchte ich auch haben. Sie ist wie lebendig«, sagte sie.
Antonia, hocherfreut, daß Kaja tatsächlich mal Interesse an einer Puppe hatte, wollte sich diese unbedingt ansehen. Sie folgte Kaja zu der Tragetasche, während Sandra sich um Kyra kümmerte, die man in einen Schaukelstuhl gesetzt hatte.
»Horch mal, Mami, sie weint sogar wie ein richtiges Baby«, sagte Kaja.
Antonia hörte es, und diese menschlichen Laute kamen ihr sehr merkwürdig vor.
Ihre Augen weiteten sich, als sie sich der Tragetasche näherte. Wie versteinert stand sie.
»Das ist keine Puppe, Kaja«, stammelte sie, »das ist ein Baby, ein richtiges Baby.«
»Toll«, sagte Kaja. »Kann man das kaufen?«
Eine Verkäuferin eilte herbei, dann die Geschäftsführerin und dann auch Sandra mit Kyra auf dem Arm und Lena an der Hand.
»Wie ist das möglich?« stöhnte die Geschäftsführerin. »Wie kommt das Baby da hinein?«
»Weiß ich nicht«, sagte Kaja. »Es lag schon drin, wie ich mich umgeschaut habe.«
»Es ist höchstens zehn Tage alt«, sagte Antonia ernst. »Hat jemand die Tasche hier abgestellt?«
»Nein, sie gehört zu der neuen Kollektion, die erst gestern eingetroffen ist«, sagte die Geschäftsführerin beklommen. »Das kann man doch nicht einfach machen.«
Jedenfalls lag das Baby in der Tasche, und Antonia Laurin nahm es jetzt behutsam empor.
»Es ist nicht warm genug angezogen«, sagte sie. »Vielleicht kauft die Mutter ein und will auch die Tasche nehmen.«
Doch irgendwie hatte sie schon jetzt das Gefühl, daß ihre Vermutung nicht zutraf. Eine junge Mutter ließ ihr Kind doch nicht so unbeachtet liegen!
Und da schon lange Minuten vergangen waren, ohne daß sich jemand blicken ließ, kam ihr ein schrecklicher Gedanke.
»Das Kind ist naß und hat Hunger«, sagte sie. »Haben Sie einen Raum, wo ich es untersuchen kann?«
Die Geschäftsführerin wußte, daß Antonia Laurin Ärztin war, wenn sie jetzt auch nicht praktizierte, aber sie war so konsterniert, daß sie nur wortlos nickte.
»Ein Findelkind«, murmelte Sandra atemlos.
»Man wird es sehen. Wenn sich die Mutter nicht bald meldet, muß man das wohl annehmen.«
»In unserem Geschäft«, stöhnte die Geschäftsführerin. »Ich begreife das nicht! Ich muß die Verkäuferin fragen!«
»Aber ich werde mich indessen um das Würmchen kümmern«, sagte Antonia. »Es ist unterkühlt.«
In dem kleinen Aufenthaltsraum fand sie nicht gerade ideale Bedingungen vor, aber wenigstens warmes Wasser. Sie sah, daß der kleine Körper wund war, bedeckt mit Pusteln. Das ärmliche Hemdchen und auch das Jäckchen waren durchfeuchtet, die Windel pitschnaß. Viel mehr hatte das Kind auch nicht auf dem Körper, von der unscheinbaren dünnen Decke abgesehen, in die es gehüllt war.
Antonia war überzeugt, daß das Kind ausgesetzt worden war.
»Laß die Sachen, die wir ausgesucht haben, zusammenpacken, Sandra«, sagte sie. »Wir nehmen das Baby mit. Es muß richtig versorgt werden.«
»Die Tasche können wir nicht mehr verkaufen«, jammerte die Geschäftsführerin.
»Wenn das Ihre einzige Sorge ist«, sagte Antonia, »ich nehme sie!« Warm angezogen, wie es ihr angebracht schien, wurde das Baby hineingelegt. Ein Fläschchen konnte sie ihm hier nicht geben.
»Ist es ein Bub oder ein Mädchen?« fragte Kaja interessiert.
»Ein Bub«, erwiderte Antonia. »Wenn sich die Mutter melden sollte«, wandte sie sich an die Geschäftsführerin, »sagen Sie ihr, daß das Kind in der Prof.Kayser-Klinik ist.«
*
Teresa Kayser war indessen mit Konstantin und Kevin zu dem Bauernhof gefahren. In einem schmucken Dörfchen mit wenigen Häusern lag er.
Ein großer Schäferhund lag vor seiner Hütte und kündigte sie mit lautem Gebell an, das aber nicht unfreundlich klang.
In einem großen vergitterten Auslauf gackerten unzählige Hühner, aus den Ställen hörte man das Wiehern von Pferden und das Grunzen von Schweinen.
Ein junges Mädchen kam aus dem Haus. Sie trug ein Dirndl und sah recht hübsch aus.
»Sie wünschen?« fragte sie höflich.
Teresa stellte sich vor. »Frau Bluhme kauft bei Ihnen immer Eier und Geflügel«, sagte sie. »Da wollte ich mal fragen, ob wir auch etwas bekommen könnten.«
»Aber sicher«, erwiderte Annemarie Bauermann.
»Aber ich mag keine toten Hühner, Omi«, sagte Kevin. »Die lebendigen sind so lieb.«
»Ich möchte mir gern mal alles anschauen«, sagte Konstantin interessiert. »Hanna hätte uns ruhig mal mitnehmen können.«
Annemarie Bauermann war noch ein bißchen verlegen. »Sind das Kinder von Dr. Laurin?« fragte sie.
»Zwei davon«, erwiderte Teresa.
»Die anderen sind mit Mami in der Stadt«, erklärte Kevin sofort.
»Wir kennen Hanna schon lange«, sagte Annemarie Bauermann. »Es ist nett, daß Sie uns auch mal mit Ihrem Besuch beehren, Frau Kayser.«
»Das hätten wir schon längst tun sollen«, sagte Teresa, die unentwegt überlegte, wie sie zu ihrem eigentlichen Anliegen die richtige Einleitung finden könnte. »Für nestfrische Eier kann man ruhig mal einen Umweg machen. Warum ist Hanna eigentlich noch nicht auf den Gedanken gekommen, daß Sie die Klinik beliefern?«
»Sicher deswegen nicht, weil wir früher nicht so viele Hühner hatten«, erwiderte Annemarie Bauermann. »Wir haben sie von den Nachbarn übernommen. Die Riedings haben sich auf Rindvieh spezialisiert.«
»Rindvieh sagt man nicht«, erklärte Kevin.
Annemarie Bauermann lachte hellauf. »In diesem Fall ist es ein Gattungsbegriff«, erklärte sie.
Der Name Rieding war gefallen, aber leider hatte Kevin den Faden wieder zerrissen. Doch Teresa griff ihn wieder auf.
»Ist das der große Hof da drüben?« fragte sie,
Annemarie nickte. Während Teresa noch immer überlegte,