Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa FrankЧитать онлайн книгу.
ich werde Herrn Buchner schicken.«
»Bitte, kommen Sie selbst, damit Sie sehen, für welche Räume und wieviel wir benötigen.«
Angelina kämpfte mit sich. Eigentlich wollte sie ablehnen, aber dann war sie doch neugierig, wie dieses Schloßhotel aussah und wie dieser Mann lebte. Es ist falsch, erinnerte sie sich an ihr Gebrechen und sagte laut:
»Nur, wenn ich allein und ungestört von Ihnen und Ihrem Personal am frühen Morgen alles ansehen kann.«
»Einverstanden«, war die prompte Antwort.
Sie seufzte unwillkürlich.
»Wann ist die Hochzeit?«
»In ungefähr sechs Wochen.«
»Das ist gut, denn wir brauchen eine Menge Zeit, wenn wir so eine Unmenge Blumen beschaffen müssen.«
»Aber Sie kommen doch zur Besichtigung nicht erst in sechs Wochen?« fragte er überrascht.
»Natürlich nicht. Ich muß ja sehen, was ich brauche.« Sie lächelte, aber gleich verschwand ihr Lächeln wieder. Wie er auf ihren Mund starrte.
Ansgar merkte es und atmete tief durch.
»Wann kommen Sie?«
»Morgen«, erwiderte Angelina zu ihrer eigenen Überraschung.
Buchner kam zurück. Er sah fragend von einem zum anderen.
»Ich fahre morgen in aller Frühe mit Ihnen nach Hohenried, Herr Buchner. Dr. von Hohenried möchte, daß ich selbst mir alles ansehe und danach die Blumen aussuche. Er denkt in erster Linie an die Sutters Gold.«
Buchner nickte befriedigt. Erstens, weil das eine Menge Geld brachte, außerdem eine Menge Renommee – und vor allem, weil Angelina zum ersten Mal ihrem Prinzip, nie selbst in Erscheinung zu treten, untreu wurde.
»Auf Wiedersehen«, sagte Angelina nun betont kühl und übersah die ihr entgegengestreckte Hand.
»Auf Wiedersehen«, erwiderte er und versuchte, ihren Blick zu fangen, doch sie beugte sich bereits wieder über ihr Gesteck.
Draußen war er einen Moment in der Versuchung, Buchner auszufragen, doch dann überlegte er es sich anders.
»Vielen Dank, Herr Buchner. Ich habe Ihnen hoffentlich keine Unannehmlichkeiten gemacht?«
»Ich denke nicht«, sagte der alte Gärtner und drückte mit einem wissenden Lächeln die ihm dargebotene Hand.
*
Obgleich Angelina von ganzem Herzen hoffte, Ansgar Hohenried bei ihrer Besichtigung der zu schmückenden Räume nicht zu begegnen, legte sie am folgenden Morgen mehr Wert auf ihre Erscheinung als sonst. Sie wählte eine schwarze Jeans, dazu eine hochgeschlossene, mintfarbene Seidenbluse mit langen Ärmeln und einen Blazer aus irischem Tweed, in welchem sich das Grün und Schwarz wiederholte. Ihr üppiges Haar steckte sie zu einem Knoten am Hinterkopf auf, sie tuschte die Spitzen ihrer Wimpern, so daß sie noch länger und dichter wirkten und benutzte einen Lippenstift in einem weichen Rot.
Hoffentlich begegne ich ihm nicht, sagte sie in Gedanken.
Aber sie konnte nicht verhindern, daß es in ihrem Herzen ganz anders klang: Hoffentlich begegne ich ihm!
Und wenn er nun ihren orthopädischen Schuh – ihr Hinken – trotz der langen Hosen bemerkte?
Einen Moment war sie in Versuchung, ihren Besuch in Hohenried abzusagen, doch da kam schon Buchner, um sie abzuholen.
Es war noch sehr früh. Der Himmel über dem Horizont begann eben, sich aufzuhellen, als zöge die Nacht langsam ihre dunklen Schleier zurück. Die Sterne begannen im Osten zu verblassen, während der Mond wie ein gelber Lampion tief über dem westlichen Horizont hing.
Als sie in Hohenried eintrafen, war es hell geworden. Die Vögel zwitscherten, und über den Wiesen lagen zarte Nebelschleier. Es war ein herrlicher Morgen.
Sie fuhren durch das Dorf, der Beschilderung folgend, die auf das Schloßhotel Hohenried hinwies. Es lag etwas außerhalb. Auf den Bauernwiesen, die um das Dorf lagen, weidete Vieh. Dann kamen sie an einem alten Grenzstein vorbei, auf welchem ein verwittertes Wappen zu erkennen war. Hier begann ein prächtiger Mischwald. Sie fuhren etwa zwei Kilometer die asphaltierte Straße entlang, bis sie zu einer Lichtung kamen, auf welcher, sich gut in die Umgebung einfügend, mehrere kleine Häuser gebaut waren. Hier wohnte das Personal, wie sie später erfahren sollten. Dann folgte noch ein kurzes Waldstück, und nun konnten sie die hohe Steinmauer erkennen, die den Park umschloß.
Angelina fühlte plötzlich einen Stein in ihrer Brust, der schwer auf ihr Herz drückte. Es schlug müde und langsam, um dann gleich wieder heftig zu klopfen, als würde etwas sie jagen. Ihre Unterhaltung war verstummt. Sie war froh, daß Buchner chauffierte.
Aus dem Pförtnerhäuschen trat ein Mann. Als Buchner den Namen nannte, drückte er auf die elektrische Bedienung des Tores, und es öffnete sich langsam. Der Wagen glitt eine Allee hinauf.
Rechts und links in der an einen englischen Park gemahnenden Landschaft entdeckte man die Anlage eines Golfplatzes. Dann fuhren sie über eine schöne, alte Steinbrücke. Im Wasser spielten Enten. Nun folgte eine gut gepflegte Gartenanlage. Buchner nickte anerkennend. Sie überquerten eine nach altem Muster restaurierte Zugbrücke und standen auf einem gekiesten Platz, vor dem Hauptportal zu dem schönen und hervorragend renovierten Schloß.
Das also war Hohenried!
»Es ist fast so schön wie Sternheim«, sagte Buchner.
»Fast«, erwiderte Angelina, und wieder einmal überkam sie heftiges Heimweh.
Buchner drückte auf eine Glocke, die versteckt hinter einem dekorativen, alten Klingelzug angebracht war. Das Tor öffnete sich umgehend, als habe jemand dahinter schon gewartet.
Anstelle eines Bediensteten war es Hohenried selbst, der ihnen öffnete.
»Es war ausgemacht, daß ich weder Sie noch sonst jemanden treffe« sagte Angelina statt eines Grußes, mehr auf sich selbst wütend als auf sonst jemanden. Wie unsinnig, mich zu freuen, ihn wiederzusehen. Es machte ihr nur noch mehr deutlich, wie attraktiv er war und wie gleichgültig dies für jemanden wie sie war.
»Guten Morgen.« Ansgar lächelte knapp. »Es tut mir leid, aber irgend jemand muß Ihnen doch die Tür aufmachen und Ihnen auch die Räume zeigen, die für die Veranstaltung vorgesehen sind.«
Er hatte recht. Sie gab darauf keine Antwort, sondern schritt auf die Treppe zu.
»Einen Augenblick!« hielt Hohenried sie auf. »Hier im Erdgeschoß befinden sich die Speiseräume.« Er ging Angelina voraus und öffnete für sie die Türen.
»Sehr schön«, sagte sie kurz angebunden. »Wie haben Sie sich die Veranstaltung vorgestellt?«
»Ich dachte an einen Empfang in den oberen Festsälen, dann einen Dankgottesdienst in der Schloßkapelle und dann ein Dinner in den eben besichtigten Räumen.«
Sie nickte zustimmend.
»Wie viele Gäste erwarten Sie?«
»Zum Empfang etwa fünfhundert. Dann zum Dinner dreihundert.«
»Die Veranstaltung findet…«
»Ab siebzehn Uhr statt«, beantwortete er ihre noch unausgesprochene Frage. Dann stieg er vor ihr die schöne Marmortreppe hinauf.
»Wunderschön«, sagte Angelina aufrichtig beeindruckt. »Nicht wahr, Buchner?« Der nickte begeistert seine Zustimmung.
»Dann darf ich hoffen, daß die Arbeit hier Ihnen Freude macht?« fragte Hohenried. Sie war heute noch schöner als das letzte Mal, obgleich er sich das gestern kaum hatte vorstellen können.
»Ja«, sagte sie, und ein flüchtiges Lächeln spielte um ihre Lippen.
Zuletzt besichtigten sie die Schloßkapelle. Sie war der älteste Teil der Anlage und noch immer in ihrer spätgotischen Gestalt.