Butler Parker 173 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
geholt hatte. Er drückte auf den Knopf des Stahlzylinders, worauf ein feiner Spray hervorzischte, der sich auf das Riechorgan und die Augen des Mannes niederschlug.
Der zweite junge Mann wollte noch reagieren, doch dazu blieb ihm keine Zeit. Auch er spürte einen hauchdünnen Sprayfilm auf dem Gesicht, hüstelte ein wenig nervös, verdrehte dann in einem fast fromm zu nennenden Augenaufschlag die Augäpfel, schielte intensiv und nahm dann neben seinem Partner auf einer Treppenstufe Platz.
»Was für ein Umstand«, räsonierte die Lady, »mein Pompadour hätte es ja wohl auch getan, oder?«
»Ein Hinweis, dem man nicht widersprechen kann«, lautete Parkers höfliche Antwort, »hoffentlich können Mylady meiner Wenigkeit noch mal grundsätzlich verzeihen.«
*
Der Raum faßte etwa dreißig Personen, die in Stuhlreihen vor einem etwas erhöhten und quergestellten Tisch standen. Gleich neben der Eingangstür brannten einige Scheinwerfer. Sie lieferten das Licht für eine Video- und eine Filmkamera.
In der Mitte des Tisches saß Franco Taylor. Er trug einen eleganten, dunkelblauen Anzug und hatte sich wohl wegen der Scheinwerfer eine Sonnenbrille aufgesetzt. Neben Taylor hatten einige gesetzte und seriös aussehende Männer Platz genommen. An den Außenkanten des quergestellten Tisches entdeckte Parker je einen von Taylors Leibwächtern. Es waren genau die, mit denen er es im Hotel direkt zu tun hatte. Den fünften Leibwächter konnte Parker noch nicht ausmachen. Seiner Schätzung nach mußte er sich aber im Raum befinden.
Die Pressekonferenz hatte gerade begonnen. Einer der seriösen Männer begrüßte den Gast aus den Staaten und stellte ihn als ideenreichen und finanzstarken Mann der TV-Branche vor.
Lady Agatha nahm neben der Filmkamera Platz und räusperte sich explosionsartig, was erst mal allgemeines Aufsehen erregte. Parker blieb seitlich hinter seiner Herrin stehen, um sie so besser unter Sichtkontrolle halten zu können. Die beiden Männer aus dem Fahrstuhl waren bereits auf Lady Simpson aufmerksam geworden und zeigten sofort eine gewisse Nervosität.
Franco Taylor erhob sich, bedankte sich für die Grußworte und kam dann schnell zur Sache. Er sprach von Zusammenarbeit, von Kapitalaustausch, von gemeinsamen künstlerischen Vorstellungen und kündigte dann ein erstes Projekt an, das er zusammen mit britischen Privatanbietern realisieren wollte.
Im Gegensatz zu seinem Aussehen verfügte er über eine erstaunlich hohe Stimme, die sich hin und wieder überschlug. Er merkte wohl auch, daß sie nicht gerade überzeugend klang, und bat, ihm Fragen zu stellen.
Das war das Stichwort für Lady Agatha.
Sie erhob sich und tat das so impulsiv, daß der Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, erst mal polternd umfiel. Dann brachte sie ihre majestätische Fülle in Bewegung und betrat den Mittelgang, der die Stuhlreihen trennte.
»Stimmt es, daß Sie ein Mafioso sind?« erkundigte sie sich mit sonorer Stimme. Sie sprach wieder mal genau das aus, was sie dachte.
»Wie war das?« Franco Taylor rückte an seiner Sonnenbrille herum, während im kleinen Saal nicht unerhebliche Bewegung entstand.
»Sind Sie nun ein Mafioso oder nicht, junger Mann?« dröhnte Myladys dunkle Stimme nach vorn.
»Ich denke doch, daß wir sachliche Fragen stellen sollten«, schaltete sich der Seriöse ein, der Franco Taylor begrüßt hatte.
»Ist es richtig, daß man Sie einen Zampano drüben in den Staaten nennt?« wollte Agatha Simpson weiter wissen. Ungenierter als sie konnte wohl kaum ein Mensch sein.
»Ich... Ich protestiere gegen die Art der Fragen«, brauste Franco Taylor mit einer Stimme auf, die sich mehrfach überschlug. Die geladenen Pressevertreter witterten nicht nur eine Sensation, nein, sie bekamen sie bereits geliefert. Die Kameras wurden auf Lady Simpson gerichtet, Diktier- und Tonaufzeichnungsgeräte wurden Mylady entgegengestreckt, damit nur ja kein Wort verlorenging.
»Stimmt es, junger Mann, daß Sie hierher nach London gekommen sind, um die hiesige Mafia neu zu organisieren?« lautete die nächste Frage der älteren Dame.
Franco Taylor war bereits aufgesprungen, raffte eine Mappe an sich und verließ fluchtartig den kleinen Saal. Er benutzte dazu einen Seitenausgang. Seine Leibwächter folgten dichtauf, und Parker hielt Ausschau nach dem fünften Mann, den er noch immer nicht entdeckt hatte.
Der Lärm im Saal war beachtlich geworden. Man rief und schrie durcheinander und konzentrierte sich auf Lady Agatha, um weitere Statements von ihr zu erhalten. Und die Dame genoß diese Situation, wiederholte ihre Fragen vor den laufenden Kameras, stichelte und diktierte zusätzliche Fragen, die Taylor natürlich nicht beantworten konnte.
Josuah Parker hatte dies alles natürlich vorausgesehen, aber keine Möglichkeit gehabt, seine Herrin zu stoppen. Ihm war klar, daß ab sofort harte Zeiten anbrachen.
Ein Mann wie Taylor dachte sicher schon jetzt daran, sich für diese Blamage blutig zu rächen.
*
»Es stimmt schon, ich war einfach gut«, äußerte Agatha Simpson schlicht und einfach. Sie befand sich im Studio ihres altehrwürdigen Fachwerkhauses in Shepherd’s Market und verfolgte die mitternächtliche Fernsehaufzeichnung. Parker, der hinter ihrem Sessel stand, tauschte einen schnellen Blick mit Mike Rander und Kathy Porter.
Der vierzigjährige Rander war Anwalt und verwaltete neben seiner eigentlichen Tätigkeit das immense Vermögen der älteren Dame. Er hatte drüben in den Staaten lange Zeit mit Parker gearbeitet und war nach der Rückkehr nach London von Lady Simpson sofort mit Beschlag belegt worden. Mike Rander glich, was sein Äußeres betraf, einem bekannten James-Bond-Darsteller. Er verfügte über beachtenswertes Phlegma, konnte aber förmlich explodieren, wenn es sein mußte.
Kathy Porter, Sekretärin und Gesellschafterin der älteren Dame, war eine attraktive Erscheinung, etwa achtundzwanzig bis dreißig Jahre alt, groß und schlank. Ihre hohen Wangenknochen und die leicht mandelförmig geschnittenen Augen verliehen ihr einen Hauch von Exotik. Sie war in allen Künsten fernöstlicher Selbstverteidigung beschlagen und konnte sich in Sekundenschnelle in eine wilde Pantherkatze verwandeln.
»Nun sagen Sie selbst, Mr. Parker, bin ich nicht überzeugend?« lobte sich Lady Agatha.
»Mylady setzen wieder mal Akzente, falls man es so umschreiben darf«, lautete die Antwort des Butlers.
»Damit dürfte dieser Lümmel erledigt sein«, meinte Agatha Simpson zufrieden, als diese Sequenz der Fernsehnachrichten ausgeblendet wurde, »er kann nur noch den Rückflug in die Staaten buchen.«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen, Mylady«, schaltete Mike Rander sich ein, »Taylor hat sein Gesicht verloren, daran gibt es nichts zu deuteln. Also wird er alles daransetzen, es wieder zu suchen und aufzubügeln.«
»Sie haben sich einen Todfeind geschaffen, Mylady«, fügte Kathy Porter eindringlich hinzu.
»Wie schön«, freute sich die ältere Dame, »Mr. Parker, ich werde selbstverständlich nicht nur reagieren.«
»Mylady werden das Tempo bestimmen«, vermutete Parker.
»Lassen Sie sich dazu etwas Hübsches einfallen«, redete sie munter weiter, »ich werde dieses Subjekt unmöglich machen.«
»Falls Sie überhaupt an Taylor herankommen, Mylady«, sagte der Anwalt, »Taylor wird ab sofort untertauchen und die Schmutzarbeit von gemieteten Gangstern besorgen lassen.«
»Und er wird für hieb- und stichfeste Alibis sorgen, Mylady«, prophezeite Kathy Porter.
»Das schert mich nicht. Mr. Parker, ich lasse Ihnen freie Hand, sobald ich Ihnen gewisse Vorgaben übermittelt habe.«
»Myladys Vorschuß an Vertrauen ist beeindruckend«, behauptete Josuah Parker. In seinem glatten Gesicht rührte sich kein Muskel.
»Ist vielleicht mit einer Klage wegen Verleumdung zu rechnen?« fragte Kathy Porter und blickte Mike Rander an.
»Er wird sich hüten«, erwiderte der Anwalt lächelnd,