EscortLady | Erotischer Roman (Erotik, Erotikroman, Erotik ab 18 unzensiert, sinnlich und heiß). Clarissa ThomasЧитать онлайн книгу.
niemals in der Lage sei, Stücke wie Hamlet oder den Sommernachtstraum zu vollbringen von einer zutiefst elitären Verblendung? Woher diese Furcht, in Shakespeare beides zugleich zu sehen: Den gewinnorientierten Theatermann und den vielleicht größten Dramatiker aller Zeiten? Weil keine Briefe von ihm überliefert sind? Weil seine Unterschrift so ungelenk wirkt wie die eines Analphabeten?«
Ich hatte mich für ein Studium der Literaturwissenschaft entschieden, weil Bücher seit meiner frühesten Kindheit eine fast schon unheimliche Anziehungskraft auf mich ausübten. Jeden Abend war meine Mutter mit einem schweren Märchenband bewaffnet auf mein Zimmer gekommen, um mir daraus vorzulesen. Wie ein Schwamm hatte mein kindliches Gehirn die Worte aufgesogen, mit ihnen gespielt und neue Sätze gebildet. Noch lange nachdem meine Mutter das Buch zugeschlagen und mir eine gute Nacht gewünscht hatte, dachte ich über die Geschichten nach, ersann alternative Enden und ließ den Schlaf erst über mich kommen, als es unvermeidbar war.
Später dann setzte ich meine Lektüre verbotenerweise unter der Bettdecke fort. Ich erarbeitete mir im Schein meiner Taschenlampe die großen Klassiker der Literatur. Mein Studium war die logische Fortsetzung einer immerwährenden Leidenschaft, und mit etwas Glück würde es es mir ermöglichen, eines Tages in einem kleinen, aber hochwertigen Verlagshaus zu arbeiten. Konnte es denn etwas Schöneres geben, als seinen Lebensunterhalt mit kostbaren Worten zu bestreiten?
»Auf welche Genies müsste diese Welt doch verzichten, wenn wir nur das Werk derer berücksichtigen würden, die an den besten Hochschulen gelernt haben! Und würden wir die Leserlichkeit der Unterschrift als qualitatives Kriterium werten, so dürften wohl die meisten Ärzte ihre Approbation verlieren ...«
Ein Raunen ging durch den Saal. Philson war für seine Vorlesungen bekannt, die eben nicht nur darauf abzielten, jungen Menschen das absolut notwendige Wissen für das Bestehen der nächsten Klausur zu vermitteln, sondern die auch unterhaltsam waren, amüsant, kunstvoll.
Neben mir drehte sich meine Freundin und Mitbewohnerin Emma gedankenverloren ihre dunklen Locken. Mit den schwarzen, kniehohen Stiefeln, dem knappen Lederrock, dem ausladenden Dekolleté und den Smokey-Eyes war sie der Inbegriff einer begehrenswerten Studentin. Unfassbar langsam bearbeitete sie einen Kaugummi, fast schon meditativ bewegte sie ihren hübschen Mund und starrte den Professor an. Ihr Blick war eindeutig. Als sie die Schenkel leicht spreizte, tat sie das nicht etwa, weil sie die Mutmaßungen über den großen englischen Dramatiker so faszinierten ...
»Doch ich möchte, dass Sie sich Ihre eigenen Gedanken zu diesem gewiss schwierigen, aber auch überaus bedeutsamen Thema machen. Fragen Sie sich ernsthaft, welche intellektuellen Leistungen Sie einem Mann aus Stratford Ende des 16. Jahrhunderts zutrauen – oder welche eben nicht. Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.«
Das kollektive Trommeln setzte ein, diese typisch universitäre Geste des Applauses, bei der die Fäuste in einer Mischung aus Ehrfurcht und Ironie auf die abgeschabten Holzplatten der Klapptische schlugen.
Emma sah noch immer unverhohlen in Richtung Professor, der inzwischen seine Unterlagen zusammenpackte und noch von übereifrigen, hauptsächlich weiblichen Studenten belagert wurde.
»Das Thema scheint dich ja ziemlich gefesselt zu haben«, sagte ich zu ihr, doch sie verstand meine Bemerkung nicht sofort.
»Was? Oh ... ja ... ist wirklich eine spannende Sache.«
Erst jetzt wandte sie den Blick ab, schob ihren unbenutzten Schreibblock in die Tasche und stand auf. Etwas verspätet schlossen wir uns der allgemeinen Aufbruchsstimmung an. Vor dem Hörsaal hatte sich inzwischen eine größere Ansammlung gebildet, deren Wortwechsel zwischen klassischer Dramatik und dem aktuellen Speiseplan schwankte. Emma und ich zogen schnell an ihnen vorbei, um noch einen Sitzplatz in der Mensa zu ergattern.
Bewaffnet mit unseren Tabletts reihten wir uns in die schier endlose Schlange vor der Essensausgabe ein. Auch das heutige Menü stellte kein kulinarisches Highlight dar, aber es war erschwinglich, selbst für Studentinnen, die nicht über den Luxus eines wohlhabenden Elternhauses verfügten.
Es gelang uns, einen kleinen Tisch an der Fensterfront zu ergattern, wir blickten hinaus auf den herbstlichen Campus, der von Frisbee-Spielern und Lesegruppen besiedelt wurde. Emma arbeitete sich mühsam durch etwas hindurch, das auf der Karte als »Steak« bezeichnet worden war.
»Du interessierst dich also für Professor Philson, ja?«
Sie versuchte gar nicht erst, meinen Verdacht abzustreiten. »Oh ja, und wie ... Er ist so selbstbewusst, so elegant. Findest du ihn nicht auch heiß?«
»Heiß trifft es vielleicht nicht ganz, immerhin ist Philson gut zwanzig Jahre älter als wir.«
Mit einer eiligen Geste verscheuchte Emma meinen Einwand, als wäre er ein lästiges Insekt. »Ich glaube, ich habe eine ernsthafte Schwäche für ältere Männer. Und ganz besonders für ihn ...«
Die Kartoffeln waren nahezu ungenießbar, aber nachdem schon mein Frühstück nur aus Kaffee und Joghurt bestanden hatte – für mehr fehlte Zeit und ein gefüllter Kühlschrank – war ich nicht mehr sonderlich wählerisch. Um mich etwas von der mehligen Konsistenz der Beilage abzulenken, versuchte ich, unser Gespräch fortzusetzen.
»Das hätte doch keine Zukunft mit euch«, sagte ich, bemüht, es möglichst beiläufig klingen zu lassen.
»Muss denn alles immer gleich eine Zukunft haben? Die Gegenwart fühlt sich jedenfalls großartig an ... Du kannst dir nicht vorstellen, wie gern ich diesen Mann zwischen meinen Beinen hätte.«
Emmas Direktheit machte mich für einen Moment sprachlos.
Erst ein paar Monate zuvor hatte ich meine dreijährige Beziehung mit Mike beendet, was mir noch immer zu schaffen machte. Mike war mein erster richtiger Freund gewesen – richtig im Sinne von: Erster Sex, erster Urlaub zu zweit, erste gemeinsame Wohnung. Lange Zeit dachte ich, dass wir zwangsläufig heiraten, Kinder kriegen und den Rest unseres Lebens miteinander glücklich sein würden. Es war der einfache Traum eines einfachen Mädchens, und er zerplatzte auf eine ebensolche Art und Weise ... Mike und ich entfremdeten uns. Er zeigte kaum noch Interesse an mir und nahm meine Gegenwart hin wie etwas Selbstverständliches. Ich war für ihn kaum mehr als ein Möbelstück, und irgendwann wurde der Zustand so unerträglich, dass ich aus unserer Wohnung auszog und mein Glück in einem radikalen Neuanfang suchte.
»Du denkst schon wieder an Marc, oder?«
Emma verfügte über die unheimliche Fähigkeit, die Gedanken ihrer Mitmenschen erraten zu können.
»Mike, nicht Marc. Sein Name ist Mike. Und ja, ich denke oft an ihn ... eine dauerhafte Beziehung hinterlässt eben ihre Spuren. Aber du kannst das nicht nachvollziehen, weil du jedes Wochenende einen anderen Typen in unsere WG schleppst.«
»Wenn du das so formulierst, fühle ich mich wie ein Flittchen«, entgegnete Emma und verzog ihre Lippen zu einem übertriebenen Schmollmund. Was auch geschah, man konnte ihr schlicht und ergreifend nicht böse sein.
»So war das nicht gemeint. Es ist nur ...«
»Es ist nur was? Dass du dich zurücksehnst nach der Beschaulichkeit der Langeweile? Hoffentlich war zumindest der Sex mit Marc ...«
»Mike.«
»... mit Mike gut.«
»Ja, der Sex war wirklich in Ordnung«, gab ich nur halblaut zurück, da sich zwei Studentinnen, die Teil unserer Lerngruppe waren, direkt neben uns gesetzt hatten. Emma kümmerte sich, wie so oft, überhaupt nicht darum.
»In Ordnung?!«, entgegnete sie unüberhörbar. »Der Sex war wirklich in Ordnung?! Meine Güte, Olivia! Wenn du das auch zu Mike gesagt hast, ist es kein Wunder, dass ihr nicht mehr zusammen seid.«
Um Emmas Ausführungen wieder auf eine akzeptable Lautstärke zu senken, gab ich mich rhetorisch geschlagen. »Der Sex war großartig. Zufrieden?«
»Noch nicht ganz. Dir fehlen schließlich die Vergleichswerte. Du gehörst wahrscheinlich auch zu diesen Menschen, die Blümchensex für das Größte halten und sich schon verrucht vorkommen, weil sei einmal anal