8 Krimis: Killer kennen kein Gebot: Krimi Sammelband 8009. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
fest.
„Sicher nur eine streunende Katze oder so etwas, Jesse…“
Ich ging zurück zum Lagerhaus. Das Haupttor war verschlossen. Aber der Seiteneingang, der nur für Personen gedacht war, ließ sich leicht öffnen. Ich nahm die Waffe aus dem Holster und ging hinein.
„FBI! Ist hier jemand?“
Es war kaum etwas zu sehen. Durch ein paar hohe Fenster fiel etwas Licht. Wieder war ein Geräusch zu hören. Ich wirbelte herum. Eine Bewegung war in der Dunkelheit zwischen zwei großen, zwei Meter hohen Cargo-Kisten zusehen. Milo fand unterdessen den Lichtschalter.
Die Neonröhren blitzten grell auf.
Ein Mann in einem fleckigen Wollmantel stand zwischen Cargo-Kisten. Er hielt ein Messer in der Hand. Die Augen waren weit aufgerissen. Er zitterte leicht. Offenbar hatten wir einen Obdachlosen gestört, der sich in dem Lagerhaus einquartiert hatte.
„Ganz ruhig“, sagte ich. „Es wird Ihnen niemand etwas tun.“ Der Mann schien das nicht so ohne weiteres glauben zu wollen.
Er blieb in Abwehrstellung.
Ich steckte die Waffe ein und zeigte ihm meine Hände.
„Es ist alles in Ordnung, Sir. Wir sind hier vorbeigekommen und haben ein Geräusch gehört. Dass ist alles.“
„Lassen Sie mich einfach gehen“, sagte der Mann.
„Wir wollen Sie nicht mal vertreiben“, sagte Milo. „Schließlich sind wir vom FBI – und für die Piers ist die Hafenpolizei zuständig.“
Der Obdachlose atmete tief durch und ließ das Messer sinken.
„Übernachten Sie öfter hier?“, fragte ich.
Erst druckste er etwas herum, dann gab er zu, ab und zu in dem Lagerhaus zu übernachten.
Ich fragte ihn nach der Nacht, in der O’Rourke ermordet wurde. Wieder druckste er ziemlich herum. Ich ging vorsichtig auf ihn zu. „Wir wollen einfach nur wissen, ob Sie etwas gesehen haben. Ein Polizist wurde in dieser Nacht auf dem Pier ermordet. Wenn Sie da waren, konnten Sie die Blutlache sehen. Auch jetzt ist der Asphalt dort noch immer verfärbt.“
Der Obdachlose schien sich nicht ganz schlüssig zu sein, ob er nun etwas sagen sollte oder nicht. Aber ich hatte sofort das Gefühl, dass er etwas wusste. Er wollte nur nicht in die Sache hineingezogen werden. Vielleicht hatte er schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht oder fürchtete, wegen irgendwelcher kleinkriminellen Delikte belangt zu werden.
Er atmete tief durch.
„Zeigen Sie mir mal Ihren Ausweis?“, fragte er schließlich.
Ich gab ihm meine ID-Card und er sah sie sich eine Weile nachdenklich an. Eigentlich hatte ich nicht das Gefühl, dass er tatsächlich an unserer Identität als FBI-Agenten zweifelte. Er wollte Zeit gewinnen. Schließlich gab er mir den Ausweis zurück. „Ich war in der Nacht hier. Ich weiß nicht, welcher Wochentag oder welches Datum es war, da ich keinen Kalender besitze und diese Dinge für mich keine Rolle spielen.“ Er schluckte. „Trotzdem weiß ich genau, welche Nacht Sie meinen. Ich werde sie nämlich nie vergessen. Dazu hat sich alles zu sehr in mein Gedächtnis gebrannt!“
Er blickte förmlich durch mich hindurch. Mit seinen Gedanken schien er wieder in jene Nacht zurückversetzt zu sein, in der Brian O’Rourke ums Leben gekommen war. „Ich war drin und habe dort hinten, auf der anderen Seite des Raums am Fenster gestanden. Da lungerte ein Typ herum. Zwischendurch nahm er eine Waffe heraus und fingerte daran herum.“
„Können Sie den Mann beschreiben?“
„Dunkles, gelocktes Haar. Außerdem trug er eine Kette um den Hals mit einem ziemlich großen Kreuz.“
„Das konnten Sie bei der Dunkelheit sehen?“, fragte Milo verwundert.
„Ja, als er sich gegen die Laterne lehnte und direkt im Licht stand. Probieren Sie es aus! Stellen Sie sich ans Fenster und der andere von ihnen kann sich da draußen genau dort hinstellen, wo der Typ stand.“
Ich zeigte ihm ein Foto von Gonzales.
„War das dieser Mann?“
„Genau!“
„Erzählen Sie, was geschah.“
„Ich habe mich versteckt. Und einfach abgewartet. Nachdem ich die Pistole gesehen hatte, wollte ich mich nur noch verkriechen. Später habe ich Schritte und Stimmen gehört.“
„Einen Schuss?“
„Nein, da war kein Schuss. Aber es fuhr zweimal ein Wagen davon. Das weiß ich genau. Und der letzte Wagen war mit Sicherheit ein Sportwagen. Ich tippe auf Porsche.“
„So etwas hören Sie?“, fragte ich verwundert.
Er nickte. „Ich war früher mal Mechaniker, bevor… Aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls habe ich mich schließlich wieder hervorgewagt. Aber da war niemand mehr.“
„Sie haben uns sehr geholfen, Mister…“
„…Thorndyke. Marvin Thorndyke.“
27
Sean McKenzie lenkte seinen Porsche nach rechts und fuhr auf den Parkplatz an der Interstate 79, etwa auf halbem Weg zwischen Jersey City und Bayonne.
McKenzie stoppte den Wagen.
Ein weiteres Fahrzeug befand sich etwa zwanzig Yards entfernt. Der Motor war abgeschaltet, aber die Scheinwerfer nicht. Eine Gestalt hob sich gegen das grelle Licht dieser Scheinwerfer wie ein Schattenriss ab.
McKenzie schaltete den Motor seines Porsches aus, öffnete die Tür und ging ins Freie. Ein kühler Wind wehte aus Richtung des noch etwa 15 Meilen entfernten New Yorker Stadtteils Staten Island herüber.
„Was soll das Theater?“, rief McKenzie aufgebracht.
Die Gestalt trat dem Police Lieutenant entgegen.
McKenzie stutzte und erstarrte augenblicklich wie eine Salzsäule, als er die Waffe in der Hand seines Gegenübers sah.
Einen Augenblick lang dachte er daran, zu seiner Dienstpistole zu greifen. Sie steckte in einem Gürtelholster auf der linken Seite. Der Griff der SIG Sauer P 226 zeigte nach vorn.
Aber McKenzie wusste, dass er nicht schnell genug sein würde.
In dem Augenblick, in dem er gerade die Waffe gezogen hatte, würde ihm sein Gegenüber bereits die zweite Kugel in den Schädel jagen. Auf die geringe Distanz konnte McKenzie kaum damit rechnen, dass die Schüsse daneben gingen.
Der Bewaffnete trug in der Linken eine Flasche Bourbon. Die warf er McKenzie zu.
„Trinken Sie!“, lautete der knappe Befehl.
„Wieso?“
Der Lauf der Waffe hob sich und zeigte nun direkt auf McKenzies Stirn.
„Trinken Sie so viel Sie können. Hören Sie nicht auf, Sie bekommen sonst eine Kugel in den Kopf.“
„Was haben Sie vor, verdammt noch mal?“
„Warten Sie es ab!“
28
„Wir haben genau 4.30 Uhr und hier ist Ben Smith mit der Sendung ‚Night Talk’ – und wenn Sie mich jetzt hören, dann sind auch einer von den Nachteulen, die einfach keinen Schlaf finden…“
Die Stimme des Radiomoderators drang wie von Ferne in Jason Hayes’ Bewusstsein.
Hayes saß hinter dem Steuer seines Zwanzigtonners.
Er unterdrückte ein Gähnen und stellte das Radio lauter.
Nicht viel hätte gefehlt und er wäre eingeschlafen.