Butler Parker 172 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
ab, nannte seinen Namen, und prompt war die undeutliche Stimme zu vernehmen, die er bereits kannte.
»Hören Sie mal, Parker, sind Sie verrückt?« tönte es aus dem Hörer,
»Gibt es Ihrerseits Gründe für diese Annahme?« erkundigte sich der Butler.
»Ich hab’ auf Sie gewartet und dann angerufen, aber Sie haben überhaupt nicht reagiert und abgehoben. Mann, sind Sie nicht mehr an meinem Tip interessiert? Denken Sie etwa, ich wollte Ihnen was vormachen?«
»Entschuldigen Sie einen alten, müden und relativ verbrauchten Mann, der von der Müdigkeit übermannt wurde«, gab Parker gemessen zurück, »sind Sie möglicherweise an einem neuen Termin interessiert?«
»Der Tip ist inzwischen teurer geworden. Ich will jetzt fünftausend Pfund sehen.«
»Wann und wo kann man Sie nun treffen? Oder bleiben Sie nach wie vor beim Piccadilly Circus?«
»Es bleibt dabei. In einer Stunde will ich Sie da sehen, sonst ist das Geschäft geplatzt. Haben Sie mich verstanden?«
»Sie können meine Wenigkeit erwarten«, versprach der Butler, »nach dem Frühstück wird man sich auf den Weg machen.«
»Mann, Sie haben vielleicht ’ne Ruhe«, beschwerte sich die undeutliche Stimme fast, »es geht doch immerhin um Ihre Brötchengeberin, oder? Oder haben Sie kein Interesse an ihr?«
»Meine Wenigkeit bemüht sich, stündlich an Mylady zu denken«, versicherte der Butler der undeutlichen Stimme, »und im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten wird man alles tun, um Lady Simpson aus einer Lage zu befreien, die sicher peinlich sein dürfte.«
»Mann, Sie haben vielleicht Nerven«, wunderte sich die Stimme, »hoffentlich kommt Ihre Lady nie dahinter, wie sehr Sie sich für Sie abstrampeln.«
»Man wird meiner Wenigkeit niemals Illoyalität vorwerfen müssen. Gibt es sonst noch etwas, was besprochen werden müßte?«
»Das war’s bereits, Parker. Seien Sie pünktlich... Und keine miesen Tricks... Ich werde höllisch aufpassen.«
Auf der Gegenseite wurde aufgelegt. Josuah Parker setzte sich an den korrekt gedeckten Tisch in seinem Wohnraum und frühstückte. Zwischendurch griff er nach dem Telefon, wählte eine Nummer und nickte andeutungsweise, als ein gewisser Horace Pickett sich meldete.
»Parker«, sagte der Butler in seiner gelassen-höflichen Art, »Mr. Pickett, man kann nur hoffen, daß Sie sich nicht um diese frühe Morgenstunde gestört fühlen.«
»Überhaupt nicht, Mr. Parker, ich bin längst auf den Beinen.«
»Es hat den Anschein, als sei Lady Simpson entführt worden«, redete Josuah Parker weiter, »es dürfte sich um eines der üblichen Erpressungsmanöver handeln, wie sie in der Vergangenheit schon mehrfach versucht wurden.«
»Seit wann ist Lady Simpson denn verschwunden? Hat sie sich bereits gemeldet?«
»Mylady muß am späten Nachmittag des vergangenen Tages das Opfer zweier Kidnapper geworden sein, wie man mir glaubhaft versichern will. Bisher traf weder eine schriftliche noch mündliche Nachricht Lady Simpsons ein.«
»Haben Sie bereits die Polizei verständigt?« Die Stimme des Horace Pickett drückte Anteilnahme und echte Besorgnis aus.
»Man unterhielt sich bereits ausführlich mit Chief-Superintendent McWarden«, erwiderte Josuah Parker, »ich darf Ihnen versichern, Mr. Pickett, daß alle erforderlichen Schritte in die Wege geleitet wurden und werden.«
»Kann ich irgendwie helfen?«
»Könnte man Sie in etwa anderthalb Stunden in Soho treffen?«
»Aber selbstverständlich, von mir aus auch früher, Mr. Parker. Verfügen Sie über mich!«
»In anderthalb Stunden«, wiederholte der Butler, »es wäre erfreulich, wenn man Sie in der Carnaby Street sehen könnte, und zwar vor einer sogenannten Boutique, in der Silberwaren aller Art angeboten werden.«
»Ich glaube, ich weiß, welchen Laden Sie meinen, Mr. Parker«, antwortete Horace Pickett, »in anderthalb Stunden also. Ich werde pünktlich sein.«
Parker bedankte sich und legte dann auf.
Er ging davon aus, daß man die Telefonleitung angezapft hatte. Nicht weit von dem kleinen Platz entfernt, an dem Myladys Haus und die benachbarten Bauten standen, gab es seiner Erinnerung nach eine Art Knotenpunkt für die Telefonleitungen dieses Viertels. Da Parker den Gegner nicht unterschätzte, setzte er also voraus, daß diese Person selbstverständlich in Erfahrung bringen wollte, welche Telefongespräche man hier vom Haus aus führte.
Soho war von Piccadilly Circus nun wirklich nicht weit entfernt. Falls man also sein gerade geführtes Telefongespräch abgehört hatte, mußte man davon ausgehen, daß er vorher noch am vereinbarten Treffpunkt, eben am Piccadilly Circus erscheinen würde.
Josuah Parker beendete in aller Ruhe sein Frühstück, ging dann in sein Labor und versah sich hier mit einigen nützlichen Kleinigkeiten für eine mögliche hautnahe Auseinandersetzung mit Myladys Entführern. Dann streifte er sich seinen schwarzen Covercoat über den Zweireiher, vergewisserte sich, daß der schwarze Binder korrekt saß, setzte sich die Melone auf den Kopf und langte nach seinem Universal-Regenschirm. Er war bereit, sich mit dem Gegner auseinanderzusetzen.
*
Der Butler stürzte sich mit seinem hochbeinigen Monstrum in das dichte Verkehrsgewühl der Innenstadt. Ihm kam zustatten, daß sein Wagen mal ein Londoner Taxi war. Modelle dieser Art waren, wenn auch etwas abgewandelt, in einer Vielzahl auf den Straßen zu sehen. Während der Fahrt in Richtung Piccadilly Circus blickte er immer wieder in den Rückspiegel und suchte nach etwaigen Verfolgern. Er wunderte sich keineswegs darüber, daß solche nicht auszumachen waren. Man erwartete ihn mit Sicherheit am Circus, um ihn dort dann auszuschalten. Was man genau plante und mit ihm vorhatte, wußte er natürlich nicht, doch er rechnete mit Schüssen aus dem Hinterhalt oder mit Messerstichen, die ihn jedoch wohl kaum tödlich verwunden sollten. Seiner Schätzung nach wollte die Person ihm nur beweisen, wie machtvoll sie war. Wenn es sich um ein Katz- und Maus-Spiel handelte, würde die mysteriöse Person, die sich als Katze betrachtete, ihn sicher kaum sofort töten wollen.
Es war eine Kleinigkeit für den Butler, den Verkehrsstrom zu verlassen. Er wischte mit seinem hochbeinigen Monstrum in eine enge Seitenstraße und steuerte seinen Wagen dann durch ein Gewirr von Gassen, bis er sicher sein konnte, jeden noch so gekonnten Verfolger abgehängt zu haben. Er ließ seinen Wagen auf dem Hinterhof einer Musikalienhandlung stehen, ging gemessen zu Fuß weiter und benutzte einige Pubs und Warenhäuser, um seine Spuren endgültig zu verwischen. Ihm kam es darauf an, weit vor der mit Horace Pickett vereinbarten Zeit in der Carnaby Street zu sein.
Als er sie erreichte, schritt er an der Boutique vorüber, die Silberschmuck anbot, wechselte in ein Gebäude hinüber, in dem sich einige Musikverlage befanden, und bezog im Treppenhaus Posten. Er befragte seine unförmige Zwiebeluhr, nachdem er den Sprungdeckel hatte aufspringen lassen, und faßte sich in Geduld. Es blieb noch viel Zeit. Inzwischen machte man sich am Piccadilly Circus sicher bereit, ihn angemessen zu empfangen.
Vom Fenster des Treppenhauses aus konnte er die Boutique überblicken. Parker kümmerte sich nicht um die jungen Leute, die das Treppenhaus bevölkerten. Sie trugen mehr als nur saloppe Kleidung und sahen manchmal sogar recht abenteuerlich aus, ließen ihn jedoch in Ruhe. Hin und wieder wurde Parker zwar interessiert gemustert, doch Fragen stellte man nicht.
Es dauerte vielleicht eine halbe Stunde, als sich unten auf der Straße etwas tat, was ihm nicht ganz regulär erschien. Zwei Männer, jeder von ihnen etwa fünfunddreißig Jahre alt, stiegen aus einem Taxi und bauten sich in der Nähe der Boutique auf. Einer von ihnen benahm sich derart unauffällig, daß er bereits schon wieder auffiel. Er entfaltete eine Zeitung und gab seinem dringenden Verlangen nach, die neuesten Nachrichten zu studieren. Hin und wieder senkte er die Zeitung und blickte kurz zu seinem Partner hinüber, der sich inzwischen um die Auslagen der vielen kleinen Geschäfte kümmerte.
Damit