Allein am Stony Creek / Schutzlos am Red Mountain. Christopher RossЧитать онлайн книгу.
rief Julie, »gut, dass du kommst. Ich glaube, wir müssen uns etwas für Jenny überlegen. Sonst kann es sein, dass wir sie zu den Cooks zurückbringen müssen. Sie verträgt sich nicht mit Noatak, und mit den anderen Huskys wird sie auch nicht richtig warm. Sie ist wohl eine Einzelgängerin.«
»Ist es so schlimm?«
»Im Augenblick noch nicht, aber alle Anzeichen sprechen dafür. Bei zwei Welpen, die ich vor ein paar Jahren hatte, fing es genauso an, und wenn ich einen nicht verschenkt hätte, wäre es bestimmt zu echten Schwierigkeiten gekommen.«
»Und bei seinem neuen Besitzer ging es ihm besser?«
»Viel besser«, bestätigte Julie. »Er war wie neugeboren. Bellte kaum noch und schnappte nicht mehr … benahm sich wie eine Eins. Sieht so aus, als hätte ich mit Jenny wieder so einen Hund erwischt. Ich hab sie in dein Welpengehege gesperrt, dort gibt sie Ruhe. Nicht, dass noch ein Unglück passiert.«
»Okay, wir kümmern uns später darum. Jetzt wartet ein ganz anderer Auftrag auf uns. Ranger Erhart bittet uns, zu den Becketts in Healy zu fahren. Richard und Josie Beckett, beide Lehrer an der Highschool, und ihre achtjährige Tochter Sophie. Der Husky der kleinen Sophie, ein zehn Monate alter Rüde, wurde vergiftet, und wir sollen die Trooper bei den Ermittlungen unterstützen.«
»Vergiftet? Aber das fällt doch gar nicht in unser Aufgabengebiet.«
»Ich weiß, aber Trooper Corwin hat uns ausdrücklich darum gebeten. Er kann nicht mit Kindern umgehen, sagt er. Wir würden es eher schaffen, aus Sophie etwas herauszubekommen, falls sie etwas weiß. Ich habe mit Ranger Erhart gesprochen, er ist dafür. Könnte sein, dass wir es mit einem Serientäter zu tun haben, und dann würde es uns vielleicht auch bald betreffen. Trooper Corwin wartet vor dem Haus der Becketts.«
Sie nahmen einen der weißen Geländewagen des Nationalparks und fuhren über die Park Road zum Highway. Bis Healy waren es nur wenige Meilen. Über Nacht waren Wolken aufgezogen, und es schneite leicht, böiger Wind wirbelte die Flocken über die geräumte Straße. Leichter Nebel hing über dem vereisten Nenana River. Auf dem Schnee spiegelten sich die trüben Lichter der Straßenlampen und die hell erleuchteten Fenster einiger Läden und der Tankstelle. Auf einem Hügel lag ein dunkles Motel, das im Winter geschlossen war. Manche Einheimische behaupteten, dass es dort manchmal spukte.
Das Haus der Becketts lag abseits der Hauptstraße in der Nähe des Flussufers. Vor dem Eingang parkte ein Streifenwagen der Alaska State Trooper. Sie stiegen aus und begrüßten Trooper Eddy Corwin, einen Mann um die vierzig, der sich mit der rechten Hand meist auf seinen Revolver stützte, als würde ihm die Dienstwaffe eine besondere Sicherheit vermitteln.
»Ranger Schneider. Ranger Wilson. Schön, Sie wiederzusehen.« Sie hatten schon öfter mit ihm zusammengearbeitet und ihn als verlässlichen Mann kennengelernt. Er blickte auf das hell erleuchtete Holzhaus. »Richard Beckett hat den toten Hund direkt zum Tierarzt gebracht. Dort, wo sie früher gewohnt haben, gab es mal einen Hundehasser, der reihenweise unschuldige Welpen tötete, und er hat Angst, dass wir es hier auch mit so einem Täter zu tun haben.« Er räusperte sich verlegen. »Der Tierarzt hat einige Ungereimtheiten entdeckt, darum sind wir hier.«
»Und deshalb haben Sie uns gerufen? Damit wir dem Mädchen sagen, dass jemand ihren Husky absichtlich vergiftet hat? Haben die Trooper denn keinen Psychologen? Der könnte das doch sicher viel besser. Oder steckt was anderes dahinter?«
Corwins Blick blieb auf das Haus gerichtet. Er wollte niemanden die Tränen sehen lassen, die sich in seinen Augen gesammelt hatten. »Ich weiß, wie das ist, Ranger Schneider. Der Hund, den ich als Kind hatte, wurde von einem Auto überfahren, und mein Vater war weniger zimperlich und sagte, ich solle mir wegen eines Hundes doch nicht in die Hosen machen. Ich würde nur …« Er atmete tief ein und wieder aus. »Sie können das wesentlich besser, Ranger.«
»Okay, dann befragen wir das Mädchen und Sie die Eltern.« Carol konnte nachempfinden, welche Gefühle den Trooper bedrückten. Gerade wortkarge Typen wie er taten sich in einem solchen Fall immer schwer. »Wo hat Beckett den toten Hund denn gefunden? Und an was für einem Gift ist er gestorben?«
»Max … so hieß der Hund … Max lag hinter dem Haus. Beckett fand ihn nur, weil er nach seiner Schneeschaufel suchte. Das Zeug, das er fraß, war mit gewöhnlichem Rattengift versetzt.« Er zog seinen Notizblock aus der Tasche und blätterte ihn auf. »Einem Rodentizid. Das bekommt man im Drugstore.«
»In Healy?«
»So dumm war er nicht. Ich habe bereits nachgefragt.«
»Okay, dann lassen Sie uns reingehen.«
Julie hatte vergeblich nach Josh im Streifenwagen gesucht. Eigentlich war sie froh, ihm nicht über den Weg zu laufen, andererseits hätte sie gern mit ihm darüber gesprochen, was passiert war, und sich dafür entschuldigt, am Telefon mit ihm Schluss gemacht zu haben. Aber so lief das nicht. Wenn man einen jungen Mann vor den Kopf stieß, konnte man nicht erwarten, dass bei der nächsten Begegnung alles vergeben und vergessen war. Bei einer Trennung wurden immer Gefühle verletzt. Und was hätte sie auch sagen sollen? Sie konnte ihre Worte nicht ungeschehen machen und stand inzwischen auch zu ihnen. Ihre Beziehung mit Josh war endgültig beendet, und wie sie glaubte, funktionierte dann auch der viel gehasste Satz »Aber lass uns Freunde bleiben« nicht. Bei so unterschiedlichen Charakteren wie Josh und ihr selbst würde es über kurz oder lang wahrscheinlich wieder zum Krach kommen.
Dennoch wollte sie nach Josh fragen, aber Corwin kam ihr zuvor: »Was ist eigentlich mit Josh los? Er ist heute nicht zum Dienst erschienen und hat sich auch nicht krank gemeldet. Sie sind doch mit ihm befreundet. Ist was passiert?«
Julie druckste ein wenig herum, entschloss sich aber dann, ihm die Wahrheit zu sagen. In wenigen Worten schilderte sie, was geschehen war. »Er wird zu einer Geldstrafe verurteilt und fürchtet wahrscheinlich, dass ihn die Trooper rauswerfen werden. Es war immer sein Traum, zu den State Troopern zu gehen. Es wäre wohl am besten, er würde etwas Gras über die Sache wachsen lassen und sich dann für die Law Enforcement Academy bewerben, aber er denkt wohl, dass es gar nicht mehr klappt. Außerdem …« Sie hatte plötzlich das Gefühl, es ihm sagen zu müssen. »… sind wir nicht mehr zusammen.«
Sie blieben wenige Schritte vor dem Eingang stehen. Carol ahnte, über was sie sprachen, und drängte sie nicht. »Nun ja«, sagte Corwin nach einigem Überlegen, »Josh war immer etwas unbeherrscht, aber diesen Fehler würden sie ihm auf der Academy schon austreiben. Ich glaube, er könnte ein guter Trooper werden, und wenn ich mich bei meinem Vorgesetzten für ihn einsetze, denke ich, dass man über diese Jugendsünde hinwegsehen würde.«
»Das würden Sie tun?«
»Er ist ein guter Junge, Ranger Wilson. Ich weiß nicht, was zwischen Ihnen vorgefallen ist, und es geht mich auch nichts an, aber ich glaube, es fehlt ihm nur etwas an Disziplin. Ich hab schon versucht, ihn ausfindig zu machen. In dem Motel in Lignite, in dem er neuerdings wohnt, ist er nicht, und über Handy erreiche ich ihn auch nicht. Sie wissen sicher besser, wo er sich verstecken könnte. Sagen Sie ihm, er soll zurückkommen. Ich würde das Problem mit meinem Chef besprechen und die Sache in Ordnung bringen.«
Julie war nicht gerade begeistert, in Joshs Angelegenheiten hineingezogen zu werden. Sie zuckte mit den Schultern. »Ich will’s versuchen, Trooper.«
Carol hatte inzwischen geklopft und begrüßte bereits die Becketts, als Julie und der Trooper die Tür erreichten. Richard und Josie Beckett waren beide um die dreißig, ein Ehepaar, für das Julie kaum Augen gehabt hätte, wenn sie ihnen begegnet wäre. Wie Highschool-Lehrer eben aussahen, fand sie.
Nachdem man sich einander vorgestellt hatte, wurden sie ins Wohnzimmer gebeten, einen L-förmigen Raum mit einem altmodischen Esstisch und einer Fernsehecke mit einer Couch und zwei Sesseln aus schwarzem Kunstleder. An den Wänden standen Regale mit vielen Büchern und ein antiker Glasschrank mit Geschirr.
Erst jetzt fiel Julie ein, dass heute Samstag war, und die Becketts und ihre Tochter nur deshalb zu Hause waren. Sophie hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen. »Ich konnte nicht länger warten«, sagte Beckett, »ich musste ihr sagen, dass Max nicht mehr wiederkommen