Mami Classic 42 – Familienroman. Annette MansdorfЧитать онлайн книгу.
ja nicht. Versuchen wir es.«
Katinka hatte keine Lust, diese Diskussion fortzusetzen. Sie sah die Akten durch, die auf ihrem Schreibtisch lagen, las das Fax eines Kunden und schaltete ihren Computer an. Kurz darauf war sie in ihre Arbeit vertieft, die ihr heute schnell von der Hand gehen mußte, denn sie hatte viel zu
tun.
Um halb zehn erschien Markus im Büro. Er hatte vormittags oft Besprechungen, sonst saß er oft schon um acht an seinem Schreibtisch. Ein Lächeln erblühte auf Birgit Mühlgrafs Gesicht, während sie hoffnungsvoll zu ihm aufsah.
»Guten Morgen, die Damen. Ich hoffe, es läuft alles wie es soll?«
Er bevorzugte Katinka weder mit Blicken noch mit Worten. Das war ihr auch ganz recht so.
»Ja, an sich schon…«, begann Birgit Mühlgraf und stieß einen filmreifen Seufzer aus.
»Aber?«
»Ach, ich reagiere ein wenig empfindlich auf Narzissen. Aber ich hoffe, daß ich durchhalte…«
Katinka hätte sie würgen können. Diese falsche Schlange!
Prompt sah Markus sie an.
»Sind die Blumen von Ihnen, Frau Berger? Könnten Sie sie nicht vielleicht in mein Zimmer stellen? Ich kaufe Ihnen mittags Tulpen oder Rosen, wenn Sie wollen. Einverstanden?«
Was blieb ihr anderes übrig, als dem zuzustimmen? Aber das würde sie ihrer Kollegin noch heimzahlen! Glaubte die etwa, sie könne hier böses Blut schaffen?
»Kommen Sie dann gleich mal zu mir herein?« bat Markus und strebte schon seinem Büro zu.
»Sofort.«
Birgit Mühlgraf sah sie triumphierend an, als Katinka die Vase von der Fensterbank nahm. Katinka hätte ihr am liebsten gesagt, daß sie sich sehr unklug verhielt, wenn sie sich mit ihr anlegte. Aber das hätte die andere vielleicht noch als Sieg empfunden. Also schwieg sie und betrat das Büro ihres Vorgesetzten.
*
Markus Leermann betrachtete Katinka wohlgefällig. Sie war wirklich ein richtiger Lichtblick im täglichen Arbeitsalltag. Ihre halblangen dunklen Haare glänzten seidig und waren makellos geschnitten. Das rote Kostüm mit dem schwarzen Leinentop war ein Hingucker, ohne aufdringlich zu wirken. Katinka trug nie kurze Röcke und keine tiefen Ausschnitte und wirkte dadurch fast noch verführerischer. Eine unterkühlte Erotik fand er viel anregender als prall zur Schau gestelltes Fleisch.
Sie setzte sich, nachdem sie ihm die blaue Vase ziemlich unsanft auf den Schreibtisch gestellt hatte.
»Tut mir leid, aber ich konnte kaum etwas anderes tun.«
»Schon gut, Markus. Worum geht es?« fragte sie recht kühl, weil sie noch immer wütend war.
»Nun sei doch nicht so, Katinka. Sie ist doch neu und wahrscheinlich noch ein bißchen verkrampft.«
»Wenn die erst auftaut, kann es nur schlimmer werden«, schnaubte Katinka und ärgerte sich gleich darauf über ihre Spontanität.
»Sie gibt sich doch alle Mühe. Übrigens ist sie ein Protegé vom Alten. Sei also lieber ein bißchen vorsichtig, bevor du ihr den Kopf abreißt.«
»Auch das noch! Aber deswegen kann sie sich trotzdem nicht alles mit mir erlauben. Sorry, aber das könnte noch Streß geben. Kann sie nicht in einem anderen Büro arbeiten?«
»Bitte, Katinka, diese Entscheidungen mußt du schon der Geschäftsleitung überlassen. Aber nun etwas anderes. Ich habe für Freitag zwei Theaterkarten. Wie wäre es?«
Katinka hatte manchmal durchaus trotzige Züge. Jetzt war so ein Moment. Obwohl sie sich um ein Vergnügen brachte, verneinte sie.
»Da habe ich schon etwas vor. Mein Vater hat uns zum Essen eingeladen.«
Sie wußte genau, daß sie Markus damit am meisten ärgern konnte, daß sie ihren Vater ihm vorzog…
»Oh…, dann also nicht. Gut. Hast du den Vorgang Krause abgeschlossen?«
»Selbstverständlich. Soll ich ihn holen?«
»Später. Ja das war dann schon alles.«
»Gut.«
Sie war schon an der Tür, als Markus sie noch einmal ansprach.
»Katinka, sei nicht so. Ich kann nicht arbeiten, wenn du da draußen sitzt und böse auf mich bist.«
Das fand Katinka nun wieder nett von ihm. Sie lächelte.
»Ich bin nicht böse. Und wegen Freitag schaue ich noch mal, was ich machen kann.«
Schmunzelnd warf er ihr eine Kußhand zu. Katinka spitzte die Lippen und öffnete die Tür.
Frau Mühlgraf stand an Katinkas Schreibtisch und schaute in die oberste Schublade. Als sie Katinka hörte, fuhr sie herum, wurde aber nicht einmal rot.
»Darf ich fragen, was Sie an meinem Schreibtisch zu tun haben?«
»Ich wollte nur nachsehen, ob Sie noch Büroklammern haben. Meine sind alle.«
»Es wäre mir lieb, wenn Sie in Zukunft warten, bis Sie mich selbst fragen können. Es ist hier nicht üblich, in den Schubladen herumzuschnüffeln.«
Das war ein Sieg nach Punkten. Birgit Mühlgraf merkte wohl, daß sie zu weit gegangen war und kniff die Lippen noch ein wenig mehr zusammen. Natürlich würde diese Episode das weitere Arbeitsklima nicht besser machen.
Der Tag verlief mit den üblichen kleinen Unannehmlichkeiten, zum Beispiel dann, wenn Katinka den Kunden die Regulierung eines Schadens ablehnen mußte, weil diese schon seit langem auf der roten Liste standen. War es zu glauben, daß die Familie Bremer schon den fünften Wasserschaden in diesem Jahr hatte, immer wieder durch einen platzenden Waschmaschinenschlauch hervorgerufen? Solche Fälle landeten bei Katinka auf dem Schreibtisch. Manchmal ließ sie sich jedoch überzeugen, zum Beispiel, wenn alte Leute im Spiel waren. Katinka war schon zweimal ermahnt worden, nicht zu großzügig zu sein. Doch die Rentnerin, die mit neunhundert Mark im Monat auskommen mußte, sollte doch davon nicht noch dreihundert Mark zahlen müssen, weil der Fall so oder so ausgelegt werden könnte! Markus stellte sich dann meistens schützend vor sie, was sie ihm auch hoch anrechnete. Oft ging es bei den Kunden nach dem Motto »Frechheit siegt«, und sie hatte die undankbare Aufgabe, herauszufinden, ob die Schadensregulierung berechtigt war oder nicht. Doch inzwischen kannte man seine Pappenheimer.
Frau Mühlgraf hielt sich für den restlichen Tag zurück. Ihr Quantum Gift hatte sie für heute offenbar versprüht. Katinka wußte nicht, wie lange, sie die Kollegin noch ertragen konnte, ob sie nun unter dem Schutz des Chefs stand oder nicht.
Um fünf raffte die andere ihre Siebensachen zusammen und ging ohne Abschiedsgruß. Statt dessen schniefte sie noch einmal vernehmbar. Vielleicht hatte doch noch eine Polle den Weg in ihre Nasennebenhöhlen gefunden…
Katinka atmete auf. Sie wollte heute etwas länger arbeiten, um am Freitag um zwei gehen zu können. Julia ging es schon besser, davon hatte sie sich durch zwei Telefonate überzeugt. Ihr Vater hatte mittags Eierkuchen gebacken, eines der Lieblingsgerichte ihrer Kinder. Er war wirklich ein Schatz, da verzieh sie ihm auch die peinlichen Krawatten.
»Na, noch immer da, meine Liebe?«
Markus stand plötzlich hinter Katinka und legte ihr die Arme um die Schultern. Dabei paßte er auf, empfindlichen Körperpartien nicht zu nahe zu kommen. Er wußte, daß er damit ihre Freundschaft riskierte, denn soweit war ihre Beziehung nicht gediehen.
»Ja, ich möchte Freitag mittag nach Hause. Und mein Vater ist ja bei den Kindern.«
»Hat er eigentlich kein eigenes Leben?«
Das hätte er lieber nicht fragen sollen. Es wurde ihm sofort bewußt, als Katinka sich losmachte und wieder auf die Tasten ihres Computers einhämmerte.
»Entschuldige, ich weiß, wie wichtig er für dich ist. Es sollte ja auch keine Kritik sein.«