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Reisen nach Ophir. Rolf NeuhausЧитать онлайн книгу.

Reisen nach Ophir - Rolf Neuhaus


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Europäer hatten einen der acht Stammesfürsten Tahitis, Pomare I., gegen andere Stämme militärisch unterstützt und als König der gesamten Insel anerkannt, Pomare II. zum rechten Glauben bekehrt und ihm einen von anglikanischen Missionaren ausgeklügelten Katalog drakonischer Strafen für unchristliche Praktiken wie Götzenverehrung oder Unzucht zur Unterzeichnung vorgelegt. Als die französisch-katholische Konkurrenz auf den Plan trat und vom britischen Konsul, einem Missionar, ausgewiesen wurde, erschien die französische Fregatte »Reine Blanche« unter Konteradmiral Du Petit-Thouars auf der Bildfläche, und la Grande Nation nahm 1842 Tahiti als Protektorat unter ihre Fittiche, schlieβlich dankte Pomare V. 1880 ab, der ganze Archipel der Gesellschaftsinseln war nun französische Kolonie. Als Gauguin in Papeete eintraf, lag der pensionierte König gerade im Sterben, er wurde begraben und mit ihm die Tradition Tahitis; die Zivilisation – Militär, Verwaltung, Kirche, Handel – triumphierte. »War ich einen so langen Weg gekommen, um dies zu finden, eben dies, vor dem ich geflohen war? Der Traum, der mich nach Tahiti geführt hatte, wurde von der Gegenwart grausam zerstört: Es war das Tahiti der Vergangenheit, was ich liebte«, das romantische, exotische Tahiti aus Pierre Lotis Erfolgsroman Le Mariage de Loti von 1880 zum Beispiel.

      Enttäuscht und »angeekelt von dieser ganzen europäischen Banalität« entschloss sich Gauguin, Papeete zu verlassen, um das Echte und Schöne der tahitianischen Kultur zu suchen, das sich unter dem »unpassenden Putz unserer Importe« erhalten haben mochte. Doch vorher musste er sich noch ins zivilisatorische französische Hospital begeben, er spuckte Blut, einen Viertelliter pro Tag. Der Arzt verordnete Senfumschläge für die Beine, Schröpfköpfe für die Brust und eine Digitaliskur gegen Herzschwäche, Gauguin schrieb zwar, dass es sich um die Überbleibsel einer Bronchitis handele, die er sich im Winter in Paris zugezogen habe, doch es war wohl ein erneuter Ausbruch jener venerischen Krankheit, die man Gauguin vor seiner Abreise aus Europa noch in Paris diagnostiziert hatte. Als er wieder auf den Beinen war, nahm er Titi an die Hand und ging mit ihr in den Busch, um ganz wie die Eingeborenen zu leben. Titi war eines jener gefälligen leichten Mädchen, die mit der Geschmeidigkeit und Anmut gesunder junger Tiere, mit schwingendem Hintern, spitz vorgestreckter Brust und einer wohlriechenden Blüte im Haar oder hinter dem Ohr barfuβ durch den Straβenstaub patschten. »Diesen Frauen von Tahiti liegt allen die Liebe so sehr im Blut, ist so sehr ein Teil ihres Wesens, dass sie, eigennützig oder uneigennützig, immer Liebe ist.« Unpassenderweise war Titi nicht gerade ein Ausbund an Reinheit und Schönheit des tahitianischen Menschenschlags, vielmehr halb Engländerin und halb Maori und nicht mehr ganz jung, aber sie wollte bei Gauguin bleiben und mit ihm in die Wildnis gehen, sprach praktischerweise auch etwas Französisch.

      Die Hütte, die Gauguin im Bezirk von Mataeia an der Südküste mietete, 45 Kilometer von Papeete entfernt, lag zwischen dem Meer und einem ungeheuren Spalt im zerklüfteten Gebirge mit einem Mangohain davor. Zwischen Gauguin und dem Himmel war nichts weiter als das hohe, leichte Dach aus Pandanusblättern, über dem er nachts Mond und Sterne stehen sah. Tagsüber stand Titi zwischen ihm und dem Himmel. Er begann zu arbeiten, Material zu sammeln, Skizzen, Studien, Notizen zu machen, nicht nach dem Bild, das die Natur ihm zeigte, vor allem blickte und suchte er in sich selbst. Derweil langweilte Titi sich und redete zu viel, dies war nicht ihre Welt, sie war den städtischen Betrieb, die Schmeicheleien und den Luxus der französischen Kolonialbeamten gewohnt, Gauguin wurde ihrer überdrüssig, sie trennten sich. Monatelang sprach er kein Wort Französisch, nur die paar aufgeschnappten Brocken Tahiti-Maori mit seinen Nachbarn, die ihn nicht verhungern lieβen, hier konnte man für Geld nichts kaufen, musste alles aus der Natur holen, doch die Bananen wuchsen nicht in den Mund und die Fische sprangen nicht an Land, man musste in die Berge steigen und mit den Stauden auf dem Rücken zurückkehren, auf den Meeresgrund tauchen und die Muscheln von den Steinen lösen, musste wissen, wie man Fische fängt und auf hohe Bäume klettert, um eine Kokosnuss zu pflücken. Nicht die braunhäutigen Eingeborenen mit ihren Kannibalenkiefern, die ihm Essen brachten oder ihn einluden, waren hier die Wilden, sondern Gauguin, der weder die einfachsten Handgriffe noch Sprache und Sitten kannte. Nach dieser Logik zivilisierte er sich, während die westliche Verwilderung von ihm abfiel. Er begann, unkompliziert zu denken, sich von Hassgefühlen, Eitelkeit, innerer Unruhe und allem Erkünstelten zu befreien, wie er sich der Kleidung entledigte. Er ging barfuβ wie die Eingeborenen und nur mit einem geblümten Baumwolltuch um die Lenden, also nackt bis auf die Hauptsache, die die Frauen nicht sehen mochten, wie sie sagten. Wenn er nicht arbeitete, teilte er das Müβiggängerdasein seiner Nachbarn und lernte ihre Sprache. Abends versammelten sie sich in einer Art Gemeinschaftshütte oder unter den Kokospalmen, um zu plaudern und zu singen, die matten Farbtöne ihrer Körper passten gut zu dem Samt des Buschlaubs, und aus der bronzefarbenen Brust einer Sängerin stiegen schwingende Melodien und leidenschaftliche Schreie auf. Gauguin wurde fast einer von ihnen, trotzdem fühlte er sich einsam.

      Er unternahm eine Reise zu Pferd, das ihm ein Gendarm lieh, zog an der Ostküste entlang, ein Eingeborener lud ihn in seine Hütte ein, eine Maori fragte ihn beim Essen, wohin er wolle und was er dort vorhabe, und Gauguin verriet ihr spontan den wahren, bis dahin ihm selbst vielleicht unbewussten Zweck seiner Reise: eine Frau für sich suchen. Und die Maori sagte: Ich gebe dir meine Tochter. So unkompliziert war das. Die Tochter hieβ Tehura und war ein Mädchen von vielleicht 13 Jahren, eine Kindfrau, die von den Tonga-Inseln abstammte. Tehura folgte dem Pferd zu Fuβ, unterwegs machten sie Halt in einer groβen, reich ausgestatteten Hütte, in der Tehuras zweite Mutter wohnte, ihre Ziehmutter, die Gauguin fragte, ob er Tehura glücklich machen werde. Ja. Sie gab ihm Tehura zur Probe mit, nach acht Tagen sollte er sie zurückschicken, und sie werde nicht zu ihm zurückgehen, wenn sie mit ihm nicht glücklich sei. Tehura ging nach acht Tagen und kehrte wenig später in Gauguins Hütte zurück. Und so begann »das vollkommen glückliche Leben«. Morgens badeten sie im nahen Bach wie Adam und Eva im Paradiesfluss, mittags hielten sie Siesta alle Tage nackt, wenn Gauguin malte oder schnitzte oder träumte, schwieg Tehura, sie störte ihn nicht und fiel ihm nicht lästig, sie kümmerte sich gewissenhaft um den Hüttenhaushalt, abends im Bett führten sie lange Gespräche über Gott und die alten Götter Tahitis und den Ursprung der Welt, und Gauguin erzählte ihr vom verfaulten Europa und schwängerte sie. »Himmel und Hölle! Ich muss also überall meine Saat aussäen.« Aber das war nicht weiter schlimm, auf Tahiti gab es kein schöneres Geschenk als ein Kind, welche Pflegemutter es wohl bekommen werde, fragte sich der vierundvierzigjährige, halb verfaulte Europäer.

      In Noa Noa, diesem romantischen, idealisierenden Text, den Gauguin mit Nachhilfe des Schriftstellers Charles Morice im Winter 1893/94 in Paris ausarbeitete, um nicht zuletzt Stimmung für den Verkauf seiner Tahiti-Bilder zu machen, lieβ er sich über die Entstehung der Welt nach der Maori-Version, den Götterhimmel Tahitis, die Geheimgesellschaft der Insel, über Menschenopfer, Kannibalismus, Kindestötung und rituelle Prostitution aus, also über das alte Tahiti, das er liebte und nur aus dem Mund der jungen Tehura kannte und aus dem Buch Voyages aux Îles du Grand Océan von 1837 des belgischen Kaufmanns Jacques-Antoine Moerenhout, der von Chile aus durch die polynesische Inselwelt geschippert und zeitweise Konsul zunächst der Vereinigten Staaten, dann Frankreichs auf Tahiti gewesen war. Und in Noa Noa beschrieb Gauguin sein Leben als glücklicher Wilder unter den Relikten der besiegten Rasse und ihrer unterdrückten Kultur. In seinen Briefen aus Tahiti hingegen erzählte er eine andere Geschichte. Von Anfang an war er in Geldnot, zumindest wollte er den Adressaten seiner Briefe glaubhaft machen, dass er es sei, hauptsächlich seinem engsten Freund in dieser Zeit, dem Maler Daniel de Monfreid, der – neben Morice – für ihn als Verbindungsmann zur Pariser Kunstszene fungierte. Die Benefiz-Vorstellung im Pariser Théâtre d’Art zugunsten Gauguins und des verarmten Verlaine, die acht Wochen nach Gauguins Abreise aus Frankreich stattfand, warf keinen Gewinn ab, Gauguin hatte für sich mit etwa 1500 Francs Ausbeute gerechnet, »die werden mir hier schrecklich fehlen«, schreibt er im November 1891. Morice schuldet ihm Geld, aber schickt es nicht, Gauguin ist fassungslos, bereits im Mai 1892 überlegt er, nach Frankreich zurückzukehren, denn ohne Geld und ohne Aussicht auf Geld geht er vor die Hunde. Im Juni fährt er nach Papeete, will mit dem Gouverneur sprechen, um sich repatriieren zu lassen, vor der Tür des Gouverneurs trifft er einen Kapitän, der mit seinem Segelschiff alle Inseln abklappert und als Freibeuter gilt. Der Kerl drückt ihm 400 Francs in die Hand und sagt, er solle ihm ein Bild dafür geben, dann seien sie quitt. So etwas kann auch nur ihm passieren, meint Gauguin. »Meine ganze Existenz ist so: Ich stehe am Rande des Abgrundes und


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